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Schwerkrank schuften in Spanien
Sozialdemokratische Regierung will mehr Arbeit durch flexible Krankschreibung
Nach Ansicht der sozialdemokratischen Sozialministerin Elma Saiz sollen Beschäftigte über »flexible Krankschreibungen« künftig »freiwillig« trotz Krankheit arbeiten können. Das begrüßen Arbeitgeber, die von einer »Anpassung der Vorschriften an die aktuellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Unternehmen« sprechen.
In eine ähnliche Richtung geht ein Vorstoß der Linkskoalition Sumar, die eine »Vereinbarkeit von Einkünften mit dem Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente« ermöglichen will. Aber eine solche Rente erhält man in Spanien nur bei einer dauerhaften Invalidität oder einer Erwerbsunfähigkeit. In vielen Fällen sind diese Menschen sogar auf Hilfe bei einfachsten Handlungen des Lebens, wie Anziehen, Duschen oder Essen angewiesen, können also nicht arbeiten.
Die Vorstöße folgen auf einen Skandal, den die kämpferische baskische Gewerkschaft LAB angeprangert hatte. Zwei schwer erkrankte Frauen im Alter von 56 Jahren sollten von der Sozialversicherung (INSS) zum Arbeiten gezwungen werden. María Ángeles sollte nach INSS-Ansicht mit ihrem Rollator eine Schule in Pamplona, María Elena in einer anderen Schule der Stadt im Rollstuhl sogar Treppen putzen. Und das, obwohl die Gesundheitsbehörde Navarras beiden Frauen eine Berufsunfähigkeit von 56 und 49 Prozent bescheinigt hatte. María Elena hatte aus Verzweiflung einen Selbstmord versucht, »da dich nicht nur die Krankheit fertigmacht, sondern auch die Sozialversicherung«, erklärte sie.
Der Vorgang konnte letztlich durch einen öffentlichen Aufschrei verhindert werden. »Da waren einige nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte«, teilte der LAB-Sprecher Imanol Karrera dazu mit.
Gewerkschaften kritisieren, dass Schwerkranke bereits jetzt von der spanischen Sozialversicherung zum Arbeiten gezwungen werden. Auf die war auch im Fall der beiden Frauen der Vorgang nach einem Jahr ärztlicher Krankschreibungen übergegangen. Die INSS bestimmt dann oft – weitere Fälle sind dem Autor persönlich bekannt – eine Arbeitsfähigkeit. So berichtete Javi, ein Katalane, dem Autor gegenüber, sogar ohne medizinische Begutachtung für arbeitsfähig erklärt worden zu sein, obwohl er weiter in Behandlung war und sein Antrag auf Erwerbsunfähigkeit gestellt war.
LAB-Gewerkschafter Karrera erklärt: »Die INSS hat den Auftrag erhalten, keine permanente Arbeitsunfähigkeit auszusprechen, weshalb sich die Lage der Arbeiterklasse insgesamt Jahr für Jahr verschlimmert.«
Mit Blick auf die Vorstöße aus Madrid spricht LAB von einem »manipulierten Diskurs« über den Krankenstand seitens der Unternehmer. Es sei ein neuer Angriff auf »das Recht der Arbeitnehmer auf Gesundheit, auf Genesung und Heilung in Würde«, dem »rein wirtschaftliche statt medizinische Kriterien zugrunde liegen«. Die Gewerkschaft zeigt sich »sprachlos« angesichts der selbst ernannten »fortschrittlichsten Regierung«, die sich »völlig den Wunschvorstellungen der Bosse unterwirft«.
Die großen spanischen Gewerkschaften haben die Vorschläge mit »Zurückhaltung« aufgenommen. »Schockierend« nannten CCOO und UGT den Vorstoß der Sozialministerin, wollen aber »Details« abwarten.
Dass die unausgegorenen Vorschläge durchgesetzt werden können, halten Sozialverbände für unwahrscheinlich, auch wenn sie sich bisher nicht offen dazu äußern wollen. Zuletzt scheiterte die Koalition aus Sozialdemokraten (PSOE) und Sumar immer öfter mit Gesetzesvorhaben im Parlament. Die Regierung von Pedro Sánchez (PSOE) ist auf die Stimmen aus vielen unterschiedlichen Lagern angewiesen und befindet sich in einer schwierigen Lage.
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