Pager-Explosionen treffen auch Irans Botschafter

Angriff auf das Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah-Miliz bleibt ohne erkennbare Auswirkungen auf den Gaza-Krieg

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.
Soldaten der libanesischen Armee sichern die Zufahrt eines Krankenwagens zum Gelände des Krankenhauses der American University in Beirut.
Soldaten der libanesischen Armee sichern die Zufahrt eines Krankenwagens zum Gelände des Krankenhauses der American University in Beirut.

Während in den Krankenhäusern im Libanon hunderte Verletzte versorgt wurden, die Hisbollah Vergeltung ankündigte, gingen die Analysten in Medien und sozialen Netzwerken an die Arbeit. Im Libanon sind mehrere tausend Beeper oder Pager explodiert, so viel ist klar. Einigermaßen sicher ist auch, dass es eine Geheimdienstoperation gewesen sein dürfte, die möglicherweise über Jahre sorgsam vorbereitet wurde. Aber warum wurde ihr zerstörerisches Finale ausgerechnet jetzt gestartet?

Seit Oktober ist der Gaza-Krieg in vollem Gange. An der libanesisch-israelischen Grenze liefern sich Israels Militär und die Hisbollah Gefechte; immer wieder werden auch Raketen vom Libanon aus abgeschossen. Die Gefahr, dass daraus ein voller Krieg wird, ist enorm hoch, auch wenn beide Seiten der weiteren Eskalation bislang aus dem Weg zu gehen schienen. Denn in Israel sind die Ressourcen des Militärs schon jetzt fast aufgebraucht. Im Libanon herrscht eine tiefe soziale und wirtschaftliche Krise. Die Unterstützung für einen Krieg mit Israel, der alles noch viel schlimmer machen würde, scheint gering.

Und der Angriff auf das Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah wirkt nun wie der Auftakt zu einer israelischen Offensive gegen die Strukturen der Organisation im Süd-Libanon: Ihre Kommunikation ist gestört, es dürfte Verwirrung herrschen. Doch bis Mittwochnachmittag passierte: nichts.

Es wäre auch ein eigenartiger Zeitpunkt für einen israelischen Einmarsch in den Libanon. Gerade erst hatten Berichte die Runde gemacht, Regierungschef Benjamin Netanjahu wolle Verteidigungsminister Joaw Galant feuern, ihn durch Gideon Saar ersetzen, einen langjährigen Rivalen Netanjahus, der allerdings auch vier Stimmen im Parlament mitbringen würde. Stimmen, die der Premier gut brauchen könnte, um seinen Machterhalt zu sichern. Saar ist aber auch vor allem Karriere-Politiker, hat nur begrenzte militärische Erfahrung.

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Das Nachrichtenportal »Al-Monitor« berichtete am Dienstagabend, Israels Auslandsgeheimdienst Mossad habe den Angriff gestartet, nachdem mindestens zwei Hisbollah-Funktionäre Verdacht geschöpft hätten. Und in der Online-Ausgabe der britischen Zeitung »The Guardian« weist der israelische Geheimdienstexperte Yossi Melman darauf hin, dass der Angriff zwar »die außerordentliche Fähigkeit« zeige, die Hisbollah ins Herz zu treffen. Aber der Angriff sei weder gezielt gewesen, noch verändere er die strategischen Rahmenbedingungen langfristig.

Auf den Krieg im Gazastreifen haben die Explosionen im Libanon derweil zunächst keine erkennbaren Auswirkungen gehabt.

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Aber die Explosionen haben auch ein Schlaglicht auf den Iran geworfen. Denn einer der manipulierten Beeper detonierte in der Nähe von Modschtaba Amani, dem iranischen Botschafter im Libanon. Iranische Medienberichte lassen darauf schließen, dass auch zwei seiner Sicherheitsleute solche Geräte am Körper trugen. Die Einbindung eines Botschafters in das Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Kontakte zwischen der iranischen Führung und der Hisbollah viel enger sind, als bisher angenommen. Und dass es sich zumindest beim Botschafterposten im Libanon um kein rein diplomatisches Amt handelt.

Das könnte auch die ohnehin schon stark angespannte Stimmung im Iran weiter gegen die Führung anfachen. Nach Ansicht des US-Außenministeriums wird jährlich mehr als eine Milliarde Dollar für die Unterstützung von militanten Gruppen im Nahen Osten ausgegeben, der größte Teil des Geldes soll an die Hisbollah fließen. In der islamischen Republik, wo eine tiefe wirtschaftliche und soziale Krise herrscht, wird das sehr kritisch gesehen: Das Geld werde dringender zu Hause gebraucht. Aber vor allem werden die Ereignisse jenen in Israel und den USA Argumente liefern, die strikt gegen weitere Abkommen oder eine Lockerung der Sanktionen gegen den Iran sind.

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Auf den Krieg im Gazastreifen haben die Explosionen im Libanon derweil zunächst keine erkennbaren Auswirkungen gehabt. Die Versuche, einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas auszuhandeln, gehen weiter. Am Mittwoch traf sich US-Außenminister Anthony Blinken in Kairo mit Vertretern der ägyptischen Regierung. Zusammen mit den Unterhändlern aus Ägypten und Katar arbeitet man derzeit an einem neuen Vorschlag für eine Waffenruhe. Die Ereignisse im Libanon waren bei den Gesprächen nur ein Nebenthema: Man werde sehen müssen, ob sie sich auf die Verhandlungen auswirken werden, sagte Blinkens Sprecher Matthew Miller.

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