Jedes Jahr Tausende Ausweisungen

Regierung nennt Zahlen zum Verlust des Aufenthaltsrechts

In den allermeisten Fällen haben die als »ausgewiesen« gespeichterten Personen das Land längst verlassen. Trotzdem werden ihre Daten weiter gespeichert.
In den allermeisten Fällen haben die als »ausgewiesen« gespeichterten Personen das Land längst verlassen. Trotzdem werden ihre Daten weiter gespeichert.

Die Zahl der Ausweisungen in Deutschland hat sich auf einem einheitlichen Niveau eingependelt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke hervor, die dem »nd« vorliegt. Im ersten Halbjahr 2024 wurden demnach 4321 Menschen ausgewiesen, die meisten stammten aus Albanien, Georgien, der Türkei, Moldau und Algerien. Im Gesamtjahr 2023 gab es 8019 Ausweisungen. Zwischen 2020 und 2022 schwankte die Zahl zwischen 7081 und 8257 pro Jahr.

Mit Abstand die meisten Betroffenen sind männlich. Am häufigsten wird die Maßnahme in der Gruppe der 36- bis 60-Jährigen verhängt. Jedoch werden auch Jugendliche und Kinder ausgewiesen. Im ersten Halbjahr 2024 betraf dies 47 Minderjährige und 382 Heranwachsende. Rund ein Viertel aller Verfügungen stammte aus Baden-Württemberg, gefolgt von Bayern (672) und Nordrhein-Westfalen (641).

Eine Ausweisung mit Wiedereinreisesperre ist eine mögliche Maßnahme im Ausländerrecht. Als behördliche Entscheidung beendet sie den rechtmäßigen Aufenthalt und verpflichtet zur Ausreise. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat ist nicht zwingend erforderlich; bereits die Billigung oder Werbung für schwere Verbrechen kann ausreichen. Vorher wird eine Einzelfallprüfung durchgeführt, bei der etwa die Aufenthaltsdauer und familiäre Bindungen in Deutschland berücksichtigt werden.

Verlassen die Betroffenen Deutschland nicht, droht ihnen als Zwangsmaßnahme die Abschiebung. In einigen Fällen erhalten sie aufgrund praktischer oder rechtlicher Hindernisse aber ein befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Duldung.

Zum Stichtag 30. Juni 2024 waren im Ausländerzentralregister etwa 330 000 Menschen mit einer Ausweisungsverfügung registriert, davon 6821 als »nicht vollziehbar«. Allerdings halten sich nur rund 35 000 Betroffene tatsächlich in Deutschland auf. Denn die meisten sind entweder längst ausgereist oder abgeschoben worden.

Die hohe Zahl der Gespeicherten erklärt sich durch die Löschfristen. Ihr Datensatz kann bis zu zehn Jahre aufgehoben werden. Im Falle einer Ausweisung werden die Informationen erst gelöscht, wenn die Betroffenen 90 Jahre alt sind.

Die Anfrage zu den Ausweisungen stammt von der Linke-Politikerin Clara Bünger. Die fluchtpolitische Sprecherin der Bundestagsgruppe kritisiert, dass das Ausweisungsrecht in den vergangenen Jahren mehrfach verschärft wurde und nun bereits relativ geringfügige Taten zu einer Ausweisung führen können. Nach dem 7. Oktober betrifft dies vermehrt Menschen, denen zum Gaza-Krieg Sympathiebekundungen für die Hamas unterstellt werden.

»Es ist Aufgabe der Strafjustiz, Straftaten aufzuklären und die Täter*innen zur Verantwortung zu ziehen«, sagt Bünger unserer Zeitung. »Dabei ist Kriminalität fast immer ein Produkt der Gesellschaft, in der sie sich ereignet. Deshalb muss dort auch die Aufarbeitung stattfinden«, fordert die Linke-Abgeordnete. Ausweisungen folgten hingegen einer absurden »Aus den Augen, aus dem Sinn«-Logik.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal