Galeria: Ertrag ohne Tarifvertrag?

Verdi kritisiert Frontalangriff auf tarifliche Grundsätze durch neue Konzerneigentümer

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Konflikt zwischen den neuen Galeria-Eigentümern und Verdi droht sich weiter zuzuspitzen.
Der Konflikt zwischen den neuen Galeria-Eigentümern und Verdi droht sich weiter zuzuspitzen.

Noch im September hatte Galeria-Arbeitsdirektor Guido Mager angekündigt, »sämtliche Tarifverträge in der aktuellen Fassung, insbesondere die Manteltarifverträge« erhalten zu wollen. Davon ist der Warenhauskonzern jedoch nun offenbar abgerückt. Für die verbleibenden rund 12 500 Beschäftigten plant er laut Gewerkschaft Verdi einen dauerhaften Abschied von den regionalen Entgelt- und Manteltarifverträgen der Branche. Stattdessen sollen sie einem Angebot des Unternehmens individuell »ohne Tarifabschluss« zustimmen, wie es in einer Verdi-Mitteilung heißt. Die Verhandlungen mit der Gewerkschaft über flächendeckende Verträge seien indes für »unbestimmte Zeit« auf Eis gelegt worden.

Das aktuelle Angebot von Galeria, dem die Beschäftigten individuell zustimmen sollen, sieht eine Lohnerhöhung von insgesamt 11,3 Prozent über drei Jahre bis Oktober 2026 vor. Die Gehaltssteigerungen sollen in vier Etappen erfolgen: 3,0 Prozent ab Oktober 2024, noch einmal 3,3 Prozent ab Januar 2025 und jeweils weitere 2,5 Prozent ab Oktober 2025 und 2026.

Damit bleibe die Bezahlung der Beschäftigten langfristig deutlich unter dem Branchendurchschnitt, bemängelt die Dienstleistungsgewerkschaft. In den vergangenen Jahren hatten die Mitarbeitenden angesichts der schwierigen Lage des Unternehmens auf bis zu 30 Prozent ihrer Gehälter im Vergleich zum Flächentarif des Einzelhandels verzichtet. Das neue Angebot würde diesen Rückstand lediglich auf 23 Prozent reduzieren, was die Gewerkschaft als unzureichend betrachtet.

Auch vor dem Hintergrund lehnt Verdi das Angebot entschieden ab und kündigt Widerstand an. »Wir werden dieses unfaire Vorgehen nicht akzeptieren«, betont die Gewerkschaft. Galeria müsse endlich Verantwortung übernehmen und eine zukunftsfähige Lösung für die Beschäftigten erarbeiten, statt weiterhin auf fragwürdige Methoden zu setzen.

»Offensichtlich will man die Mitarbeitenden erpressen, indem Druck untereinander erzeugt wird.«

Silke Zimmer Verdi-Bundesvorstand

»Die Beschäftigten bei Galeria haben den Betrieb trotz Insolvenzen und Filialschließungen aufrechterhalten, während Tausende Arbeitsplätze gestrichen wurden«, erklärt Silke Zimmer, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand und zuständig für den Handel. »Sie haben eine faire Bezahlung verdient – im Gegensatz zu den Eigentümern, die sich bislang ihrer Verantwortung entzogen haben.« Als »vergiftet und unmoralisch« bezeichnete sie zudem das Vorgehen des Konzerns. »Offensichtlich will man die Mitarbeitenden erpressen, indem Druck untereinander erzeugt wird. Das widerspricht dem Prinzip der individuellen Vertragsfreiheit.« Von einem »Frontalangriff auf die tariflichen Grundpositionen« ist in einer Verdi-Mitteilung die Rede.

Besonders übel stößt der Gewerkschaft auf, dass die neuen Eigentümer mit ihrem angekündigten Plan bisherige Vereinbarungen aushebeln würden. Das beträfe etwa die Nachwirkung des sogenannten Integrationstarifvertrags (ITV) und den Rechtsanspruch der Beschäftigten auf bisherige tarifvertragliche Leistungen. Der ITV war im Jahr 2019 im Zuge der Fusion von Karstadt und Kaufhof ausgehandelt worden und beinhaltet unter anderem eine schrittweise Angleichung der Entgelte an die regionalen Flächentarifverträge des Einzelhandels sowie eine Standort- und Beschäftigungssicherung. Im Gegenzug waren unter anderem die Gehälter leitender Angestellter gekürzt worden.

Ein weiteres Problem ist laut Verdi der enge Zeitrahmen: 90 Prozent der Beschäftigten einzelner Filialen sowie der Gesamtbetriebsrat müssen bis zum 8. November den neuen Vertragsbedingungen zustimmen. »Den Kolleginnen und Kollegen wird die Pistole auf die Brust gesetzt«, kritisiert auch Marcel Schäuble, Verdi-Verhandlungsführer zum Vorgehen der Konzernleitung.

Zudem habe Galeria bis heute keine Anschlussregelung für den bereits vor zwei Jahren aufgekündigten Sanierungsvertrag vorgelegt. Auch Verhandlungen über einen neuen Vertrag habe das Unternehmen bisher verweigert, so Verdi. Auf eine nd-Anfrage zu den Vorwürfen der Gewerkschaft reagierte der Konzern nicht.

Das Unternehmen befindet sich seit Jahren in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Bereits 2020 waren 40 Standorte geschlossen und 4000 Stellen gestrichen worden. Doch es half nichts. Anfang dieses Jahres musste das Unternehmen zum nunmehr dritten Mal in vier Jahren Insolvenz in Eigenverwaltung beantragen. Im Mai 2024 stimmten die Gläubiger dem Sanierungsplan für die insolvente Warenhauskette zu.

Laut eigenen Angaben agiert das Unternehmen seit August wieder alleinverantwortlich. Nachdem die US-Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners und der vom Unternehmer Bernd Beetz kontrollierten Gesellschaft BB Kapital mit Sitz in der Schweiz ins Geschäft eingestiegen sind, hob ein Essener Gericht den Insolvenzantrag auf. Die Warenhauskette wurde in den Konzern Nabo Holdings mit Sitz in Luxemburg eingegliedert.

Die neuen Eigentümer planen, die Kosten weiter zu senken. Von den noch vorhandenen 92 Filialen sollen nur 83 erhalten bleiben. Damit geht auch ein entsprechender Stellenabbau einher. Parallel zu den Einsparungen will das Konsortium Investitionen in Höhe von bis zu 100 Millionen Euro aufbringen, um die Modernisierung des Geschäfts voranzutreiben, vor allem im Bereich des Online-Handels.

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