- Wirtschaft und Umwelt
- Finanz- und Geldpolitik der USA
Schwamm und Konjunkturlok
Finanz- und Geldpolitik der USA dominieren nach wie vor die Weltwirtschaft
Einen Tag nach der US-Präsidentenwahl treffen sich die Direktoren der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) mit ihrem Chef Jerome Powell. Dabei werden die geldpolitischen Weichen für die Schlussphase der Amtszeit von Joe Biden gestellt, was auch die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt beeinflussen wird.
Seit den 1990er Jahren wächst die US-Volkswirtschaft schneller als die der anderen großen reichen Länder. Und sie erholt sich schneller von Rückschlägen. Die USA haben nicht allein die Delle infolge der Pandemie ausgeglichen, sondern stehen deutlich besser da als vor Corona. Staatliche Ausgabenprogramme, von denen viele Bürger direkt profitierten, die im internationalen Vergleich niedrige Besteuerung sowie die geringe Sparquote von etwa vier Prozent der Einkommen beleben den Konsum und damit viele Unternehmen. Infrastrukturprogramme beflügelten zudem die Bauwirtschaft, und der billionenschwere »Inflation Reduction Act« löste zahlreiche Projekte aus.
Die vornehmlich nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, die schon unter Donald Trump überwog, gibt es freilich nicht umsonst. Als Biden Anfang 2021 sein Amt antrat, lag das Haushaltsdefizit nach IWF-Berechnungen bei rund 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) – eine Folge der Corona-Programme. Das Defizit blieb im ersten Regierungsjahr bei elf Prozent und pendelte sich seither bei etwa sieben Prozent ein. Das ist sehr viel im internationalen und historischen Vergleich – und mehr als doppelt so viel, wie es die EU-Regeln erlauben.
Seit den 1990er Jahren wächst die US-Volkswirtschaft schneller als die der anderen großen reichen Länder.
Im Rückblick der letzten zehn Jahre haben sich die öffentlichen Schulden der USA in absoluten Zahlen auf umgerechnet über 30 Billionen Euro annähernd verdoppelt. Die Staatsverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung stieg damit auf knapp 120 Prozent des BIP (EU-Ziel: 60 Prozent) – auch die Schuldenquote erreicht damit internationale Rekordwerte. Einen Kurswechsel dürfte es nach der Wahl jedoch nicht geben: Weder Trump noch Vizepräsidentin Kamala Harris haben erkennen lassen, dass sie die Defizit-Politik beenden wollen.
Dies ließe sich als nationale Besonderheit abtun, wären die USA nicht die nach wie vor mit Abstand größte Wirtschaftsmacht und fungieren damit als Konjunkturlok. Da sie auch mehr als ein Drittel aller Staatsschulden weltweit repräsentieren, ziehen sie in Verbindung mit dem starken Dollar wie ein trockener Schwamm Kapital aus anderen Ländern an, verteuern so mittelbar deren Kreditaufnahme und schwächen deren Volkswirtschaften.
Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.
Der IWF registriert seit einigen Jahren, dass die US-amerikanische Finanz- und Geldpolitik sogar immer stärker auf den Rest der Welt überschwappt. Wenn die Anleiherenditen wegen der stark gewachsenen Staatsverschuldung in den USA stiegen, verteuerten sich auch die Kreditkosten in vielen anderen Ländern. Das trifft besonders Schwellen- und Entwicklungsländer sowie am härtesten Länder mit extremer Inflation und entsprechend schwacher Währung wie Argentinien, Sierra Leone oder die Türkei.
Inzwischen scheint in den Vereinigten Staaten die Inflation gebannt zu sein, obwohl diese zu einem Hauptthema im Wahlkampf mutierte. Die Spitze der US-Notenbank dürfte daher während ihrer am Mittwoch beginnenden zweitägigen Sitzung den Leitzins weiter senken. Grundsätzlich wäre dies eine günstige Nachricht für die Wirtschaft in den USA, aber auch für die in großen Teilen der Welt. Auch für die deutsche: Unter Präsident Joe Biden waren beide Volkswirtschaften trotz des protektionistischen Kurses in der US-Handelspolitik eng miteinander verflochten geblieben. Die Vereinigten Staaten sind mit großem Abstand der wichtigste Abnehmer von Exportprodukten »Made in Germany«.
Später als die Europäische Zentralbank mit Zinssenkungen beginnend, hatte die Fed im Sommer gleich mit minus 0,5 Prozentpunkten einen ungewöhnlich großen Zinsschritt getan. Die neuerliche Entscheidung dürfte auch eine Reaktion auf die ungewisse politische Gemengelage in den USA sein. Donald Trump hat bereits angekündigt, dass er nach einem Wahlerfolg Fed-Chef Powell auswechseln wird. Die weitgehend unabhängige Notenbank, die in Wirtschaftskreisen als geldpolitischer Stabilitätsanker der Weltwirtschaft gilt, könnte daher wieder zum politischen Spielball eines eigenwilligen Präsidenten werden.
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