Bedrohte Wasserversorgung wird zum Politikum

Expertenkommission warnt vor massiv zunehmender Knappheit und fordert einen internationalen Pakt

Die Versorgung mit saueberem Wasser ist wie hier in Netrokona (Bangladesch) für viele Menschen mühselig.
Die Versorgung mit saueberem Wasser ist wie hier in Netrokona (Bangladesch) für viele Menschen mühselig.

Wasser ist bekanntlich Grundlage allen Lebens. Allerdings erschweren Dürren infolge des Klimawandels, Verschmutzung, Verschwendung und Kommerzialisierung zunehmend die Versorgung insbesonders der schwächsten Gruppen. Mehr als zwei Milliarden Menschen haben nach aktuellen Schätzungen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Jeden Tag sterben mehr als 1000 Kinder aus diesem Grund.

Das Thema wird erst langsam zum internationalen Politikum. Vor zwei Jahren rief die OECD eine Kommssion mit Experten und Entscheidungsträgern aus aller Welt ins Leben. Ziel ist es, »einen Wandel in der Art und Weise anzustoßen, wie Gesellschaften Wasser verwalten, nutzen und bewerten«. Die Kommission hat am Donnerstag ihren Abschlussbericht veröffentlicht. Titel: »The Economics of Water«.

Darin warnen die Autoren, dass ohne Gegenmaßnahmen die weltweite Nachfrage nach Süßwasser das Angebot bis zum Ende dieses Jahrzehnts um 40 Prozent übersteigen dürfte. Bis 2050 werden die Probleme das weltweite Bruttoinlandsprodukt um etwa acht Prozent schmälern, wobei die armen Länder mit einem Verlust von 15 Prozent rechnen müssen. Die weltweite Getreideproduktion könnte um bis zu 23 Prozent zurückgehen. Dicht besiedelte Regionen wie der Nordwesten Indiens, der Nordosten Chinas sowie Süd- und Osteuropa seien besonders anfällig, so der Bericht.

»Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit bringen wir den globalen Wasserkreislauf aus dem Gleichgewicht«, sagte Johan Rockström, Ko-Vorsitzender der Kommission und Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. »Wir müssen Süßwasser als globales Gemeingut in die Weltwirtschaft einbeziehen.« Insbesondere die »atmosphärischen Flüsse« arbeiteten länderübergreifend: »Grünes Wasser«, das in Böden und Pflanzen gespeichert ist, liefert mittels Verdunstung etwa die Hälfte der weltweiten Niederschläge. Deshalb bezieht der Bericht nicht nur »blaues Wasser« (in Flüssen und Seen) ein.

Die Studie ist nicht »peer-reviewed« und wird aus fachlicher Ebene skeptisch bewertet. Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Magdeburg begrüßt zwar »das Denken in den Dimensionen des Wasserkreislaufes von der regionalen bis zur globalen Skala«. Allerdings kritisiert er die Gleichsetzung von Wassernutzung und -verbrauch. Fragwürdig findet er auch das Konzept, Knappheit an einem fixen Pro-Kopf-Bedarf festzumachen. Die Kommission geht davon aus, dass jeder Mensch etwa 4000 Liter pro Tag benötigt, um sich angemessen zu ernähren und ein würdiges Leben zu führen. Borchardt hingegen hält »das Verhältnis zwischen dem Bedarf und dem sich aus dem Wasserkreislauf in Quantität und Qualität nachhaltig erneuernden Dargebot« für wichtiger.

Allerdings ist der Bericht auch weniger für die fachliche Debatte gedacht. »Er ist sinnvoll, um das weltweite Bewusstsein der Politik für ein länderübergreifendes Wassermanagement zu schärfen«, erklärt Katrin Drastig vom Leibniz-Institut für Agrartechnik Potsdam-Bornim.

Tatsächlich warten die Autoren mit zahlreichen Forderungen auf, die es in sich haben: Angeregt wird etwa ein internationaler Wasserpakt. Neben Finanzmitteln für ärmere Länder sollte es zudem eine stärkere Bepreisung von Wasser geben, um eine sparsamere Nutzung insbesondere in Bergbau, Energiesektor und Landwirtschaft zu fördern. Und Ökosysteme wie Moore oder Wälder müssten geschützt werden – denn diese seien zentral für das »grüne Wasser«.

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