Volksfront hält dagegen

Der Budgetentwurf der französischen Regierung stößt auf den Widerstand der linken Opposition

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Das linke Parteienbündnis Neue Volksfront trägt den Protest gegen Macrons Regierung Barnier auch auf die Straße.
Das linke Parteienbündnis Neue Volksfront trägt den Protest gegen Macrons Regierung Barnier auch auf die Straße.

Während Frankreichs Parlament den Budgetentwurf der Regierung berät, hat die Kommunistische Partei in der vergangenen Woche ein Alternativprogramm vorgelegt. Dabei erklärte der KP-Nationalsekretär Fabien Roussel: »Der Budgetentwurf, den die Regierung von Premier Michel Barnier dem Parlament unterbreitet hat, ist das drastischste Maßhalteprogramm in der Geschichte unseres Landes.« Seine Umsetzung hätte einschneidende Folgen für die Kaufkraft der Haushalte, für die Funktionstüchtigkeit des öffentlichen Dienstes, aber auch für Umwelt und Klima.

Das Alternativprogramm der KP sieht vor, der Spekulation der Finanzmärkte Grenzen zu setzen und durch Arbeit neue Werte zu schaffen. Der öffentliche Dienst, der allen Franzosen dient, müsse ausgebaut und gefestigt werden, statt ihn mit dem Rotstift zusammenzustreichen.

Eigentlich hätten die Abgeordneten der Nationalversammlung bis Samstag um Mitternacht die Debatte über den Einnahmeteil des Budgetgesetzes für 2025 abschließen müssen, doch dieser Termin war nicht zu halten. Angesichts einer Flut von Änderungsanträgen, von denen trotz Verkürzung der Redezeit nicht mehr als 10 bis 20 pro Stunde behandelt werden konnten, waren in der Nacht zum Sonntag immer noch 1500 Anträge nicht behandelt.

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Daraufhin hat die Regierung dem Vorschlag des Büros der Nationalversammlung zugestimmt, die Debatte ausnahmsweise bis zum 5. November zu verlängern und parallel dazu bereits die Behandlung des Budgetentwurfs für die Sozialversicherung aufzunehmen.

Das deutet darauf hin, dass Premierminister Michel Barnier eine Abstimmung noch für möglich hält und nicht unbedingt vom Ausnahmeparagrafen 49.3 Gebrauch machen will. Mit diesem kann ein Gesetzentwurf ohne Abstimmung in Kraft gesetzt werden, wenn er mit der Vertrauensfrage verbunden wurde und das Votum darüber nicht zum Sturz der Regierung geführt hat.

Vor einem Jahr hat die Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne 23 Mal auf den Paragrafen 49.3 zurückgegriffen, um erst die Rentenreform und dann das Budget für 2024 durchs Parlament zu bringen. Doch da standen auch noch mehr Abgeordnete hinter ihr als heute hinter ihrem Amtsnachfolger Barnier. Dieser muss befürchten, dass die Opposition diesen Hebel nutzt, um die Regierung zu stürzen.

Die linke Volksfront würde das lieber heute als morgen tun, schon um dem marktliberalen Präsidenten Emmanuel Macron heimzuzahlen, dass er sich über den Sieg der Linken bei der jüngsten Parlamentswahl hinweggesetzt und statt der Volksfront-Kandidatin Lucie Castets den rechten Politiker Barnier zum Regierungschef ernannt hat.

Aber um die Regierung stürzen zu können, müsste auch das rechtsextreme Rassemblement National (RN) dafür stimmen. Doch dort sind zwar die Basis und die Parlamentsfraktion mehrheitlich dafür, doch Fraktionschefin Marine Le Pen hält diesen Schritt noch für verfrüht. Lieber will sie diese Drohung weiter über der Regierung schweben lassen und so Einfluss behalten.

In der Debatte im Plenum, wie zuvor schon in der Finanzkommission, gelang es der linken Volksfront wiederholt, Abgeordnete der Zentrumsparteien, der Republikaner und auch des RN bei einzelnen Änderungsanträgen auf ihre Seite zu ziehen.

Doch davon darf man sich nicht täuschen lassen. Bei der endgültigen »feierlichen Abstimmung«, wo es um den gesamten Einnahmeteil des Budgetgesetzes geht, werden diese Fraktionen trotzdem nicht mit der Volksfront votieren. Außerdem steht auch noch die Drohung der Regierung im Raum, bei unüberbrückbaren Differenzen in der Nationalversammlung dort zunächst ganz auf die Abstimmung zu verzichten und den Gesetzentwurf stattdessen ohne Änderungen an den Senat, die zweite Kammer des Parlaments, weiterzuleiten. Dort ist das Kräfteverhältnis günstiger für die Regierung, sodass Premier Barnier wahrscheinlich ohne den Paragrafen 49.3 auskommen kann.

Der Budgetentwurf sieht zahlreiche Ausgabenstreichungen vor, die zu Lasten der Masse der Franzosen gehen, während einige, auf zwei oder drei Jahre begrenzte Sondersteuern für besonders profitable Großunternehmen und für Familien mit mehr als 500 000 Euro Jahreseinkommen sehr verhalten ausfallen.

»Wer hier von einer Umverteilung der Reichtümer spricht, lügt. Dieses Budget droht noch mehr Franzosen in die Armut zu stürzen und beschwört für die Wirtschaft des Landes die Gefahr einer schweren Rezession herauf«, warnte KP-Chef Roussel. Die Verschiebung der inflationsbedingten Rentenanpassung um sechs Monate bringe jeden Rentner um mindestens 200 Euro, die Erhöhung der Energiesteuer koste die Haushalte 100 bis 200 Euro pro Jahr und die Reduzierung der Erstattung von Arztkonsultationen mindestens 30 Euro. Auch die Kürzung der öffentlichen Zuwendungen für Bildung und Kultur, für Kommunen und Regionen sowie für zahlreiche andere öffentliche Bereiche schlage bis in jede Familie durch.

Die KP zeigt auf, wie der öffentlichen Hand jährlich 49 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen könnten, wenn die Vermögen und die Einnahmen der 24 500 reichsten Franzosen stärker besteuert würden. In diesem Zusammenhang erinnerte der KP-Nationalsekretär daran, dass Präsident Macron vom Beginn seiner ersten Amtszeit 2017 an den Großunternehmen jährlich 62 Milliarden Euro Staatshilfe zugeschanzt hat. Viele von ihnen hätten zudem durch trickreiche »Steueroptimierung« jeden Ansatz zu mehr Steuergerechtigkeit im Land durchkreuzt.

Hier setzt das Alternativprogramm der KP an und sieht vor, die Subventionen für Großunternehmen radikal zu kürzen und an strenge soziale Standards und Umweltauflagen zu binden. Dadurch könnten viele Milliarden Euro an öffentlichen Ausgaben eingespart werden.

Doch da 49 Milliarden Euro Mehreinnahmen aus neuen Steuern und durch die Ausgabenkürzungen nicht ausreichen würden, um den Investitionsbedarf im öffentlichen Dienst, auf sozialem Gebiet und beim Umweltschutz zu decken, sieht das KP-Programm auch die Aufnahme neuer Kredite vor. Allerdings nicht auf den Finanzmärkten, sondern bei einem neu zu schaffenden Fonds, den die Postbank und die staatseigene Investitionsbank bilden sollen. Das Gebot der Stunde sei es nicht, so Roussel, den Riemen enger zu schnallen, »sondern massiv zu investieren, nach seriösen sozialen und ökologischen Kriterien und im Interesse der arbeitenden Menschen, des Planeten und unseres Landes.«

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