Ägyptischer Aktivist soll in Haft bleiben

Behörden verschieben Entlassung von Alaa Abdel Fattah um mindestens zwei Jahre

Pressekonferenz am Donnerstag in London anlässlich der eigentlich bevorstehenden Freilassung von Alaa Abdel Fattah. Angehörige und Freund*innen hatten bereits damit gerechnet, dass Ägyptens Justiz sich nicht daran hält.
Pressekonferenz am Donnerstag in London anlässlich der eigentlich bevorstehenden Freilassung von Alaa Abdel Fattah. Angehörige und Freund*innen hatten bereits damit gerechnet, dass Ägyptens Justiz sich nicht daran hält.

Die ägyptischen Justizbehörden weigern sich, die zweijährige Untersuchungshaft von Alaa Abdel Fattah auf seine fünfjährige Haftstrafe anzurechnen. Dies teilte sein Anwalt Khaled Ali am Sonntag in sozialen Medien mit. Damit verlängert sich die Gefangenschaft des bekannten Aktivisten, Schriftstellers um weitere zwei Jahre. Abdel Fattah gilt auch als Ikone der Revolution von 2011.

Der heute 42-jährige Abdel Fattah wurde zuletzt 2019 bei regierungskritischen Protesten in Ägypten festgenommen. Er verbrachte zunächst zwei Jahre in Untersuchungshaft, während die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit gegen ihn wegen Terrorismus, Verbreitung falscher Nachrichten und Missbrauchs sozialer Medien ermittelte – Vorwürfe, mit denen politische Aktivist*innen in Ägypten häufig kaltgestellt werden.

2021 wurde Abdel Fattah schließlich nur wegen des Vorwurfs der Verbreitung falscher Nachrichten zu fünf Jahren Haft verurteilt – dabei ging es um einen Facebook-Beitrag über Polizeigewalt, den er geteilt hatte. Seine Haftzeit hätte er am 29. September dieses Jahres im Wadi-Natrun-Gefängnis abgesessen.

Dass Ägyptens Justiz anderer Auffassung sein könnte, hatten Angehörige und Freund*innen von Abdel Fattah bereits befürchtet. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in London haben sie internationale Medien darüber informiert.

In einem offenen Brief fordern nun 59 ägyptische und internationale Menschenrechtsorganisationen, darunter Amnesty International und Access Now, die sofortige Freilassung Abdel Fattahs. Die fortgesetzte Haft verstoße gegen Artikel 482 der ägyptischen Strafprozessordnung, der vorschreibt, dass die Haftzeit »vom Tag der Verhaftung des Verurteilten« beginnt.

Nabih al-Genady, einer der Verteidiger von Abdel Fattah, äußerte sich zudem besorgt über die Zukunft des Gefangenen selbst nach dem offiziellen Strafende 2027, da die Justizbehörden sich auch in anderen Fällen nicht an geltendes Recht halten würden. Al-Genady befürchtet sogar, dass die Behörden Abdel Fattah erneut anklagen könnten, was eine weitere lange Untersuchungshaft bedeuten würde.

Abdel Fattah hat bereits den Großteil des letzten Jahrzehnts im Gefängnis verbracht. 2014 wurde er kurzzeitig wegen Beleidigung eines Polizisten verurteilt. Von 2015 bis 2019 saß der Aktivist eine fünfjährige Strafe wegen Verstoßes gegen Demonstrationsgesetze ab, die nach der Revolution von 2011 eingeführt worden waren.

Auch Sanaa Seif, eine der Schwestern von Abdel Fattah, war bis 2021 insgesamt 18 Monate in Haft. In ihrem Fall hatten die Behörden die Zeit ihrer Untersuchungshaft allerdings von dem Gefängnisaufenthalt abgezogen.

In ihrem offenen Brief rufen die 59 Organisationen dazu auf, den Fall von Abdel Fattah auch bei anderen Regierungen anzusprechen und darüber Druck auf das Regime des ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah El-Sisi auszuüben. Seine Familie appellierte abermals an die britische Regierung, sich für seine Freilassung einzusetzen, da er neben der ägyptischen auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt.

Am Sonntag durfte Abdel Fattahs Mutter ihren Sohn im Gefängnis besuchen. Sanaa Seif veröffentlichte anschließend einen Beitrag, in dem sie ihre Mutter mit den Worten zitierte: »Alaas Zustand ist so, wie man es unter diesen Umständen erwarten kann.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal