IWF und Weltbank sehen wachsende Gefahr der Überschuldung

IWF und Weltbank beraten über Finanzierungsrisiken armer Staaten

IWF und Weltbank sind gnädig mit den Wirtschaftsexperimenten von Argentiniens rechtsliberalem Präsidenten Javier Milei.
IWF und Weltbank sind gnädig mit den Wirtschaftsexperimenten von Argentiniens rechtsliberalem Präsidenten Javier Milei.

Argentiniens Präsident hat es wieder getan. Wie nach seinem Wahlsieg im November 2024 tanzte Javier Milei ausgelassen, nachdem er die Devisenkontrollen für die Landeswährung Peso gelockert und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der Weltbank die Zusage für ein Hilfspaket über 42 Milliarden Dollar erhalten hatte.

Der ultraliberale Wirtschaftswissenschaftler hat dem hoch verschuldeten Land ein extremes Reformprogramm verordnet. Er entließ tausende Staatsbedienstete, kürzte Renten und beendete die Finanzierung öffentlicher Ausgaben mittels Notenpresse. Mileis libertäres Experiment ließ allerdings die jährliche Inflationsrate auf 55 Prozent sinken, und Argentiniens Staatshaushalt wird nach Jahrzehnten erstmals ausgeglichen sein.

IWF-Präsidentin Kristalina Georgieva lobte im Onlinedienst X »die beeindruckenden Fortschritte in der Stabilisierung der Wirtschaft«. Die Weltbank bezeichnete ihr Hilfspaket als »starkes Vertrauensvotum für die Bemühungen der Regierung, die Wirtschaft zu stabilisieren und zu modernisieren«. Bereits heute ist Argentinien mit 44 Milliarden Dollar der größte Schuldner des Währungsfonds. Doch mit anderen Schwellenländern geht der IWF härter ins Gericht.

Die Überschuldungsrisiken einkommensschwacher Staaten haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Gründe für eine ausgeuferte Kreditaufnahme im Ausland gibt es viele. Bis in die 2020er Jahre gab es dank Niedrigzinsen attraktiv erscheinende Konditionen an den internationalen Finanzmärkten. Eine Rolle spielt auch die oft hohe Anfälligkeit für außenwirtschaftliche Schocks durch Corona-Pandemie, Klimawandel oder heftige Preisschwankungen für wichtige Exportgüter wie Kaffee oder Kakao. In vielen Ländern des globalen Südens werden Einkommen und Vermögen kaum oder gar nicht besteuert. Autokratische Regierungen, schwache öffentliche Institutionen und die grassierende Korruption begünstigen ebenfalls eine hohe Auslandsverschuldung.

106 von 152 untersuchten Staaten weisen eine kritische Verschuldungssituation auf, 24 Staaten sogar eine »sehr kritische«, heißt es bei der Initiative »Erlassjahr.de«. Und die Zahl der Problemstaaten nimmt seit der Corona-Pandemie zu. Zudem zahlten Staaten des globalen Südens 2024 einen so hohen Schuldendienst wie noch nie.

Laut einer Weltbank-Studie wurden im Zeitraum zwischen 1815 und 2020 Staatsschulden in 321 Fällen »restrukturiert«. Da solche Krisen »seriell«, also wiederkehrend sind, zeigten sie die systemische Schwäche des internationalen Finanzsystems, so die Autoren.

Diese Negativserie durchbrechen will die internationale Kampagne »Turn Debt into Hope«, die in Deutschland vom katholischen Hilfswerk Misereor und von Erlassjahr.de koordiniert wird. Sie soll den Druck auf die Politik verstärken, rasche und verbindliche Lösungswege aus der globalen Schuldenkrise zu finden. Probleme bei der Rückzahlung von Auslandsschulden sollten nicht länger in informellen, staatlichen Zirkeln im globalen Norden geregelt werden, sondern im Rahmen der Vereinten Nationen. Dazu sei ein »faires und transparentes Staateninsolvenzverfahren« nötig, sagt Kristina Rehbein von Erlassjahr.de.

Politisch zielt die neue Kampagne auf eine UN-Konferenz Ende Juni in Sevilla. Dort wird über langfristige Finanzierungsstrategien für nachhaltige Entwicklung verhandelt, zum Beispiel durch neue globale Steuern und eine Stärkung der multilateralen Entwicklungsbanken. Zuvor berät der IWF auf der Frühjahrstagung über bessere Hilfen für vulnerable Länder und eine Reform der Schuldentragfähigkeitsanalyse, wodurch Länder des globalen Südens mehr finanziellen Spielraum für nachhaltige Investitionen erhalten sollen. »Reformen beim IWF gepaart mit Schuldenerleichterungen würden diesen Ländern neue Möglichkeiten eröffnen, in Klimaschutz zu investieren und ihre Entwicklung voranzutreiben«, betont Christian Gröber, Referent für Reformen der Internationalen Finanzarchitektur bei Germanwatch.

Solche Initiativen werden umso wichtiger, als sich das Schuldenproblem angesichts verschlechterter Konjunkturprognosen und aufgrund der US-Handelspolitik in diesem Jahr weiter zuzuspitzen droht. So wird das Handelsvolumen je nach Höhe der US-Zölle 2025 zurückgehen. Die negativen Folgen würden vor allem die am wenigsten entwickelten Länder treffen, so die Welthandelsorganisation in ihrem Bericht zur Frühjahrstagung von IWF/Weltbank.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -