- Politik
- Entscheidungsstopp beim BAMF
Bundesamt bearbeitet keine Asylanträge von Menschen aus Gaza
Dutzende Untätigkeitsklagen von Geflüchteten aus palästinensischen Gebieten vor deutschen Gerichten
Weiterhin bearbeitet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine Asylanträge von Menschen aus dem Gazastreifen. In der noch unveröffentlichte Antwort auf eine Kleine Anfrage nennt das Bundesinnenministerium zur Begründung eine »volatile Lage« in Gaza infolge der andauernden Kämpfe. Eine abschließende Lagebewertung sei demnach aktuell nicht möglich, da weiterhin Verhandlungen über einen Waffenstillstand geführt würden.
Die Anfrage stammt von der Linke-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger. Als Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik kritisiert sie die Untätigkeit des BAMF scharf und betont gegenüber dem »nd«, dass im Gazastreifen aufgrund des Krieges absehbar kein menschenwürdiges Leben möglich sei. »Dass das BAMF weiterhin von einer ›volatilen Lage‹ spricht und sich weigert, über Asylanträge zu entscheiden, kommt einer Verhöhnung dieser Menschen gleich«, so Bünger.
Die Linke-Abgeordnete fordert das Bundesinnenministerium auf, den Entscheidungsstopp aufzuheben und den Betroffenen den nötigen Schutz zu gewähren. Das fordern auch Pro Asyl und Landesflüchtlingsräte seit Monaten. 51 von dem Entscheidungsstopp Betroffene aus palästinensischen Gebieten haben mittlerweile Untätigkeitsklagen eingereicht.
Das Bundesamt stützt die Pausierung auf Paragraf 24 Abs. 5 des Asylgesetzes, wonach Asylverfahren bei vorübergehend ungewisser Lage aufgeschoben werden können. Mehrere Verwaltungsgerichte, darunter in Dresden und Sigmaringen, haben jedoch entschieden, dass die Situation im Gazastreifen nicht mehr als ungewiss betrachtet werden kann. Dies wird durch eine Einschätzung der UN-Entwicklungsagentur UNDP untermauert, wonach der Gazastreifen durch die israelischen Angriffe so schwer zerstört worden ist, wie keine Region seit Ende des 2. Weltkriegs.
Die palästinensische Diaspora in Deutschland ist mit 200 000 Menschen die größte in Europa. Viele von ihnen sind nach Fluchtwellen seit den 1960er Jahren staatenlos oder besitzen die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes. In den letzten Jahren flohen viele weitere vor dem Bürgerkrieg in Syrien aus dortigen Flüchtlingslagern nach Deutschland. Nur wenige Menschen dürften indes nach Ausbruch des jüngsten Krieges und von Israel und Ägypten weitgehend geschlossenen Grenzübergängen eine Flucht aus dem Gazastreifen geschafft haben.
Die Zahl der deutschen Abschiebungen von Personen aus den palästinensischen Gebieten ist in den letzten Jahren gering geblieben – auch wegen der unsicheren rechtlichen Situation der Betroffenen, die häufig staatenlos sind und keine Rückkehrmöglichkeiten haben. Seit 2015 wurden deshalb nur vereinzelte Personen unter Zwang zurückgeführt, meist als sogenannte Dublin-Fälle in andere EU-Staaten. Nur 2018 gab es zwei direkte Abschiebungen in die palästinensischen Gebiete, schreibt das Bundesinnenministerium.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen werden Palästinenser*innen in Deutschland von der Politik und einschlägigen Medien mit Sicherheitsrisiken assoziiert oder pauschal unter Antisemitismusverdacht gestellt. Ihre Ausschlusserfahrungen finden hingegen wenig Beachtung, auch durch die Polizei: Für Straftaten im Zusammenhang mit antipalästinensischem Rassismus gebe es »keine bundesweite Begrifflichkeit«, schreibt das Innenministerium in der Antwort auf die Anfrage, regelmäßige Statistiken dazu könne das zuständige Bundeskriminalamt deshalb nicht liefern.
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