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Gesetzesreformen für ein »sturmfestes« Verfassungsgericht
Breite Zustimmung für Plan zum Schutz der Karlsruher Institution vor politischer Einflussnahme im Bundestag
Im Bundestag hat sich am Donnerstag nur die AfD gegen die von Ampel und Union vorgelegten Pläne zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor politischer Einflussnahme ausgesprochen. Das kann als Indiz dafür gelten, dass die Gesetzesvorhaben Plänen zuwiderlaufen, die möglicherweise bei der Rechtspartei in einer Schublade schlummern.
Am Donnerstag wurden die beiden Gesetzentwürfe, mit denen Regierungskoalition und Oppositionsführerin gemeinsam die Unabhängigkeit und die Funktionsfähigkeit der Karlsruher Institution sichern wollen, erstmals im Plenum von den Abgeordneten beraten. Kern des ersten Entwurfs ist die Verankerung von Vorschriften, die das Gericht betreffen, im Grundgesetz. Damit soll verhindert werden, dass diese Regeln, die sich aus Sicht aller Fraktionen außer jener der AfD bewährt haben, eines Tages mit einfacher Mehrheit geändert werden können. Für die entsprechende Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, weshalb die Ampel auf die Kooperation mit der Union angewiesen ist.
»Jede politische Partei, die das Vorhaben grundsätzlich ablehnt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie eine heimliche Agenda der Schwächung des Gerichts verfolgt.«
Günter Krings CDU-Bundestagsabgeordneter
Der zweite Entwurf sieht Änderungen am Bundesverfassungsgerichtsgesetz
und am Untersuchungsausschussgesetz vor, die die Arbeitsfähigkeit der beiden Karlsruher Senate bei politischen Krisen, etwa durch Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung, gewährleisten sollen.
Andrea Lindholz (CSU), Vizechefin der Unionsfraktion, sagte, die geplante Reform sei notwendig, weil »die Parteien an den politischen Rändern stärker werden«. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese betonte, in Polen und Ungarn habe sich gezeigt, wie »Feinde der Demokratie« Parlamentsmehrheiten für die Einflussnahme auf das Verfassungsgericht missbrauchen können.
Clara Bünger, Rechtsexpertin der Gruppe Die Linke, nannte die Vorschläge für eine bessere Absicherung des Gerichts einen »guten Anfang«. Dass noch mehr Maßnahmen notwendig seien, um Angriffe von Demokratiefeinden abzuwehren, habe das Agieren der AfD bei der konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag gezeigt. Bekomme sie mehr Macht, könne die Demokratie schnell zum »bloßen Spielball« ihrer politischen Vorhaben werden. Der Fall Thüringen zeige aber, dass ihr Ziel eine Justiz sei, die »in ihrem Sinne entscheidet« und gegen politische Gegner vorgehe.
Der AfD-Abgeordnete Fabian Jacobi bezweifelte derweil die Notwendigkeit der Gesetzesänderungen. Schließlich seien derzeit »keine Bestrebungen, diese zu ändern«, erkennbar. Demgegenüber erklärte Günter Krings, Rechtsexperte der Union: »Jede politische Partei, die das ganz grundsätzlich ablehnt, muss sich die Frage gefallen lassen, ob sie denn eine heimliche Agenda der Schwächung des Gerichts verfolgt«, sagte der CDU-Politiker.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lobte die »konstruktiven Verhandlungen« zwischen den Regierungsparteien und CDU/CSU: »Das war Parlamentarismus in seiner besten Form.« Erfahrungen in Mittel- und Osteuropa hätten gezeigt, welche »perfiden Taktiken« es gebe, »Verfassungsgerichte an die Kette zu nehmen, an den Rand zu drängen, ihre Unabhängigkeit in Frage zu stellen«, sagte er.
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SPD, Grüne, FDP und Union wollen die zwölfjährige Amtszeit der Richter und den Ausschluss einer Wiederwahl sowie die Altersgrenze von 68 Jahren im Grundgesetz festschreiben. Außerdem soll dort die Festlegung auf 16 Richter und zwei Senate und die Vorschrift festgeschrieben werden, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers weiterführt.
Das Bundesverfassungsgericht bestimmt Zuständigkeiten und Grenzen für das Handeln des Staates. Damit niemand an diesen Prinzipien rütteln oder Urteile ignorieren kann, wollen Ampel und Union auch den Status des Gerichts sowie die Bindungswirkung seiner Entscheidungen auf die Ebene der Verfassung heben.
Darüber hinaus soll eine Öffnungsklausel im Grundgesetz dafür sorgen, dass bei der Wahl neuer Richter das jeweils andere Wahlorgan einspringen kann, wenn es in Bundestag oder Bundesrat längere Zeit keine Zweidrittelmehrheit für einen Kandidaten geben sollte. An dem Grundsatz, dass die Richter jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden, soll festgehalten werden. mit dpa
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