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Stadtderby: Grünweiße Chemiker im blaugelben Wind der Lokomotive
BallHaus Ost: Das Leipzger Derby mit Lok-Sieg und wenig Nebengeräuschen
Freunde, der Sommer ist endgültig Geschichte und mit ihm die Partys bei 33 Grad. Grau hängt der Nebel überm frühmorgendlichen Berlin, die letzten Ratten machen sich eilig über die Hinterlassenschaften der Nacht her. Das Laub wird älter, die Luft kälter – und die balltretende Menschheit verteilt sich bedachtsam in die Kneipen und in ihre innig geliebten Stadien. So ist es in Berlin, Hamburg, Frankfurt oder Leipzig.
Fußballstadt Leipzig: Wer sehnt sich nicht nach deinen Plätzen und den stacheligen Freunden von Chemie und Lokomotive, die den Brauseballern Paroli bieten und Woche um Woche beweisen, wer in der Messestadt Mode ist. Schreitet der aufmerksame Spaziergänger durch Leipzig, wird er vielerorts die Aufkleber und Graffiti von Chemie und Lok erspähen. Und seitdem in Probstheida guter Fußball geboten wird, weht der Wind blaugelb, wenn ich das mal wetterfroschig und nassforsch sagen darf.
Am Sonntag trafen die verfeindeten Stadtnachbarn aufeinander. Vergangene Saison gewann Chemie in der Höhle des Löwen mit 2:0. Grünweiße Spieler und Fans feierten mächtig: Polonaise und robben über den grünen Rasen – die Demütigung für Lok so gut es geht auskosten. Im Herbst 24 hat sich die flotte Lotte, dieser sanfte Schmetterling, ein neues Glückskind ausgesucht. Lok steht mächtig in den Puschen. Ist es die frische Unbekümmertheit oder der neue Trainer aus dem Westen? So richtig weiß es keiner in Probstheida, doch solange es so läuft wie gegen Chemie, ist das allen egal.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Mehr als 10 000 Menschen sahen einen souveränen 2:0-Sieg der Lokomotive; mit wenig Nebengeräuschen. Keine Platzverweise, nur sieben gelbe Karten, bisschen Pyro im Innenraum, nur eine kurze Spielunterbrechung, gegenseitiges Schal- und Fähnchenverbrennen – für ein Leipziger Derby verlief es friedlich, geringfügiges Nasenzerklopfen auf der grünen Wiese zählen wir mal nicht mit.
Ist Fußball Krieg? Eine schlechte Ausrede für Gewalt? Vielleicht, aber diesmal musste die geneigte Leipzigerin diese woanders finden. Beispielsweise im neuen Buch von Clemens Meyer. Der ist auch Fußballfan und hat es mit den grünweißen Gänseblümchenzertretern. Gelegentlich sind in seinen Büchern Wimpel von Chemie Leipzig an schrundigen Wänden zu sehen. Auch in der Andreas-Dresen-Verfilmung seines Erfolgsbuches »Als wir träumten« findet sich ein solcher.
Weil Meyer auch Geld verdienen muss, hat er an ein paar »Polizeiruf«-Folgen mitgeschrieben. In der vorletzten davon tauchte ein derangierter Knacki auf, mit einer HFC-Tätowierung. Hat er den Teufel direkt an die Wand gemalt? Alles Schmu, denken die Chemie-Leipzig-Fans, Anhänger des Halleschen FC Fans jubeln Meyer nur sehr leise zu. Laut dürfen die HFC-Fans das ja nicht tun, weil sie wiederum eng befreundet sind mit Lok Leipzig. Deshalb hing auch am Sonntag eine Halle-Fahne im Lok-Block. Als im vergangenen Jahr Chemie 125 Jahre Fußball in Leutzsch feierte, las der gebürtige Hallenser Clemens Meyer den grünweißen Leipzigern einen Strauß ebenso gefärbter Geschichten vor. »Chemie, Chemie, nur noch Chemie« sangen die Chemiker am Sonntag – und vergossen heimlich manche Träne.
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