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S-Bahn mit leichter Besserung

Endlos-Vergabeverfahren ist schwere Hypothek für die Zukunft

Staatsbesuche, aber auch marode Infrastruktur führen bei der S-Bahn zu Zugausfällen
Staatsbesuche, aber auch marode Infrastruktur führen bei der S-Bahn zu Zugausfällen

»Die Betriebsqualität ist weiterhin unbefriedigend«, räumt Peter Buchner, Chef der DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH, gleich zu Beginn ein. Von Januar bis September 2024 waren 6,1 Prozent aller Züge im Berliner S-Bahn-Netz mindestens vier Minuten verspätet. Eine leichte Verbesserung zu 2023, als im Gesamtjahr 6,4 Prozent der Fahrten verspätet waren. »Dass wir besser sind, sehen Sie vor allem zum Jahresbeginn, wo wir viel besser gestartet sind als im letzten Jahr«, sagt Buchner.

Doch wirklich zufrieden ist er mit dem Ergebnis trotz »verstärkter Anstrengungen« nicht. Das »Top-Fokus-Thema« seien allerdings die Zugausfälle. Die S-Bahn ist weit vom Ziel entfernt, dass maximal zwei Prozent der Fahrten ausfallen. Im laufenden Jahr betraf das bis September 4,19 Prozent aller Fahrten, eine hauchdünne Verbesserung gegenüber dem Gesamtjahr 2023, als – Streiks herausgerechnet – der Wert bei 4,25 Prozent lag.

Buchner berichtet das alles beim Fahrgastsprechtag des Berliner Fahrgastverbands IGEB am Mittwochabend in den Räumen der Kantine des DB-Verwaltungsstandortes am Berliner Nordbahnhof.

Besonders in Erinnerung sind die großräumigen präventiven Angebotsreduzierungen anlässlich diverser Staatsbesuche der höchsten Sicherheitsklasse. »Dann müssen wir das Angebot reduzieren, damit wir, wenn gesperrt wird, keine Züge auf der freien Strecke stehen haben und auch keine Riesenlücken im Angebot«, erläutert Buchner. »Denn die Fahrdienstleiter können nur ungefähr die Hälfte der regulären Züge von Hand disponieren.«

Dauerärgernis Infrastrukturschäden

Das Dauerärgernis sind jedoch die vielen kurzfristigen Infrastrukturmängel, die zu Einschränkungen führen. Diese Woche war das zum Beispiel am Schotterbett in Halensee an der Ringbahn der Fall. Und Bauarbeiten für den neuen Regionalbahnhof Köpenick hatten kürzlich die S-Bahn-Gleise verrutschen lassen, Züge der S3 konnten nur noch alle 20 Minuten verkehren. Im Tunnel am Potsdamer Platz sorgten Gleismängel im September auch für spürbare Einschränkungen bei S1, S2, S25 und S26. Dazu kommen noch die immer wieder verübten Brandanschläge auf Kabelkanäle, wie zuletzt im August.

Auch die zahlreichen regulären Baustellen im Netz sind weder für die Fahrgäste noch die S-Bahn eine Freude. Jahr für Jahr fallen momentan rund 1,8 Millionen der 33 Millionen Kilometer Zugfahrten im Fahrgasteinsatz deswegen aus. »Das sind ungefähr fünf Prozent. Das ist schon heftig«, sagt Buchner. Als er 2009 seinen Posten als S-Bahnchef antrat, fielen baubedingt nur etwa 850 000 Kilometer aus, erinnert er sich. Für die S-Bahn bedeutet es mehr Aufwand für weniger bezahlte Kilometer, gerade wenn auch noch Werkstätten vom Netz abgeschnitten sind.

Auch 2025 viele Sperrungen

Viele Bauarbeiten werden auch im kommenden Jahr längere Sperrungen von Abschnitten zur Folge haben. Vom 22. August bis 8. September von Pankow bis Karow an der S2 und Hohen Neuendorf an der S8. Die S8 bleibt sogar bis zum 22. September zwischen Blankenburg und Hohen Neuendorf gesperrt. Grund sind Brückenarbeiten sowie Aufbau und Inbetriebnahme eines neuen elektronischen Stellwerks.


Auch die Brückenarbeiten an der Wollankstraße laufen weiter. Folge sind eingleisige Sperrungen ab Bornholmer Straße im März und August. Ab Ende März werden voraussichtlich für drei Jahre stadtauswärts keine Züge mehr an der Wollankstraße halten.

Wegen Weichenerneuerungen werden im Mai zwei Wochen keine Züge zwischen Pichelsberg und Spandau fahren.

Gleis- und Brückenarbeiten sind der Grund für die Sperrung von S25 und S26 zwischen Lichterfelde Ost und Teltow von Mitte Oktober bis Anfang November. Ab Ende Oktober wird die Strecke bereits ab Südende gesperrt sein.

Auch die Stadtbahn wird wieder unterbrochen, wegen der Erneuerung der Halle und von Gleisen am Ostbahnhof. Zwischen Alexanderplatz und Ostbahnhof in den Osterferien 2025. Im Ostbahnhof werden von Januar bis April und von Juli bis September immer wieder einzelne Gleise gesperrt sein.

Die Ringbahn wird es vor allem im Osten treffen. Von Ende Mai bis Mitte Juni und Mitte August bis Anfang September wird der Abschnitt zwischen Frankfurter und Landsberger Allee gesperrt sein. Grund ist die Erneuerung des Bahnhofs Storkower Straße, der von Mitte Juni bis Mitte August ohne Halt durchfahren wird.

Einen ganzen Monat, vom 8. August bis 8. September, fahren außerdem keine Züge von der Greifswalder Straße bis Gesundbrunnen und Bornholmer Straße. Hier werden Gleise und Weichen getauscht und eine Brücke erneuert.

Die Bauarbeiten für den Regionalbahnhof in Köpenick gehen weiter. Bis Ende März bleibt die Strecke zwischen Köpenick und Wuhlheide eingleisig. Der Bahnhof Hirschgarten wird von Jahresbeginn bis Ende März ohne Halt durchfahren, weil hier eine neue Unterführung und Fahrstühle gebaut werden. Von Ende Juli bis Anfang August gibt es eine Vollsperrung zwischen Wuhlheide und Friedrichshagen. Direkt im Anschluss steht zwischen Köpenick und Friedrichshagen für einen Monat nur ein Gleis zur Verfügung. Ab Mitte April ist außerdem für fast vier Wochen der Abschnitt Rahnsdorf-Erkner wegen Weichenerneuerungen gesperrt.

Der Aufbau des elektronischen Stellwerks in Schöneweide zieht ebenfalls wieder großräumige Sperrungen nach sich. Zwei Wochen in der ersten Maihälfte und zwei Wochen in der zweiten Oktoberhälfte fahren keine S-Bahnen ab Baumschulenweg nach Altglienicke, Grünau und Spindlersfeld. Jeweils eine Woche Mitte Mai und Ende Oktober/Anfang November fahren auch zwischen Neukölln, Treptower Park und Schöneweide keine Bahnen.

Ab 2. Oktober ist die Strecke ab Grünau bis Königs Wusterhausen gesperrt, ab 7. Oktober wird der Abschnitt Grünau-Wildau wieder freigegeben, am 13. Oktober soll die Sperrung enden.

Und dann ist da noch die Wiederinbetriebnahme der Dresdner Bahn. Deswegen fahren ab Ende Juli für eine Woche keine S-Bahnen zwischen Priesterweg und Blankenfelde sowie ab Ende August für einen Monat nicht zwischen Mahlow und Blankenfelde.

Für Gleise, Bahnhöfe, Signale und Stellwerke ist allerdings die Konzern-Infrastrukturtochter DB Infrago zuständig, die S-Bahn muss mit deren Entscheidungen umgehen – bei begrenzter Mitsprache.

Deutlich erfreuter ist Peter Buchner, wenn er auf die eigenen Beschäftigten zu sprechen kommt. Seit Jahren bemüht sich die S-Bahn mit großem Aufwand darum, ausreichend Fahrpersonal zu haben – bisher mit Erfolg. Die Ausbildungskapazität für Triebfahrzeugführer ist noch einmal leicht von 240 auf 250 pro Jahr gesteigert worden, »um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein«, wie Buchner sagt.

Barkeeper zu S-Bahn-Fahrern

»Wir kriegen die Kandidaten nicht mehr wie früher vom Arbeitsamt, sondern das sind Kolleginnen und Kollegen, die aus anderen Berufen zu uns wechseln«, so der S-Bahn-Chef. »Besonders gerne« nehme man Menschen aus der Gastronomie, »die mit Menschen umgehen können und die bisher einen Arbeitgeber hatten, wo sie nie wussten, an welchem Tag, zu welcher Zeit sie arbeiten müssen«.

»Die Betriebsqualität ist weiterhin unbefriedigend.«

Peter Buchner Chef der S-Bahn Berlin

Stolz ist Peter Buchner darauf, dass die S-Bahn in den vergangenen zwei Jahren den Wageneinsatz um 16 Prozent gesteigert hat. S26 und S8 fahren inzwischen mit Sechs- statt Vier-Wagen-Zügen, die Ringbahnlinien S41 und S42 mit Acht- statt früher Sechs-Wagen-Zügen, ebenso alle Fahrten von S1 und S2 mit Ausnahme des Spätverkehrs. Wenn sie fahren, verdichten die Verstärker von S1 und S5 das Angebot in den Abschnitten auf einen Fünf-Minuten-Takt. Die S85 fährt inzwischen bis Frohnau, die S3 in der Hauptverkehrszeit alle zehn Minuten mindestens bis Charlottenburg.

Mit vielen kleinen und größeren Maßnahmen arbeitet die S-Bahn daran, die Verfügbarkeit des Wagenparks zu erhöhen. Bei den bis zu 30 Jahre alten 1000 Wagen der Baureihe 481 müssen zum Beispiel brüchig gewordene Kabel getauscht werden. Bei den 382 maximal vier Jahre alten Wagen der Baureihe 483/484 sorgen Probleme mit den Türen für zu viele Ausfälle. Dass deren Ausfallquote sich kaum von jener der Altfahrzeuge unterscheide, sei zwar »für unsere Werkstätten sehr schmeichelhaft«, aber für Neufahrzeuge nicht zufriedenstellend, so Buchner.

»Kein Fahrzeug muss bei uns wegen fehlender Ersatzteile in der Werkstatt bleiben«, hebt der S-Bahnchef hervor. Durchaus bemerkenswert in einer von großen Lieferengpässen geprägten Zeit. Inzwischen habe man Teile für 70 Millionen Euro auf Lager.

Langzeitprojekt Tempo 100

Ein Thema, um die Pünktlichkeit verbessern zu können, ist die Anhebung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Baureihe 481 auf 100 Kilometer pro Stunde. Seit einem Unfall 2006 hat das Eisenbahn-Bundesamt eine Beschränkung auf maximal Tempo 80 erlassen. Zuletzt war das für das Jahr 2020 in Aussicht gestellt worden. Doch die erforderlichen Nachweise, die die Aufsichtsbehörde haben wollte, waren schwieriger zu erbringen als erwartet.

Nun stellt Peter Buchner das für das Jahr 2028 in Aussicht. Dann müssen planmäßig die 8000 Achsen der Flotte getauscht werden. »Wir werden noch mal den Werkstoff verändern, den wir jetzt für die Achsen haben. Wir sind dabei, die Nachweise zu bringen, dass die neuen Achsen für 100 Kilometer pro Stunde zugelassen werden«, sagt er.

Damit werden sich die Fahrpläne nicht ändern, aber es wird mehr Möglichkeiten geben, Verspätungen durch höheres Tempo wieder aufzuholen. 100 darf beispielsweise gefahren werden auf der Strecke durch den Grunewald und nach Potsdam der S7 oder auf Teilen der Ringbahn. Auf Abschnitten von S1 und S2 ist immerhin Tempo 90 erlaubt.

Bald am Ende der Lebensdauer

Bis Jahresende sollen auch alle noch verbleibenden 130 Wagen der noch unter Regie der BVG zu West-Berliner Zeiten entwickelten ältesten Baureihe 480 mit der aktuellen Signaltechnik ausgerüstet sein. Eigentlich sollen die derzeit bis zu 34 Jahre alten Fahrzeuge bis Ende des Jahrzehnts auf das Abstellgleis rollen. Es sei unklar, ob sie darüber hinaus einsatzfähig zu halten sind.

»Ob man die noch mal revisionieren kann, wird davon abhängen, wie stark die Rostschäden nach den Fahrzeugen sind«, sagt Buchner. Um festzustellen, in welchem Zustand die Wagenkästen sind, müsse man »den Boden öffnen und vorsichtig die Einstiegsbereiche anschauen und dann muss man Risikobewertung machen und daraus ableiten, mit welchem Aufwand man die noch mal revisionieren kann«. Sollte sich abzeichnen, dass die Neubeschaffung von Zügen wegen der Ausschreibung noch länger dauere, »dann werden wir uns dem Thema widmen«, sagt er.

Vergabeverfahren in der Endlosschleife

»Deswegen ist es wichtig, dass auf absehbare Zeit hier eine Entscheidung getroffen wird zu einem Neubaufahrzeug«, sagt Buchner. Damit spricht er das nun seit über vier Jahren laufende Vergabeverfahren für Neufahrzeuge und Betrieb auf zwei Dritteln des S-Bahn-Netzes an. Geplant waren zwei Jahre Verfahrensdauer. Doch jüngst ist der Abgabetermin für die verbindlichen Angebote zum wiederholten Male verschoben worden – nun vom 8. Oktober auf den 11. November.

Dem Vernehmen nach bewerben sich nur noch der französische Bahntechnikkonzern Alstom als Fahrzeuglieferant und ein Konsortium aus Siemens und Stadler Rail zusammen mit der S-Bahn Berlin GmbH um Betrieb und Neufahrzeuge.

Diese Verlegung sei »auf Bitten der Bieter« erfolgt, heißt es von Petra Nelken, Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung. Das scheint eine eher mutige Interpretation des Sachverhalts zu sein. Denn aus gut informierten Kreisen ist zu vernehmen, dass zum ursprünglichen Termin weder alle Bieterfragen komplett beantwortet noch die vom Ausschreibenden zur Verfügung gestellten Angebotsunterlagen fehlerfrei waren.

Verkehrsstaatssekretär Johannes Wieczorek (CDU) berichtete kürzlich im Hauptausschuss, dass der Zuschlag den erfolgreichen Bietern Anfang 2025 erteilt werden soll. Im Teilnetz Stadtbahn soll demnach im September 2030 der Betrieb aufgenommen werden, zwei Monate später auf dem Teilnetz Nord-Süd.

Selbst wenn es irgendwann einen Zuschlag für einen Bieter geben sollte, droht danach ein weiteres langwieriges juristisches Verfahren. Die Vorsitzende Richterin Cornelia Holldorf gab bei der Verhandlung der Klage von Alstom im Februar 2024 deutliche Hinweise, dass es noch Punkte gebe, die nach Erteilung eines Zuschlags in einem neuen Prozess zu verhandeln sein könnten. Kern des Problems bei der Vergabe ist, dass der politische Kompromiss, den Grüne einerseits sowie SPD und Linke andererseits schlossen, um eigentlich unvereinbare Positionen zu einen, in der juristischen Realität des Verfahrens kaum umsetzbar sind.

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