Peking zeigt Taipeh die Instrumente

China kontert Rede zum Nationalfeiertag in Taiwan mit einer Militärübung rund um die Insel

  • Felix Lill, Taipeh
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Militärangehöriger hält während einer Patrouille vor dem Songshan-Flughafen in Taipeh am 14. Oktober 2024 Wache.
Ein Militärangehöriger hält während einer Patrouille vor dem Songshan-Flughafen in Taipeh am 14. Oktober 2024 Wache.

Die Fotosession dürfte Spaß gemacht haben. Hellblaue Hemden trugen die Männer, sie posierten vor einer rosafarbenen Wand, küssten sich und hielten dabei Filmklappen hoch. Tatsächlich ist die Geschichte dieser zwei Typen filmreich. Jahrelang haben Ryan, ein 38-jähriger Taiwaner, und Righ, ein 48-jähriger Festlandchinese, dafür gestritten, dass sie endlich offiziell als Ehepaar gelten dürften. Vor einer guten Woche war es dann endlich so weit. In der komplizierten Beziehung zwischen dem von Peking aus regierten Festlandchina und dem Inselstaat Taiwan markierte der Behördengang im südtaiwanischen Kaohsiung etwas Historisches: Erstmals wurde eine gleichgeschlechtliche Beziehung zwischen einem Taiwaner und einem Festlandchinesen offiziell in Taiwan als Ehe anerkannt.

Historische taiwanesisch-chinesische Ehe

Eine Eheschließung von Männern aus diesen zwei Staaten gab es bisher nicht. Nur eine Woche später war mal wieder deutlich zu erkennen, warum nicht. Am Montag sah sich Taiwan von chinesischem Militärgerät umzingelt. Pekings Streitkräfte zur See, zur Luft, das Raketenkommando sowie die Armee waren vom Festland ausgerückt, um sich im Norden, Osten und Süden der Insel zu positionieren und unübersehbar auf sich aufmerksam zu machen. Die Manöver seien als »klare Warnung« gegen diejenigen zu verstehen, die eine Unabhängigkeit Taiwans beabsichtigen, erklärte Chinas Militär.

Es war eine klare Drohung Pekings in Richtung Taiwans Regierung in der Hauptstadt Taipeh, dass man den Inselstaat Taiwan jederzeit übernehmen könnte, wann immer man es wolle. Denn das Einkreisen Taiwans durch das chinesische Militär macht deutlich: Man könne Taiwan sogar einnehmen, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern, indem man einfach eine Seeblockade durchführe. Taiwan wäre dann bis auf Weiteres von Importen abgeschlossen, solange China es nicht anders zulässt.

Taiwan gehöre zu China, betont die festlandchinesische Regierung in Peking immer wieder. So ist man in Peking dieser Tage besonders erzürnt. Denn Taiwans Präsident William Lai sieht dies ausdrücklich anders. Am 10. Oktober, dem Nationalfeiertag der Republik China, wie sich Taiwan offiziell nennt, hatte Lai erklärt, Taiwan werde »sich jedem Versuch der Annexion oder Eingriffe« durch Festlandchina widersetzen. Außerdem betonte Lai, China habe kein Recht Taiwan zu repräsentieren.

Dieser Streit geht auf den Chinesischen Bürgerkrieg zurück, der 1949 darin endete, dass die unterlegenen Nationalisten um Chiang Kai-shek vom Festland geflohen und sich auf der Insel Taiwan niedergelassen hatten. Die siegreichen Kommunisten regierten fortan über das Festland, erhoben aber auch Anspruch auf die Insel Taiwan. Bis heute. Dabei werden die zwei Staaten seit Jahrzehnten separat regiert: China als Ein-Parteienstaat, Taiwan wurde vor gut drei Jahrzehnten eine Demokratie.

Konflikt mit globalem Potenzial

Taiwans seit Frühjahr regierender Präsident William Lai gehört dabei zu jenen Politikern Taiwans, die sich besonders deutlich vom Festland abgrenzen wollen. Die hohe handelspolitische Abhängigkeit vom Festland will er ausbalancieren, sich zudem verstärkt mit anderen Staaten vernetzen. Peking will dies verhindern, und droht seither umso mehr mit einer Invasion Taiwans.

Der Konflikt zwischen China und Taiwan wird als einer der gefährlichsten der Welt eingeschätzt. Denn sollte China tatsächlich Taiwan angreifen, könnten auf der Seite Taiwans die USA und Japan direkt hineingezogen werden, auf jener Chinas womöglich Russland und Nordkorea. Wiederholt ist in Politikkreisen darüber spekuliert worden, dass dann ein neuer Weltkrieg ausbräche.

Vollends unrealistisch scheint eine Invasion Taiwans durch das chinesische Militär nicht. Chinas Staatspräsident Xi Jinping erwartet von seiner Armee, dass sie bis zum Jahr 2027 bereit ist, eine Invasion erfolgreich durchzuführen. In Taiwan wiederum, wo man ohne Hilfe von außen kaum eine militärische Chance hätte, entscheiden sich nicht Wenige dafür, das Thema möglichst zu ignorieren. Insofern ist die Hochzeit zwischen dem taiwanisch-chinesischen Paar Ryan und Righ keine Ausnahme.

In diversen Gesellschaftsbereichen begegnen sich Festlandchinesen und Taiwaner gar freundschaftlich. Menschen vom Festland sind auch die wichtigste Gruppe von Touristen auf der Insel. Und dies hat nur zum Teil damit zu tun, dass Taiwan einen Großteil der Schätze aus der Ära des Chinesischen Kaiserreichs besitzt, nachdem die Nationalisten diese im Zuge ihrer Niederlage mit nach Taiwan brachten. Auch generell besteht Interesse am Leben in Taiwan, wo die Menschen bis heute im Schnitt wohlhabender sind als auf dem Festland. Der Austausch jenseits der Politik besteht also weiterhin.

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