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Keine Egomanie auf dem rhythmischen Schlachtfeld
Mensch schlägt Maschine: Zu ihrem 25. Gründungsjubiläum beschenkten die Dresdner Sinfoniker sich und ihr Publikum mit einer »Robotersinfonie«
Die galante Verbeugung der drei Roboterarme mit sieben Gelenken und den bunt leuchtenden Dirigierstäben gelang am überzeugendsten. Als empfänden sie tatsächlich Erleichterung, dass 20 Jahre Ideenvorlauf beim Gründungsvater der Dresdner Sinfoniker Markus Rindt, wochenlange Programmierarbeit an der Technischen Universität Dresden und fünf Probentage endlich im Hellerauer Festspielhaus zum Ergebnis führten. Zu jener mit viel Vorschussaufmerksamkeit bedachten »Robotersinfonie« also, das selbstbereitete Geschenk zum 25. Gründungsjubiläum dieses experimentierfreudigen Projektorchesters.
Nach Hochhaussinfonie auf der Prager Straße in Dresden, Konzerten an der Demarkationslinie USA-Mexiko oder von einem Elbdampfer aus nun also der Ausflug in eine gar nicht so neue Welt gesteuerter Musikautomaten oder der vor 50 Jahren modischen Kybernetik. Im CeTI-Exzellenzcluster der Dresdner Universität, das an der Mensch-Maschine-Schnittstelle forscht, fand Hornist Markus Rindt endlich den passenden Partner.
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Es sollte zwar weltweit das erste Experiment eines Orchesterdirigats durch einen Roboter sein, und die Deutsche Welle streamte eines der beiden Konzert auch live. Aber Spiritus Rector Markus Rindt, Komponisten und das Hellerauer Team vermieden vorab Sensationshascherei und Arroganz. Es gehe nicht um Ersatz humaner Kreativität, gar Genialität, hieß es. Der Automat sollte nur technisch die Grenzen eines menschlichen Dirigats überwinden, speziell bei polyrhythmischen Strukturen.
Was in den mit Spannung erwarteten 25 Minuten nach der Konzertpause, in denen die wohlprogrammierten Triumvirn des synthetischen Dirigats zum Einsatz kamen, tatsächlich zu hören war, überforderte aber keinen der meist neugierig-kompetenten Besucher. Hohen Erwartungen musste vielleicht eine sanfte Enttäuschung folgen, aber die Frage nach dem musikalischen Mehrwert stellte sich schon.
Wieland Reissmanns »#kreuzknoten« bezieht sich auf ein Experiment »Canon X« von Conlon Nancarrow. Zu den 2001 noch von Udo Zimmermann geleiteten Dresdner Tagen der Zeitgenössischen Musik spielten zwei von Lochstreifen gesteuerte Selbstspielklaviere diesen Schabernack eindrucksvoller durch: Das eine begann phlegmatisch und wurde immer schneller, das andere startete im Prestissimo und ritardierte mehr und mehr. Irgendwann traf man sich für Augenblicke der Synchronität. Das Prinzip rhythmischer Gegenläufigkeit aber erschloss sich bei Reissmann kaum, weil langgezogene Klänge und eben keine panisch-phlegmatische Rhythmik vorherrschen.
So unsensationell blieb auch das zweite KI-Werk des Abends vom zweifellos originellen Komponisten und Pianisten Andreas Gundlach, den Dresdner Sinfonikern bestens vertraut. Man konnte laut Ansage ein anspruchsvoll zu decodierendes Edelchaos erwarten. Aber bald schlich sich der ketzerische Gedanke ein, dass man von afrikanischen Gruppen oder im Modern Jazz schon vertracktere Polyrhythmik gehört hat.
Die drei eher sympathischen Roboterchen zeigten überhaupt keine Egomanie auf einem rhythmischen Schlachtfeld. Unerwartet viel Synchronität war zu hören, viele konsekutive Solopassagen vermeiden Kollisionen, und swingen kann man ohnehin nur mit einer gemeinsamen »Eins«. Was scheinbar unter den drei Blasorchestergruppen divergiert, hätte sich synkopisch oder in Hemiolen unter einem Fleischblutdiktator auch ausleben können.
Über weite Strecken konnte man ein klassisches Vier-Viertel-Dirigat nachverfolgen, manchmal vom »Konkurrenzarm« nur auf Achtel heruntergebrochen. Übrigens minimalistische Schläge, denn eruptive Akkorde verkraften die sensiblen Ärmchen nicht. Anmaßend erscheint die Bezeichnung »kollaborativer Roboter«. Denn der kollaboriert nicht, sondern spult unbeeindruckt sein Programm herunter, verweigert jede für wahre Musik unvermeidliche Interaktion. »Es geht nicht um Aleatorik«, hatte Komponist Reissmann schon vorab jedes Risiko von Spontaneität ausgeschlossen.
Seine und die Kompositionen von Konstantia Gourzi und Markus Lehmann im ersten, noch menschlich dirigierten Teil passten auch eher zu einem Festtagsprogramm als dass sie provozierten. Na ja, ein elektrischer Bohrhammer zum Auftakt, aber sonst klare, eingängige Strukturen, transparenter Klangaufbau, erkennbare Motive, manchmal sogar klassische Kadenzen. Zur Freude der einen blieb alles gut durchhörbar, anderen waren Big-Band-Anklänge zu konventionell.
Alle im Hellerauer Festspielhaus aber verband die Begeisterung über die Interpreten, diese aus Deutschland und der halben Welt zusammengerufenen faszinierenden Brasser. Schon optisch beeindruckend platziert, links vier Tuben (!), die synchron scheinbar mühelos auch Sechzehntelläufe herunterpusteten, rechts ebenso ein Trompetensatz. Zentral positioniert acht Hornisten, dahinter ein immenses krachpotentes Schlagwerk. Traumhaft sicher und intonationsrein musizierten sie auf Jubiläumsniveau.
Ein Vergleich zwischen den drei Maschinenarmen und dem kurzfristig eingesprungenen norwegischen Dirigenten Magnus Loddgard drängte sich gar nicht auf. Am besten das Roboterexperiment lächelnd als Erfahrungszuwachs quittieren und keine Revolution musikalischer Möglichkeiten hineininterpretieren.
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