Marburg-Virus: Impfstoff-Test unter Realbedingungen

Nach tödlichem Ausbruch des Marburg-Virus laufen in Ruanda die Gegenmaßnahmen

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Marburg-Virus
Elektronenmikroskopische Aufnahme des Marburg-Virus

Aus Ruanda werden weitere nachgewiesene Fälle des gefährlichen Marburg-Virus gemeldet. Binnen eines Tages sei die Zahl der Infizierten um sieben Patienten auf 36 gestiegen, teilte das Gesundheitsministerium des ostafrikanischen Landes am Freitag auf der Plattform X mit. Mittlerweile seien elf Patienten im Land gestorben.

Ende September hatte Ruanda der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die bislang ersten Marburg-Virus-Fälle im Land gemeldet. Zwei Drittel der Fälle betreffen Mitarbeiter in zwei Gesundheitseinrichtungen in der Hauptstadt Kigali. Auch wenn die Zahlen niedrig sind, nimmt man den Vorgang sehr ernst: Die WHO stuft das Risiko dieses Ausbruchs auf nationaler Ebene als sehr hoch und auf regionaler Ebene als hoch ein. Auf globaler Ebene gilt das Risiko indes als gering. (Auch in Deutschland, wie der Umgang in Hamburg mit einem Verdachtsfall zeigt, der sich dann als falscher Alarm entpuppte.)

Das Marburg-Virus gehört zu den Filoviren und ist eng mit Ebola verwandt. Es handelt sich um ein relativ großes, behülltes Einzel-Strang-RNA-Virus, das meist fadenförmig ist. Es stammt aus der Tierwelt, vermutlich von bestimmten Fledermausarten. Allerdings sind auch Mensch-zu-Mensch-Übertragungen möglich; diese geschehen durch den Austausch von Körperflüssigkeiten und durch Schmierinfektion. Erste Symptome sind hohes Fieber, Muskelschmerzen und Erbrechen, nach einigen Tagen kann es zum tödlichen hämorrhagischen Fieber kommen, das mit Organversagen verbunden ist. Bei den bisher registrierten Ausbrüchen starben 25 bis 90 Prozent der Infizierten.

Durch die hohe Todesrate ist die Ausbreitung eher langsam und Ruanda hat gute Voraussetzungen, den Ausbruch in den Griff zu bekommen. Die Behörden des politisch stabilen Landes verfügen über Erfahrungen im Umgang mit gefährlichen Infektionskrankheiten und das Gesundheitssystem ist auf solche Ereignisse eingestellt. Es gibt Laborkapazitäten für Bluttests. Patienten werden zeitnah getestet, isoliert und in Krankenhäusern symptomatisch behandelt. Kontaktpersonen werden zurückverfolgt, aktuell betrifft dies etwa 300 Menschen, wie die WHO mitteilte. Problematischer dürfte es erst werden, wenn das Virus auf Nachbarstaaten wie die Demokratische Republik Kongo übergreift.

Die epidemiologischen Standardmaßnahmen sind entscheidend, denn wie bei vielen anderen seltenen Krankheiten, die vor allem im globalen Süden auftreten, sind bisher weder eine Behandlung noch ein Impfstoff zugelassen. Das lediglich in Teilen Afrikas heimische Virus kam überhaupt erst auf den Radar, als sich im Jahr 1967 in der hessichen Stadt Marburg bei importierten Laboräffchen 27 Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens ansteckten, von denen neun starben. Dachte man zunächst an eine Salmonelleninfektion, passten die Sympotome schon nach wenigen Tagen nicht mehr dazu. Bei der Untersuchung durch Tropenmediziner in Kooperation mit der WHO konnte das Virus im Elektronenmikroskop identifiziert werden.

Immerhin wird seit geraumer Zeit dank internationaler Gelder an Impfstoffen geforscht. Dafür gegründet wurde das Marburg-Virus-Impfstoff-Konsortium (MARVAC), dem Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und Forscher angehören. Als besonders vielversprechend gelten derzeit ein Vakzin der Universität Oxford und eines des Sabin Vaccine Institutes in Washington (USA). Hier gibt ein modifiziertes Schimpansen-Adenovirus den Zellen Anweisungen zur Herstellung eines Marburg-Virus-Proteins, worauf das Immunsystem etwa mit der Bildung von Antikörpern reagiert. Bisherige klinische Tests waren bei Wirkung und Sicherheit positiv. Es gab aber nur wenige Beteiligte, die zudem bisher keinerlei Kontakt zu dem Virus hatten, sodass die Ergebnisse nicht unbedingt auf die endemischen Regionen übertragbar sind.

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Daher hoffen Forscher und Gesundheitsbeamte, dass in Ruanda unter Realbedingungen wertvolle Daten gesammelt werden können, um die Entwicklung des Impfstoffs voranzubringen. Tatsächlich ist eine erste Lieferung aus den USA bereits unterwegs. Laut dem Sabin Vaccine Institute handelt es sich um 700 Dosen, die insbesondere für medizinisches Personal verwendet werden sollen. Zusätzliche Lieferungen würden in Betracht gezogen, um klinische Studien zu unterstützen, erklärte Thierry Roels von der US-Gesundheitsbehörde CDC am Wochenende.

Als besonders vielversprechend gilt beim Marburg-Virus, ähnlich wie bei Mpox und Ebola, eine sogenannte Ringimpfung, bei der alle Kontaktpersonen eines Infizierten immunisiert werden. Ira Longini, Biostatistikerin an der Universität von Florida in Gainesville und MARVAC-Mitglied, empfiehlt, dass in Ruanda jetzt mindestens ein Impfstoff im Rahmen einer solchen Ringimpfung getestet werden solle. Pläne für solche Versuche seien bei einem ebenfalls tödlichen Ausbruch im vergangenen Jahr in Äquatorialguinea ausgearbeitet worden.

Eine Ethikkommission der WHO hat nun auch Pläne für Behandlungen Erkrankter mit dem antiviralen Medikament Remdesivir genehmigt, das gegen Ebola und Covid-19 getestet wurde. Auch die Verwengung monoklonaler Antikörper hat die WHO erlaubt. Diese hatten sich im Tierversuch als vielversprechend erwiesen. Solche Versuche müssen aber erst von den Behörden in Ruanda zugelassen werden.

In Expertenkreisen würde man es daher duchaus begrüßen, wenn der Ausbruch in Ruanda noch etwas weiter gehen würde. Oder wie es das Fachblatt »Nature« ausdrückt: »Forscher befinden sich in einem Wettlauf mit der Zeit, um Impfstoffe und Behandlungen gegen ein tödliches Virus zu entwickeln.«

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