Berliner Linke ringt um Geschlossenheit

Nach dem Rücktritt prominenter Parteimitglieder gibt es Diskussionen um deren Mandate

Die Linke muss anpacken und über die Zukunft der Berliner Fraktion entscheiden – mit Abtrünnigen oder ohne sie.
Die Linke muss anpacken und über die Zukunft der Berliner Fraktion entscheiden – mit Abtrünnigen oder ohne sie.

Nach den Austritten prominenter Mitglieder des Reformerflügels rumort es in der Berliner Linkspartei. Am Mittwoch waren die ehemaligen Senator*innen Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Sebastian Scheel, der langjährige Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz und der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Sebastian Schlüsselburg, aus der Partei ausgetreten. Dies ist der nächste Tiefpunkt einer Auseinandersetzung um Positionen zum Nahost-Konflikt, zu Antisemitismus und der Haltung der Partei zum Ukraine-Krieg.

Nach dem Austritt geht es zunächst aber um Postenfragen. Die Ausgetretenen hatten erklärt, trotz Parteiaustritt weiterhin in der Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus mitarbeiten zu wollen. Folgerichtig wollen sie ihre Mandate behalten. Die Partei hat allerdings schon unabhängig von dem jetzigen Austritt eine Position zu ausgetretenen Mitgliedern gefunden. Nachdem Alexander King im vergangenen Jahr zum Bündnis Sahra Wagenknecht wechselte, fasste die Berliner Linke im November 2023 einen Beschluss und forderte »alle Mandats- und Amtsträger*innen in Berlin, die ihr Mandat beziehungsweise Amt durch die Kandidatur auf Listen der Partei Die Linke beziehungsweise durch das Vorschlagsrecht von Linksfraktionen erhalten haben, auf, dieses abzugeben, sollten sie aus der Partei Die Linke austreten«. Sollte das passieren, würden andere Parteimitglieder ins Abgeordnetenhaus nachrücken.

Der Beschlusslage entsprechend werde der Landesverband die Ausgetretenen voraussichtlich auffordern, die Mandate abzugeben, sagt Fraktionschef Tobias Schulze zu »nd«. »Wenn sie aber ihre Mandate behalten, werden wir das Gespräch suchen«, so Schulze weiter. Er selbst wolle die Tür offen halten. Letztendlich müsse das aber die Fraktion entscheiden. Gespräche dazu sollen kommende Woche stattfinden. Mehrere Linke-Abgeordnete, mit denen »nd« sprechen konnte, sind skeptisch, ob eine zukünftige Zusammenarbeit innerhalb einer Fraktion funktionieren kann. Einige bewerten die Art und Weise des Austritts als unsolidarisch und parteischädigend.

Aber auch technische Fragen wären zu klären: Rein formell sind Lederer und Co. noch Mitglieder der Fraktion. Sie müssten entweder austreten oder mit einer Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Die Fraktionssatzung der Partei sieht vor, dass »Hospitierende« aufgenommen werden können. Diese können »gleichberechtigt« mitarbeiten, haben aber kein Stimm- oder Wahlrecht in der Fraktion.

Die stellvertretende Landesvorsitzende Katalin Gennburg sagte zu »nd«, dass diese Fragen aktuell in den verantwortlichen Gremien beraten würden. Man entwickle einen Fahrplan und sei mit allen Beteiligten im Gespräch. Diese Frage sei keine reine Fraktionssache – die Partei müsse sich damit befassen. Aber auch Gennburg sagt: »Wir haben eine Beschlusslage. Und die gilt.«

Neben Formalitäten werden auch inhaltliche Fragen weiter diskutiert werden müssen. Denn fatal an dem Austritt ist, dass das Bild einer Linkspartei gezeichnet wird, die sich nicht gegen Antisemitismus einsetze. Aus dem Parteiumfeld ist deswegen Kritik am Austritt zu vernehmen. Stefan Kalmring etwa, Referent für kritische politische Bildung in der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, sagte zu »nd«, die Entscheidung sei falsch. »Sie ist inhaltlich falsch, denn Die Linke als Gesamtpartei ist keine antisemitische Partei, wie sie suggerieren, sie hat vielmehr immer wieder klar gegen Antisemitismus Stellung bezogen.«

Der Landesvorstand der Berliner Linken hatte am Dienstagabend analog zu bereits gefassten Beschlüssen einstimmig eine Resolution verabschiedet. »Wir stehen entschlossen gegen jeden Antisemitismus. Dies ist in der Breite der Partei Konsens. Für uns gehören der Kampf gegen Antisemitismus und der Kampf gegen Rassismus zusammen«, so das Papier. Es brauche solidarische Debatten und die Stärkung der innerparteilichen Demokratie. Diese Debatten seien »die Herzkammern« der Berliner Linken. Es werden aber auch Grenzen gezogen: »Unsere Solidarität endet aber dort, wo das Massaker des 7. Oktober als Akt des Widerstandes gefeiert wird oder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee bejubelt werden.«

Tobias Schulze bemängelt, dass den bisherigen Beschlüssen nicht genug Konsequenzen gefolgt seien. »Wenn wir das nicht hinkriegen, werden weitere Austritte folgen.« Man müsse jetzt ins konkrete Handeln kommen, so der Fraktionsvorsitzende.

Währenddessen ist der Landesvorstand bemüht, die Reihen zu schließen. »Das Ziel ist, alle mitzunehmen«, so Katalin Gennburg zu »nd«. Klar ist aber: Die Linke in Berlin wird weiter streiten. Für die Partei kann man nur hoffen, dass diese Auseinandersetzungen solidarisch bleiben.

»Wir haben eine Beschlusslage. Und die gilt.«

Katalin Gennburg (Linke)
stellvertretende Landesvorsitzende
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