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Telegram: Für vertrauliche Chats nicht geeignet
Viele politische Initiativen setzen auf den Messenger, doch für vertrauliche Chats war er nie geeignet, warnt Anne Roth
Telegram ist ein auch unter Linken ausgesprochen beliebter Messenger. In Deutschland ist es nach Whatsapp, Facebook Messenger und FaceTime mit 16 Prozent der Nutzer*innen sogar auf dem vierten Platz der beliebtesten Messenger, stellte Statista kürzlich fest.
Diese Beliebtheit rührt daher, dass Telegram bequem ermöglicht, Nachrichten an viele Menschen zu verteilen und dazu allerlei hübsche Gimmicks bietet, aber auch, weil die Plattform gekonnt suggeriert, die Kommunikation der Chats besser vor Überwachung zu schützen als die großen US-amerikanischen Plattformen. Bei denen ist ja seit den Enthüllungen von Edward Snowden vor gut zehn Jahren bekannt, dass mindestens die US-Geheimdienste hier und da mitlesen können. Telegram, fast zeitgleich zu den Snowden-Enthüllungen 2013 gegründet, hat ein kompliziertes Verhältnis zu Staaten und Sicherheitsbehörden und gilt als ausgesprochen schwer erreichbar. Damit kokettiert sein Gründer, der russische Milliardär Pawel Durow, auch gern öffentlich.
Und so war es zumindest der US-Technologie-News-Website »404 Media« diese Woche eine Meldung wert, dass Telegram jetzt doch mit US-Sicherheitsbehörden kooperiert und Nutzer*innen-Daten herausgibt: IP-Adressen und Telefonnummern, sogenannte Metadaten. »404 Media« interpretiert dies als Zeichen für eine generelle Veränderung des Umgangs mit Datenanforderungen durch Behörden. Erkennbar sei das auch in der nach der Festnahme von Gründer Durow Ende August in Paris geänderten Telegram-Richtlinie zum Umgang mit Behörden. Durow wird in Frankreich vorgeworfen, seine Plattform zu lax zu moderieren, illegale Inhalte nicht zu entfernen und auf Behördenanfragen nicht zu reagieren.
Anne Roth gehört zu den Pionierinnen linker Netzpolitik. Für »nd« schreibt sie jeden ersten Montag im Monat über digitale Grundrechte und feministische Perspektiven auf Technik.
Neue Telegram-Regeln zur Kooperation mit Sicherheitsbehörden
Ende September gab Durow mit der Aktualisierung der Richtlinien bekannt, dass Telegram den Sicherheitsbehörden auf Anfrage sehr wohl Daten von Nutzer*innen mitteile, die gegen die Plattformregeln verstoßen. Ob die Formulierung bewusst gewählt ist, hier gehe es um die Regeln der Plattform und nicht um geltende Gesetze, kann wohl nur Telegram beantworten.
Eine Woche später präzisierte Durow, dass dies gar nichts Neues sei, sondern bereits seit 2018 so praktiziert werde – vorausgesetzt, die Behörden hielten sich an den Rechtsweg und richteten ihre Anfragen an die richtige Adresse. Mit dem Inkrafttreten des EU-Plattformgesetzes »Digital Services Act« gebe es mehr korrekte Anfragen und entsprechend auch mehr Übergaben von Daten, so Durow. Dies werde auch in »Transparenz-Berichten« bekanntgegeben, die über einen eigenen Telegram-Kanal abgefragt werden können. Dort wird beispielsweise aktuell mitgeteilt, dass Telegram 2024 für Deutschland bislang 53 Anfragen durch Sicherheitsbehörden entsprochen habe, die 115 Nutzer*innen betrafen.
Noch vor zwei Jahren erklärte Telegram auf demselben Weg, es habe gar keine Daten weitergegeben. Allerdings berichtete der Spiegel im selben Jahr, dass durchaus Daten an das Bundeskriminalamt gegeben worden seien. Auch wurden einzelne deutschsprachige Kanäle gesperrt. Das Image von Telegram als wahrem Hüter der unzensierten Meinungsfreiheit, der sich staatlichen Zugriffen entgegenstemmt, hat also deutliche Kratzer bekommen.
Die meisten Chats können mitgelesen werden
Weil den Behörden keine Inhalte der Chats, sondern lediglich Metadaten, also IP-Adresse und Telefonnummer übergeben werden, könnte davon ausgegangen werden, dass Telegram ein einigermaßen geschütztes Kommunikationsmittel ist. Aber das ist ein Trugschluss.
Telegram gilt gemeinhin als »verschlüsselter Messenger«. Das ist gekonntes Marketing, mehr nicht. Die allermeisten dort ausgetauschten Nachrichten sind nicht verschlüsselt und können von allen gelesen werden, die Zugriff auf die Server von Telegram haben (oder eins der beteiligten Geräte, also auf Mobilfunk- oder WLAN-Anbieter der Nutzer*innen). Verschlüsselt werden können lediglich die Chats zwischen zwei Accounts, die dazu von den Nutzer*innen aktiv zu »geheimen Chats« gemacht werden müssen, hier beschrieben vom Gründer des tatsächlich verschlüsselten Messengers Signal, Moxie Marlinspike. Bisher werden die unverschlüsselten Inhalte – hoffentlich – nicht weitergegeben, aber das kann sich auch ändern. Wer sonst noch darauf Zugriff hat, weiß nur Telegram.
Viele Telegram-Kanäle wollen Öffentlichkeit und sollen von vielen gelesen werden. Hier ist der Mangel an Vertraulichkeit überhaupt kein Problem. Wer politisch etwas verändern will, will dazu meist viele Menschen erreichen und dazu kann auch Telegram ein probates Mittel sein. Wer aber unter sich bleiben will, um politische Strategien zu entwickeln oder strittige Themen auszudiskutieren, sollte von Telegram besser die Finger lassen und zu einer tatsächlich verschlüsselten Lösung umziehen.
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