- Wirtschaft und Umwelt
- Gender-Spar-Gap
Die antifeministische Sparlücke
Ersparnisse sind geschlechterungleich verteilt. Der Trend geht Richtung »feministischer« Wertpapiere. Die ändern aber nichts am Grundproblem
»Alles beginnt in unserem Innersten. So auch der Vermögensaufbau«, schreibt eine selbsternannte »Seelen-Investorin« auf ihrer Website. 15 Jahre lang war sie laut eigenen Angaben an der Börse tätig, jetzt will sie Frauen Vermögens- und Wohlstandsaufbau beibringen. »Feministische« Anlagenberatungen für den Finanzmarkt greifen aktuell als Antwort auf finanzielle Ungleichheiten um sich. Kritik daran kommt aber ausgerechnet aus der feministischen Ökonomie.
Statistisch gesehen sparen Frauen mehr, haben aber weniger Erspartes. Erfasst wird das im sogenannten »Gender-Spar-Gap«, also der Sparlücke zwischen den Geschlechtern. Sie ist eine Konsequenz des Gender-Pay- sowie des Gender-Pension-Gaps. Ersteres beschreibt die Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamt verdienten Frauen 2023 unbereinigt, also inklusive unterschiedlich bezahlter Berufe und verschiedener Karrierelevel oder Qualifikationen, 18 Prozent weniger als Männer. Bereinigt sind es immer noch sechs Prozent. Der Gender-Pension-Gap definiert die Ungleichheit bei Alterseinkünften und lag in Deutschland 2023 bei 27,1 Prozent.
Die Hintergründe dafür sind vielfältig. Frauen arbeiten in schlechter bezahlten Berufen, haben seltener Führungspositionen inne, in anderen Fällen werden sie trotz gleicher Qualifizierung schlechter bezahlt als Männer. Außerdem nehmen Frauen nicht so verbreitet am Erwerbsleben teil und arbeiten häufiger in Teilzeit.
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Zum Sparverhalten gibt es weniger Zahlen, unter anderem, weil dieses für Länder mit staatlichen Rentensystemen schwer zu berechnen ist. Dass es aber auch hier einen »erstaunlichen Gender-Gap« gebe, stellte Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung schon 2022 fest. Damals sparten Frauen 14, Männer dagegen zehn Prozent ihres monatlichen Einkommens. Trotzdem hatten Männer ein mehr als doppelt so hohes mittleres Nettovermögen wie Frauen. Unter den 40 Prozent der Menschen in Deutschland, die gar keine Ersparnisse hatten, waren Frauen besonders häufig vertreten.
Hinter diesem Missverhältnis steht, abgesehen von geringeren Erwerbseinkommen, die wiederum zu geringeren Pensionsansprüchen führt, auch das Steuersystem. So wird beim Ehegattensplitting die Einkommensteuer von verheirateten Paaren gemeinsam verrechnet. Arbeitseinkommen von Zweitverdienenden werden dabei deutlich höher besteuert als jenes von Erstverdienenden. Ersteres sind meist Frauen, zweiteres meist Männer. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings ist in Deutschland aus rechtlichen Gründen nicht möglich, die Diskussion um Alternativen dreht sich seit Jahren im Kreis.
Ein weiterer Grund für die ungleichen Ersparnisse liege Fratzscher zufolge darin, dass Frauen deutlich seltener Geld in Aktien oder Immobilien anlegen. Das bedauert natürlich auch die weltgrößte Investmentgesellschaft Blackrock in ihrer Analyse europäischer Investment-Trends. Das Grundproblem ist aber auch hier dasselbe: Einer Umfrage der Online-Bank n26, auf die sich Backrock bezieht, fand heraus, dass »54 Prozent der Befragten dazu das Geld fehle«.
Eben dieses strukturelle Problem würde sich durch die anfangs beschriebenen weiblichen Investitionen also kaum ändern, sagt die feministische Ökonomin Katharina Mader gegenüber »nd«. Der aktuelle Trend sei nur die »Zuspitzung der Individualisierung« von Wirtschaftsfragen. »Wir blenden aus, dass ein Gender-Pay oder -Pension-Gap strukturelle Probleme sind, die alle Frauen betreffen und auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene gelöst werden müssen. Stattdessen tun wir so, als könnten es Frauen selbst richten.« Von Frauen würde darüber hinaus erwartet, grün und sozial-gerecht zu investieren, durch ihr Finanzverhalten quasi auch noch die Welt zu verbessern. »So funktioniert das aber nicht«, sagt Mader.
Ein anderer Weg, das Thema anzugehen, sei Gender Budgeting. Dabei wird das gesamte öffentliche Budget als Hebel für Gleichstellung wahrgenommen. Nach einer im Jahr 2006 von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie entschied man sich in Deutschland dagegen, das Konzept rechtlich zu verankern. Mit Gender Budgeting bewege man sich aber ohnehin auf einer abstrakten Ebene, so Mader. Konkreter müssten Einkommens- und Vermögensunterschiede von Frauen und Männern abgebaut werden.
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