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Zwei Welten
Christoph Ruf blickt auf zwei politische Veranstaltungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten
»Zeit für Optimisten«, heißt der angemessen dämliche Claim der Junge Union. Wie Optimismus aussieht, zeigten die künftigen Söders und Merze am Wochenende. Optimismus ist, wenn vorne jemand leicht verständliche Losungen von sich gibt – und alle anderen jubeln. Halle/Saale wirkte jedenfalls wie Des Moines/Iowa, nur dass vorne nicht Kamala Harris stand, sondern ein austauschbarer, sehr deutsch aussehender junger Mann. Frauen fristen auch beim Unions-Nachwuchs ein Nischendasein, dürfen aber Plakate in die Höhe halten. Denn Plakate-in-die-Höhe-halten sieht amerikanisch aus. Und was amerikanisch ist, ist gut.
Beim Parteitag der Nachwuchs-Karrieristen sah man streckenweise keine Gesichter mehr im Publikum, weil immer dann, wenn die Parteitagsregie Fernsehbilder gewittert hatte, hunderte Pappen und Transparente in die Höhe gehalten wurden, auf denen Hochintelligentes stand: Das Wort »Kanzler« auf schwarz-rot-güldenem Grund beispielsweise, »Nein zur Ampel«, oder einfach »Merz«.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Merz, Vorname Friedrich, ist nicht erst seit gestern das Idol der Jungen Union. Schon zu Zeiten, als naive Menschen davon ausgingen, dass die »Refugees welcome«-Politik von Angela Merkel so etwas wie eine Liberalisierung von CDU und CSU dokumentiere, verkörperte Merz die wahre Union. Wie die über die faktisch offenen Grenzen unter ihrer Kanzlerin dachten, konnte man unschwer hören, wenn man sich mit Leuten an der Basis unterhielt. Aber nach außen waren die Reihen fest geschlossen. Sie waren auch am Wochenende fest geschlossen, als Merz den Nachwachsenden verklickerte, dass die einen ihrer wichtigsten Programmpunkte mal eben vergessen können. Die Jungschen hatten ein späteres Renteneintrittsalter gefordert, Merz will bei der Rente mit 67 bleiben. Schade eigentlich, mag sich mancher Jung-Unionist gedacht haben. Sein »Kanzler«-Plakat hat er trotzdem brav in die Höhe gehalten.
So, liebe Leserinnen und Leser, und jetzt stellen Sie sich bitte einmal einen Parteitag der Linkspartei vor. Keine schwachsinnigen Plakate, kaum mal Applaus auf Knopfdruck, kein Sich-Einschleimen bei Altvorderen. Stattdessen viele Diskussionen, bei denen es tatsächlich auch oft um die Sache geht. Ich finde das grundsätzlich sympathisch. Wer diskutiert, lebt, während Litfaßsäulen aus Fleisch und Blut jede Selbstachtung verloren haben.
Doch der linke Rigorismus, von dem Teile der Linkspartei nicht lassen wollen, ist nur noch selbstzerstörerisch. Da hat es die Partei endlich mal geschafft, in der vielleicht schwierigsten Frage der Gegenwart, dem Nahost-Konflikt, eine angemessen ausgewogene Position zu beziehen und sogar einmal ein positives Medienecho herbeizuführen. Da treten wenige Tage später Lederer, Breitenbach und andere aus.
In einem Konflikt, der jede zweite linke Kneipe zerreißt, der in Teilen auch einer zwischen deutscher und migrantischer Antifa ist, und der ohne Frage auch in zehn Jahren noch nicht ausdiskutiert sein wird, wünschen sich Lederer und Co. ganz deutsch die reine antideutsche Lehre. Eigentlich ist es nicht schade, wenn sie die Partei verlassen. Schade ist, dass allmählich nicht mehr viele übrig bleiben.
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