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- Potsdam der Wende
Brandenburg 1989: Die Ergebnisse nicht im Blick
Die Konrad-Adenauer-Stiftung lässt die »Friedliche Revolution in Potsdam« Revue passieren
Wo Preisung sein muss, soll sie sein. Mit ihrer Veranstaltung zur »Friedlichen Revolution in Potsdam« vor einigen Tagen hat die Konrad-Adenauer-Stiftung einmal mehr unter Beweis gestellt, was für ein gemütlicher Vorgang die Betrachtung der jüngsten Geschichte sein kann. Schauplatz war der gut geheizte und achtbar gefüllte Gemeindesaal der katholischen Kirche St. Antonius im Potsdamer Gemeindeteil Babelsberg. Die Anwesenden lauschten dem Gast des Abends, dem Historiker und langjährigen Mitarbeiter am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Thomas Wernicke, der seinen Vortrag mit 35 Potsdam-Fotos aus der Zeit der schön-schweren Revolution auflockerte.
Wernicke, der selbst damals als Mitarbeiter des Potsdam-Museums dem oppositionellen Neuen Forum angehörte, zitierte eingangs Klaus Renft, den Sänger der (verbotenen) gleichnamigen Rockgruppe. Der hatte die DDR gleich dreimal wahrgenommen: »In der ersten DDR haben wir gelebt, die zweite stand in der Zeitung und von der dritten haben wir geträumt.«
Nun wurde 1989 auch in Potsdam nicht nur von einer besseren DDR geträumt, sondern man schritt zur Tat. Es drängte. Wernickes Bilder zeigten den Verfallsstand historischer Straßenzüge, er sprach von einer »dramatischen Situation«, in der sich so manches Kreiskrankenhaus befunden habe. Von verwegenen jungen Menschen, die sich in der Argus-Gruppe zusammengeschlossen hatten, um auf dem Potsdamer Pfingstberg das Gestrüpp zu beseitigen. Und die den Mut besaßen, in den Briefkasten der Stasi-Kreisdienststelle despektierliche Botschaften einzuwerfen. Als dann die Phase des »Dialogs« einsetzte, konnten die Halb- und Illegalen dann ihre Forderungen aufmachen. Ein Foto zeigt den »Bürgerdialog« zwischen aufmüpfigen Bürgern und dem Vertreter der SED-Kreisleitung Rolf Kutzmutz.
Was war das damals – ein »Aufbruch«, eine »Wende« oder eine »Friedliche Revolution«? Die Frage stellte Wernicke in den geweihten Raum. Das Wort von der »Wende« geht ihm zufolge auf den letzten SED-Chef Egon Krenz zurück, die »Friedliche Revolution« wohl auf den damaligen Regierenden SPD-Bürgermeister Berlins Walter Momper. Oder doch nicht? »Nun wächst zusammen, was zusammengehört«, hatte Willy Brandt (SPD) eben nicht gesagt (dazu war er zu klug); es lässt sich wohl nicht mehr ermitteln, woher diese sprachliche Erfindung stammt.
Der Historiker Wernicke erwähnt die Bedrohung, als die ihm in jenen Tagen die »Kampfgruppen der Arbeiterklasse« erschienen, er nennt die seltsame Schabowski-Pressekonferenz, die zum Mauerfall führte, einen »genialen Zufall«. Es gibt auch andere Ansichten. Eine davon nennt Wernicke selbst, derzufolge es sich um eine SED-Verschwörung gehandelt haben soll, mit dem Ziel, die protestierenden Menschen von der Straßen zu bekommen. Aber das erscheine ihm wenig glaubwürdig. Er erwähnt eine schräge Einschränkung, die damals galt, denn während DDR-Bürger nach dem Mauerfall ungehindert in den Westen fahren konnten, war den Westdeutschen der freie Zugang zur DDR noch einige Tage lang verwehrt.
Für die spätere Entwicklung war weniger das Jahr 1989 als vielmehr das folgende Jahr 1990 ausschlaggebend, zeigt sich der Geschichtswissenschaftler überzeugt. Im Unterschied zu anderen Regionen der DDR habe das Neue Forum in Potsdam noch einige Jahre als Organisation überlebt. Sieger der Volkskammerwahl vom März war damals eine AfD, nämlich Die Allianz für Deutschland (CDU, DSU, Demokratischer Aufbruch).
Wer damals für eine bessere DDR und einen demokratischen Sozialismus auf die Straße gegangen ist, der muss als der zweite große historische Verlierer nach der DDR-Staatspartei SED angesehen werden.
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So weit so bekannt. Aber darf man 35 Jahre nach diesen Ereignissen bei solchen Momentaufnahmen stehen bleiben? Was – um mal eine Erweiterung anzubieten – ist denn aus den hochfliegenden Träumen von 1989 geworden, aus den riesigen Erwartungen, die viele Bürger damals hatten? Warum wurde auch an diesem Adenauer-Abend die Chance vertan und vergeben, diese Dinge einmal einander gegenüberzustellen?
Ist es denn so uninteressant, dass es zu DDR-Zeiten doppelt so viele Krankenhäuser gegeben hat wie heute? Und heute sind noch nicht mal die restlichen als gesichert zu bezeichnen. Der PDS-Vordenker Michael Schumann, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, erzählte gern die Anekdote, wonach er als Professor an der Akademie für Staat und Recht (1990 geschleift) auch Angehöriger der Kampfgruppen war. Neben ihm an der Zwillings-Fliegerabwehrkanone habe der Dozent für politische Ökonomie des Sozialismus Horst Gramlich Platz genommen, der spätere SPD-Oberbürgermeister von Potsdam. Diese Kampfgruppen mögen den Aufbegehrenden damals gruselig erschienen sein. Aber wussten die Akteure, die als DDR-Bürger in einem deutschen Staat lebten, der Frieden hielt, dass sie in einem deutschen Staat aufwachen würden, der Krieg führt?
Wie wir heute wissen: 1989 endete auch für die Potsdamer die Nachkriegszeit und es begann die neue Vorkriegszeit. Zwei Drittel der Ostdeutschen haben 20 Jahre nach der Wende entweder ausschließlich positive oder überwiegend positive Erinnerungen an die DDR-Zeit bewahrt – für lediglich ein Drittel war diese Zeit abstrichlos schlecht oder überwiegend schlecht. Das sind die Ergebnisse einer 1999 durchgeführten Umfrage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Der von Wernicke erwähnte SED-Politiker Kutzmutz konnte wenige Jahre später nur durch eine Allianz aller anderen Parteien gegen die PDS daran gehindert werden, Potsdams Oberbürgermeister zu werden. Auf die Phase der hochfliegenden Träume folgte eine schier endlose Zeit der Enttäuschung, des Missmuts, des Wegzugs und des Niedergangs. Zweifellos ist der Altbaubestand Potsdams in den folgenden Jahren saniert worden und heute nett anzusehen. Was von Wernicke als »industrieller Wohnungsbau« verächtlich abgetan wurde, fand danach tatsächlich nicht mehr statt. Mit der Konsequenz, dass es seit 1990 in Potsdam keinen sozialen Wohnungsbau mehr gegeben hat – abseits von Wohnungen mit befristeter Sozialbindung. Vor der Wende wurden in Potsdam neue Wohnungen für einfache Menschen gebaut, danach ausschließlich Wohnungen für Reiche und Privilegierte. Historiker sollten sich solchen Tatsachen stellen.
Und wer damals für eine bessere DDR und einen demokratischen Sozialismus auf die Straße gegangen ist, der muss als der zweite große historische Verlierer nach der DDR-Staatspartei SED angesehen werden. Denn was immer diese Menschen bekommen haben – ein demokratischer Sozialismus, eine »bessere DDR« war es ganz bestimmt nicht.
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