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Unsere Kati
Im ZDF zum Tag der Einheit: »Eine Kür, die bleibt«: Katarina Witt
Klar, dass auch wir die Autobiografie von Katarina Witt kauften. Natürlich waren »Meine Jahre zwischen Pflicht und Kür« noch nicht die rechte Lektüre für unsere elfjährige Eisprinzessin, die indes wie ihre Sportsfreunde bei Dynamo Berlin die »Kati« aus Karl-Marx-Stadt anhimmelten, wie sie einmal Olympiagold gewinnen wollten. Gelang trotz Talent und Fleiß nicht. Wegen westdeutscher Ignoranz und Arroganz. Die als einstiges »Mielke-Imperium« von den neuen Herren im Land verschriene Sporteinrichtung wurde abgestraft (wofür auch immer), Gelder gestrichen, Trainer mit Weltruf entlassen oder auf ABM-Stelle gesetzt (in allen Sportarten); manche fanden im Ausland dankbare Anstellung. Der Turntrainer unseres Sohnes beispielsweise übernahm die irische Nationalmannschaft. Eine Medaillenschmiede war der SC Berlin jedenfalls fortan nicht mehr.
Katarina Witts Erinnerungen erschienen 1994, in dem Jahr, als sie es noch einmal wissen wollte. Die zweifache Olympiasiegerin, mehrfache Europa- und Weltmeisterin beschließt, zu den Olympischen Winterspielen in Lillehammer anzutreten. Daran erinnert ein neuer Spielfilm, vom ZDF am Tag der Einheit ausgestrahlt. Fünf Jahre zuvor hat »Kati« (Lavinia Nowak) sich vom Leistungssport verabschiedet. Die 27-Jährige sucht ihre alte Trainerin auf. Jutta Müller (Dagmar Menzel) ist anfangs nicht begeistert.
Die Eingangszene zeigt beide bangend: Der Fahrstuhl im Hotel bleibt stecken. Katarina Witt: »Wenn die uns das jetzt vermasseln, rufe ich bei Gorbatschow persönlich an, um mich zu beschweren.« Jutta Müller: »Du meinst wohl eher Helmut Kohl?« – »Von dem habe ich die Nummer nicht.«
Schaffen sie es noch rechtzeitig ins Eisstadion? Na klar, wissen wir. Millionen Ost- und Westdeutsche fiebern an den Bildschirmen für »unsere Kati«. Sie wird Siebte. Enttäuschung ist den Gesichtern von Katarina Wirt und Jutta Müller abzulesen. Zehn Jahre jünger die Konkurrentinnen, die Dreifachsprünge wie Perlen einer Kette auffädeln, auch den Axel dreifach. Im Film kommen sie nicht vor. Ist auch gut so, denn es ist doch ein Triumph für das Team Witt/Müller. Im Stadion stehende Ovationen vom internationalen Publikum. Deutsche Zeitungen titeln anderntags: »Kati, von uns kriegst du Gold«. Zwei Wochen zuvor haben sie noch Stasi-Stories aufgetischt. Die natürlich die Sportlerin verunsichern, zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen ihr und der Trainerin führen.
»Kati« hat nun doch die Gauck-Behörde aufgesucht, obwohl sie es nicht wollte und ein Sportkamerad (Paarlauf) ihr davon abrät. 27 Aktenordner, 3031 Seiten, Deckname »Flop«. Beobachtet seit ihrem siebten Lebensjahr. »Sogar die Namen meiner Kuscheltiere kannten sie«, hält sie ihrer Trainerin vor. Und: »Du hast meine erste Liebe zerstört. Du hast mich bespitzelt.« Jutta Müller entgegnet: »Wir haben dich beschützt.« Ähnlich die Antworten von Egon Krenz, den sie bei einem Waldspaziergang um Erklärung und Entschuldigung bittet. »Mensch Egon, verraten und verkauft habt ihr mich.« – »Mensch, du warst die Erste, die in der USA als Profi laufen durfte.«
»Kati« weiß, was sie der DDR verdankt. Leugnet dies auch nie. Auch nicht die Privilegien, die sie genoss. Holiday On Ice. Und einen berühmten US-amerikanischen Schauspieler als Freund. Auch diese Liebe zerbricht. Nicht wie ihre erste mit 20 in der DDR zu einem Schlagzeuger, der von Trainerin und Sportfunktionären als nicht rechter Umgang für ihr Goldmädchen angesehen wird. Diesmal ist es die strenge Disziplin, die sie sich selbst auferlegt, um ihr ehrgeiziges Ziel in Lillehammer zu schaffen, es aller Welt noch einmal zu zeigen. Vor allem aber jenen, die sie als »SED-Ziege« oder »Honeckers Prinzesschen« beschimpfen. Was wissen die schon. »Kati« weiß, was sie Jutta Müller verdankt, lässt sich von der Deutschen Eislauf-Union auch keinen neuen Trainer verordnen.
Es waren natürlich in erster Linie ihre Erfolge. Hart erkämpft durch hartes Training. Unbeschwerte Kindheit? Ja und nein. Aber es waren tatsächlich auch die gesellschaftlichen Bedingungen, die sie und viele andere Sportler und Sportlerinnen an die Weltspitze katapultierten. Förderung von Kindesbeinen an, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Dazu finden sich im ZDF-Film leider keine Aussagen. Dass sich der kleine Staat DDR gern mit Weltrekorden schmückte, nun ja. Die Sportbegeisterung ihrer Bürger und Bürgerinnen war echt.
Nowak/Manzel überzeugen in ihren Rollen. Scheinbar ewig kindliches Gemüt, stets lächelnd, frohgemut, fast naiv die eine, ernsthaft, pflichtbewusst, oft grantig und scheinbar eiskalt die andere. Dankenswerterweise wird der sächsische Dialekt nicht überstrapaziert (im Gegensatz zu Filmen, wo Sächsisch gern zur Vorführung Ostdeutscher missbraucht wird). Vor allem wird nicht ideologisiert. Dass »Kati« für Lillehammer »Sag mir, wo die Blumen sind« wählte, einst legendär intoniert von Marlene Dietrich, hatte mit DDR-Prägungen zu tun. Es tobte ein halbes Jahrhundert nach dem von Nazideutschland entfesselten Weltenbrand wieder Krieg in Europa. In Jugoslawien. Die Eishalle in Sarajewo, in der »Kati« 1988 Gold holte, diente nun als Leichenhalle. Fünf Jahre später beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland am Nato-Bombardement gegen Serbien.
»Kati – Eine Kür, die bleibt«, ZDF, 3.10., 20.15 Uhr
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