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Australien: Hinterherhinken beim Klimaschutz
Australiens Regierung treibt das Thema voran, doch ihre Fortschrittsbilanz enttäuscht
»Wir haben ein Jahrzehnt verloren«, sagt Cam Walker mit Nachdruck. Der Kampagnenleiter Klima bei der Umweltorganisation Friends of the Earth (FOE) in Melbourne meint damit die früheren Regierungen der konservativen Parteien in Australien, die derzeit auf den Oppositionsplätzen im Parlament sitzen, aber von einer Rückkehr an die Macht bei den Wahlen nächstes Jahr träumen. Ähnlich wie Donald Trump in seiner Zeit als US-Präsident haben sich die Premierminister aus ihren Reihen beim globalen Klimaschutz mit als die größten Bremser betätigt.
Und das stieß auf Zustimmung: Noch vor wenigen Jahren waren gerade im ländlichen Australien die Leserbriefspalten der Regionalzeitungen häufig von Zuschriften gegen Klimaschutz geprägt. Doch das hat sich geändert: »Wir können von einem echten Bewusstseinswandel sprechen«, konstatiert Walker, der noch maximal ein Zehntel seiner Landsleute als überzeugte Klimawandel-Leugner einstuft. Grund seien viele persönliche Erfahrungen: intensivere Tropenstürme im Norden, wechselweise Überschwemmungen und Dürren in weit größerer Häufigkeit als früher, verheerende Buschbrände.
An sich ist diese späte Einsicht Rückenwind für die Bemühungen der heutigen Regierung unter dem Sozialdemokraten Antony Albanese, Versäumtes beim Klimaschutz nachzuholen. Ernsthaftigkeit spricht Aktivist Walker dem Kabinett nicht ab. Es mangele aber oft an der Umsetzung, sagt er. Daher glaube er nicht an schlagzeilenträchtige neue Ankündigungen Australiens beim in wenigen Tagen beginnenden UN-Klimagipfel COP 29 in Baku. »Wir hinken schlicht schon jetzt in der Erfüllung vieler Punkte aus dem Pariser Klimaabkommen hinterher.« Das zentrale Gesetz in Sachen Energiewende hänge in der Schwebe, von »Beschleunigung«, für die die Labor Party sorgen wollte, sei kaum etwas zu spüren.
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Immerhin hat sich Australien mittlerweile zum Ziel gesetzt, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 43 Prozent gegenüber dem Wert von 2005 zu senken. Klimaneutralität wird bis 2050 angestrebt. Dies ist auch dringend nötig: Der fünfte Kontinent liegt auf Platz 15 der größten CO2-Emittenten und hat einen höheren Pro-Kopf-Ausstoß selbst als die USA, China oder Deutschland.
Immerhin tut sich einiges: Ende 2023 betrug die installierte Kapazität zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen 54,3 Gigawatt (GW), im Jahresschnitt kamen schon 28 Prozent des erzeugten Stroms aus diesem Segment. Das ist zweifellos ein Fortschritt. Doch vor wenigen Tagen wurde publik, dass Australien erstmals seit 1992 in der Länderliste des Solar-Zubaus nicht mehr unter den Top Ten vertreten ist. Andere haben Down Under den Rang abgelaufen. Immerhin: Am 12. Oktober wurde erstmals landesweit mehr als die Hälfte des realen Stromverbrauchs nur durch Solaranlagen auf den Dächern von Privathäusern und Wirtschaftsgebäuden abgedeckt, so das Portal Renew Economy. Im Juni betrug die installierte Solar-Nennleistung 23,65 GW, verteilt auf über 3,8 Millionen Einzelanlagen. Im vergangenen Jahr kamen allein rund 330 000 Anlagen auf Privatdächern hinzu.
»Wir können von einem echten Bewusstseinswandel sprechen.«
Cam Walker Friends of the Earth
Auch Cam Walker will kein komplett düsteres Bild malen: »Es stimmt, dass seit einer Weile Solardächer sehr populär sind. Doch was wir daneben brauchen, sind große Wind- und Solarparks, und da hapert es noch.« Viele Investitionen in Leitungssysteme und Speicheranlagen würden noch in der Warteschleife hängen. Und die Aussicht, dass 2025 erneut die konservative »Coalition« an die Macht zurückkehren könnte, lasse manche Vorhabenträger zusätzlich zögern. Der heutige Oppositionsführer Peter Dutton wird nicht müde zu betonen, dass er zum teilweisen Ersatz der Fossilen eher auf Mini-Atomreaktoren setzt – obwohl Australien in Sachen Atomkraftnutzung gar keine Erfahrungen habe, so Walker.
Das kommt noch hinzu: Australiens massive Exporte von Kohle und Gas insbesondere nach Indien und China machen »in Summe bis zum Dreifachen unseres hiesigen Klima-Fußabdrucks« aus, überschlägt Walker. Die fossile Energielobby sei ausgesprochen einflussreich. Doch es gebe zunehmend Widerstand, unter anderem ist eine Protestaktion Ende November in Newcastle, Australiens größtem Kohlehafen, angekündigt. Im Norden wiederum kämpfen verschiedene Gruppen gegen neue Projekte zur Gasförderung.
International geht es in Australien nicht nur um Verpflichtungen und nachbarschaftliche Verantwortung für etliche benachbarte Mini-Inselstaaten im Südpazifik, die mit dem steigenden Meeresspiegel zu verschwinden drohen. Auch das flächenmäßig größte Natur-Juwel Australiens, das Great Barrier Reef mit seinem Artenreichtum, ist bedroht. Bisher hat es sich immer wieder besser erholt, als viele Experten befürchteten. Dies wird in Zukunft aber so nicht mehr funktionieren, meint Camille Mellin, Forscherin an der University of Adelaide und Ko-Autorin einer im Juni veröffentlichten Studie. Hitzestress nehme weiter zu. »Daher setzen die Korallenbleichen früher ein, halten länger an und treten perspektivisch jedes Jahr auf«, fasst sie die Erkenntnisse der aktuellen Modellierungen zusammen. Atempausen zur Erholung gibt es dann auch für das australische Weltnaturerbe irgendwann nicht mehr.
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