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Das letzte Versprechen fällt
Dass das Weiter-so nicht mehr aufgeht, verzeihen Millionen der Ampel nicht, meint Lasse Thiele
Ab und zu wird aus der Klimabewegung noch in Anspielung auf SPD-Wahlplakate von 2021 rhetorisch gefragt, wo denn der »Klimakanzler« geblieben sei. Dass der Ausdruck damals auf den Plakaten des noch nie besonders klima-affinen Olaf Scholz landete, ergab sich aber schlicht aus der imitativen Gesamtstrategie seiner überraschend erfolgreichen Kampagne: Seine Vorgängerin Angela Merkel ging zeitweise als »Klimakanzlerin« durch, und Scholz war bemüht, sich nach langen Jahren der Verschmelzung in Großen Koalitionen als derjenige Nachfolger zu präsentieren, der noch größere Kontinuität zur Merkel-Ära liefern konnte als der Kandidat ihrer eigenen Partei.
Den nach wie vor populären Politikstil der BRD-Behäbigkeit mag Scholz noch steifer und einsilbiger verkörpern als Merkel oder einst Helmut Kohl, aber er bildete den Rahmen für sein Regierungsbündnis, das sich als »Fortschrittskoalition« bloß dekorierte: Ein bisschen Digitalisierung hier, ein bisschen ökologische Modernisierung da; Moderator Scholz stellt sicher, dass alles behutsam bleibt. Wären da nur nicht die historischen Umstände.
Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.
Kontinuität, das »Sicher könnt und werdet ihr bis ans Ende eurer Tage so leben«, ist das letzte und einzige Versprechen spätneoliberaler Politik. Ohne dieses scheinen seit langem keine Wahlen mehr gewinnbar. Nur wenige interpretieren es als Drohung. Es ist nur objektiv nicht mehr haltbar. Es ist Scholz’ historisches Pech, und das der Ampel insgesamt, dass ausgerechnet in seiner Amtszeit die Krisen hereinbrachen, die über Jahrzehnte der Weiter-so-Politik hinausgezögert und damit vertieft wurden. Kriege, Inflation, jährliche Flutkatastrophen, zunehmende Krankenstände und kaputtgesparte Infrastrukturen lassen den Alltag nicht mehr unberührt. Dass das Weiter-so erstmals nicht mehr aufzugehen scheint, verzeihen Millionen Menschen der Ampel nicht – es trägt ebenso zu ihrer außerordentlichen Unbeliebtheit bei wie ihr eigenes Unvermögen, angesichts der Schuldenbremse Handlungsfähigkeit zu gewinnen.
Denn der kollektiven Realitätsverweigerung tun die Krisenerfahrungen keinen Abbruch – im Gegenteil. Der Erfolg des Bündnisses Sahra Wagenknecht ist Ausdruck desselben Phänomens: Können wir bitte zurück in die 70er, als die Welt noch fordistisch geordnet schien? Diese aus der Überforderung gespeiste Nostalgie für vorneoliberale Zustände paart sich mit dem neoliberalen Erbe des »kapitalistischen Realismus« (Mark Fisher), in dem sich die meisten Menschen positive politische Veränderung schlicht nicht mehr vorstellen können. Wo die Gegenwart immer überwältigender wird und keine bessere Zukunft denkbar ist, bleibt nur, sich an eine idealisierte Vergangenheit mit einem starren Wohlstandbegriff zu klammern.
Die Widersprüche kanalisieren sich in aggressive Verteidigungsimpulse, in Besitzstandswahrung gegenüber Armen und Migrant*innen. Sollte die SPD 2025 an Scholz’ Stelle den Verteidigungsminister Boris Pistorius ins Kanzlerrennen schicken, so entspräche sie durchaus diesem Zeitgeist. Ein zeitgemäßeres, solidarischeres Sicherheitsversprechen glaubhaft zu machen, mit dem auch Klimaschutz nicht mehr als zusätzliche Bedrohung erscheint, wäre dagegen die Aufgabe linker Kräfte.
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