Berliner Senat gibt sich unerfüllbare Neubauziele

Mit künftig vier Millionen Einwohner*innen braucht Berlin mehr Wohnraum

Aus Alt mach Neu: In der Pallasstraße entstehen 219 von 220 000 bis 2040 benötigten Wohnungen
Aus Alt mach Neu: In der Pallasstraße entstehen 219 von 220 000 bis 2040 benötigten Wohnungen

Mit Neubauzielen ist das in Berlin so eine Sache. Sie werden immer recht ambitioniert ausgegeben, aber dann bekanntermaßen nicht eingehalten. So gesehen ist die Frage, die der stadtpolitische Sprecher der Grünen, Julian Schwarze, eingangs in der Besprechung des vom Senat beschlossenen »Stadtentwicklungsplans Wohnen 2040« im Ausschuss für Stadtentwicklung stellt, berechtigt: »Die Neubauzahlen sind nicht erreichbar. Warum stehen sie trotzdem drin?«

Die Herausforderungen sind groß. Rund 220 000 Wohnungen müssten laut Plan in Berlin von 2022 bis 2040 entstehen, um den erwarteten Bedarf zu decken. Bis 2026 sind es 100 000 – eine unerreichbare Zielmarke. Mit dem Plan hat der Senat zumindest Flächen ermittelt, auf denen benötigter Wohnraum entstehen könnte. Aber: »Der Stadtentwicklungsplan Wohnen ist ein Rahmenkonzept«, wie Bausenator Christian Gaebler (SPD) klarstellt. Er solle zeigen, welche Gebiete für Wohnen zur Verfügung stehen.

Es ist also keineswegs sicher, dass auf den ermittelten Flächen dann auch wie erhofft gebaut werden kann. »Wir haben immer ambitionierte Ziele«, sagt Mario Hilgenfeld, Bereichsleiter Wohnungspolitik des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen. Diese würden dann aber abschmelzen. Auch generell seien die Rahmenbedingungen schwierig, führt Hilgenfeld aus. Justus Hayner, vom Rat für Stadtentwicklung, einem Zusammenschluss verschiedener politischer Vereine, die zu Stadtentwicklung arbeiten und forschen, sagt, dass der private Wohnungsbau durch die Zins- und Baukostenentwicklung nahezu zum Erliegen gekommen sei und nicht ausreichend durch öffentliche Wohnungsbauprogramme kompensiert werde.

Auch für Genossenschaften sind die Rahmenbedingungen schwierig. »Die Genossenschaften bauen nicht. Aber nicht, weil sie nicht wollen«, sagt Andreas Barz, vom Bündnis junger Genossenschaften. Er verweist auf eine andere Zielmarke in der Berliner Stadtentwicklungspolitik. Eigentlich sollten 25 Prozent der landeseigenen Flächen genossenschaftlich bebaut werden. Davon sei man aber meilenweit entfernt, so Barz. Und das, obwohl Genossenschaften bezahlbaren Wohnraum auf Dauer schaffen würden. Eine Ursache dafür sieht der Genossenschaftssprecher darin, dass Konzeptverfahren für die Vergabe landeseigener Flächen nicht funktionieren würden. »Warum kann man nicht standardisierte Konzeptverfahren machen?«, fragt Barz.

Dass die Genossenschaften nicht oder kaum bauen, führt zu einem anderen Senats-Ziel, dessen Erfüllung mehrfach infrage gestellt wird: Die Hälfte der neuen Wohnungen sollen gemeinwohlorientiert sein. Senator Gaebler verweist auf einzelne Projekte, in denen alle gebauten Wohnungen in diesem Segment seien. Im Bestand und Neubau insgesamt seien die 50 Prozent erreicht, erklärt er.

»Keiner hat hier das Ziel, die Stadt vollzubetonieren.«

Ersin Nas (CDU)
Sprecher für Mieten und Wohnen

Gleichzeitig führen die Neubaupläne zu Zielkonflikten, insbesondere was Natur- und Klimaschutz betrifft. Schließlich will das Land Berlin nicht nur dafür sorgen, dass viele neue Wohnungen entstehen, sondern auch eine Netto-Null-Versiegelung, also, dass in der Summe keine weiteren Flächen versiegelt werden. »Keiner hat hier das Ziel, die Stadt vollzubetonieren«, beteuert Ersin Nas, CDU-Sprecher für Mieten und Wohnen im Abgeordnetenhaus. Der schwarz-rote Senat bringt aber trotzdem immer wieder die immer wieder demokratisch abgelehnte Randbebauung des Tempelhofer Felds ins Spiel.

»Der Stadtentwicklungsplan Wohnen der Baufilzkoalition ist Abbild der Betonideologie à la Bauen, Bauen, Bauen«, sagt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg, zu »nd«. Es würden wieder nur neue Baupotenziale verhandelt und dementsprechend die Berliner Freiflächen für Neubauten mobilisiert, während über die Mietenkrise und die Finanzialisierung im Bestand geschwiegen werde. Es brauche eine ehrliche Analyse über Leerstand und Ferienwohnungen, Luxuswohnungen und Hotels, die niemand brauche und die den Berliner*innen den Platz zum Leben nehmen, so die Sprecherin weiter. »Die Stadt muss umgebaut und nicht vollgebaut werden und wir brauchen leistbaren Wohnraum statt profitgeile Immobilienspekulanten.«

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