• Politik
  • PKK-Konflikt in der Türkei

Krieg zwischen PKK und Türkei: Als die Waffen ruhten

Neun Waffenstillstände gab es bislang im Konflikt zwischen der kurdischen PKK und der Türkei – ein Rückblick

  • Jakob Helfrich
  • Lesedauer: 4 Min.
PKK-Kämpferinnen im nordirakischen Machmur 2014, zur Zeit des Friedensprozesses zwischen PKK und der Türkei
PKK-Kämpferinnen im nordirakischen Machmur 2014, zur Zeit des Friedensprozesses zwischen PKK und der Türkei

Abdullah Öcalan hat sich zurückgemeldet: Der Gründer der kurdischen Arbeiterpartei PKK sei bereit, den Konflikt von der Ebene des Krieges auf die »rechtliche und politische Ebene« zu verlagern – wenn dafür die Bedingungen geschaffen würden. Es war das erste Mal seit 2020, dass Öcalan sich aus dem Gefängnis an die Öffentlichkeit wenden konnte. Der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK schwelt seit 40 Jahren. In der Vergangenheit hat es immer wieder Phasen gegeben, in denen die Konfliktparteien miteinander verhandelten. Insgesamt neun Waffenstillstände gab es, seit 1984 der bewaffnete Kampf der PKK begann. Zu einer umfangreichen Befriedung kam es aber nie.

Als Öcalan 1993 nach sieben Jahren Kampf in den kurdischen Gebieten auf dem Staatsgebiet der Türkei das erste Mal zum Waffenstillstand aufrief, schien es, als sei der türkische Staat bereit, Kompromisse einzugehen und der kurdischen Minderheit Rechte zuzugestehen. Zwei Jahre zuvor waren Medien in kurdischer Sprache erlaubt worden und erstmals mit 22 Abgeordneten eine kurdische Partei ins Parlament eingezogen.

Der erste Waffenstillstand vor über 30 Jahren

Doch der an Newroz, dem kurdischen Neujahrsfest, in der Beeka-Ebene verkündete Waffenstillstand hielt nur kurz. Keinen Monat später starb der türkische Präsident Turgut Özal unter bis heute ungeklärten Umständen, und ohne sein angekündigtes Reformpaket vorstellen zu können. Der Krieg gegen die kurdische Bewegung und Zivilbevölkerung ging danach doch weiter und wurde sogar intensiviert. Noch im selben Jahrzent wurden Tausende kurdische Dörfer entvölkert und wohl über eine Million Menschen in die Großstädte des ganzen Landes vertrieben. Die Geschwisterlichkeit des türkischen und des kurdischen Volkes, sowie die Demokratisierung der Türkei, wie sie Öcalan als Ziel für einen Friedensprozess 1993 formuliert hatte, rückten in weite Ferne.

Ein nächster Waffenstillstand zu den Wahlen im Dezember 1995 endete im Sommer 1996 nach einem Attentatsversuch auf Öcalan in Damaskus. Erst im August 1998 ruhten die Waffen wieder. Als im Februar 1999 Öcalan nach einer monatelangen Odyssee in Kenia vom türkischen Geheimdienst festgenommen wurde, flammten die Kämpfe wieder auf. Die Festnahme zielte maßgeblich darauf ab, die Organisation zu zerschlagen. Zeitgleich sorgte sie für die wohl schwerste Krise der PKK und zu einem vierjährigen Waffenstillstand ab Herbst 1999, der vor allem auf die interne Schwächung der Organisation zurückzuführen war und weniger auf einen angestrebten Friedensprozess.

Nachdem die Gewalt wieder eskalierte und eine einseitige kurdische Waffenstillstandserklärung 2006 ohne Effekt blieb, kam es erst 2009 bis 2011 wieder zu erklärten Waffenruhen. 2009 hatte die pro-kurdische Partei DTP bei den Lokalwahlen in den kurdisch besiedelten Gebieten gewonnen. Einige Reformen durch die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan wurden dann aber vom Verbot der DTP im Dezember überschattet. Die Gewalt ließ kaum nach, auch ein erklärter Waffenstillstand zwischen August 2010 und Februar 2011 änderte daran nichts.

Seit neun Jahren ununterbrochen Krieg

Erst 20 Jahre nach dem ersten Versuch erklärte Öcalan, erneut anlässlich des Newroz-Festes 2013, der Zeitpunkt sei gekommen, »die Waffen schweigen und die Ideen und Politik sprechen zu lassen«. Er rief die PKK auf, sich aus der Türkei zurückzuziehen. Es folgte ein umfassender Friedensprozess, der Gespräche zwischen Öcalan, türkischer Regierung, der pro-kurdischen Partei HDP und der PKK umfasste. Im Juni 2015 verlor die regierende AKP bei den Parlamentswahlen fast zehn Prozent, während die pro-kurdische HDP mit 13,5 Prozent ins Parlament einzog. Ende Juli fiel der Friedensprozess in sich zusammen, nachdem die türkische Regierung PKK-Stellungen im Nordirak massiv bombardiert hatte.

Seit 2015 erleben die kurdischen Gebiete die längste Phase ohne eine Kriegspause seit Beginn des bewaffneten Konflikts. In den kurdischen Bergen wird unentwegt gekämpft, unbeirrt verfolgt die türkische Führung seit 2018 zudem eine Strategie der kompletten Zerstörung der kurdischen Bewegung. 2023 erklärte die PKK nach den Erdbeben in der Türkei einen einseitigen Waffenstillstand, der aber kaum etwas änderte. Insofern müssen sich für einen neuen Anlauf die aktuellen Ankündigungen der türkischen Regierung im Parlament erst einmal als mehr als nur Lippenbekenntnisse erweisen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!