Coming Out Day: Zu viel Hass, zu wenig Hilfe

Der 11. Oktober ist internationaler Coming Out Day. Doch viele queere Menschen erleben Feindseligkeiten

Auch beim Christopher Street Day in Görlitz-Zgorzelec kam es zu rechten Drohgebärden.
Auch beim Christopher Street Day in Görlitz-Zgorzelec kam es zu rechten Drohgebärden.

»Queerfeindlichkeit gab es immer – jedoch ist sie derzeit so hoch und manifest wie seit 30 Jahren nicht«, sagt Sven Norenkemper. Er arbeitet beim Coming Out e. V. und leitet das Projekt »Coming out ... und so!« – ein Beratungsangebot von queeren Jugendlichen für queere Jugendliche. Wie schlägt sich dort die homo-, bi- und transfeindliche Stimmung nieder?

Zwar sei die Zahl der Anfragen relativ ähnlich geblieben, dafür habe sich die Beratung »massiv« verändert, erklärt Norenkemper gegenüber »nd«. In den Gesprächen würden die großen Sorgen deutlich, die viele queere Jugendliche mit sich tragen. »Viele Ratsuchende berichten, dass sie in der Schule oder Uni exakt jene diskriminierende Rhetorik an den Kopf geworfen bekommen, die beispielsweise auf den Tiktok-Kanälen der AfD zu hören ist«, so der Projektleiter. Er vermutet: Es ist diese Rhetorik, durch die sich viele trauen, queere Menschen und andere Minderheiten anzugehen – sie fühlten sich dadurch gar ermutigt. Das gehe bis zu körperlicher Gewalt. »Diese Diskriminierungserfahrungen sind in unseren Gesprächen durch die Decke gegangen«, sagt Norenkemper.

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Bei Eicke Ricker von der Beratungsstelle zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Bochum, Rosa Strippe e. V., hat der Rechtsruck bislang keine Spuren hinterlassen. Das liege aber eher daran, dass die Gesamtsituation schon länger schlecht aussieht. Gerade in den Bereichen trans* und Flucht gebe es einen anhaltend großen Beratungsbedarf. Grund dafür sei neben Diskriminierung auch eine transfeindliche und rassistische Berichterstattung, so Ricker.

Eigentlich müsste die Politik darauf reagieren, indem sie Angebote wie »Coming out ... und so!« oder Rosa Strippe besonders fördert. Das Gegenteil ist der Fall. Ricker bemängelt »massive Kürzungen oder sogar Streichungen von Mitteln«. Betroffen davon ist etwa das einzige Projekt in Nordrhein-Westfalen für queere Menschen mit Rassismus-Erfahrung, die Fachstelle #Mehr als Queer. Zum 1. Januar 2025 stellt die Landesregierung die Finanzierung laut aktuellem Stand vollständig ein.

Ein ähnlicher Schock traf zu Beginn des Jahres den Rosalinde Leipzig e. V.: Der Antrag auf Förderung queerer Bildungsarbeit in Leipzig und ganz Nordsachsen wurde abgelehnt – nach 30 Jahren erfolgreicher Arbeit. »Eigentlich sind wir bis zu den Sommerferien komplett ausgebucht gewesen«, sagte damals die Projektmitarbeiterin Johanna Heinrich. Das Schlimmste konnte gerade noch so abgewendet werden: Engagierte Stadträt*innen stellten mit kommunalen Mitteln einen reduzierten Betrieb des Projekts im laufenden Jahr sicher.

Doch mutmaßlich sind starke Kommunalparlamente aus SPD, Grünen und Linken gerade in jenen Gegenden rar gesät, wo queere Menschen am meisten Unterstützung benötigen. Und ohnehin: Es ist bezeichnend, wenn das schmale städtische Budget ausgleichen muss, dass sich eine Landesregierung wegduckt.

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