Filmuniversität Babelsberg: 35 Jahre DDR, 35 Jahre BRD

Die Potsdamer Filmhochschule wurde vor 70 Jahren gegründet, seit 10 Jahren ist sie eine Universität

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Modernes Gebäude, lange Tradition: Die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf
Modernes Gebäude, lange Tradition: Die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf

Ein Doppeljubiläum feiert auch eine Universität nicht alle Tage. Am Dienstag beging die Potsdamer Filmuniversität ihr 10-jähriges Bestehen. Vor exakt 70 Jahren wurde die Einrichtung als Deutsche Hochschule für Filmkunst im Stadtteil Babelsberg gegründet. Sie trägt den Namen des DDR-Starregisseurs Konrad Wolf seit 1985, nachdem der Regisseur gestorben war. Das Fremdeln mit diesem Ehrennamen hat eine Nachwende-Tradition. Aber es scheint beendet zu sein.

Während der Feierstunde im riesigen neuen Uni-Gebäude, das um die Jahrtausendwende bezogen worden war, ließen Schauspielstudenten die Geschichte des Hauses in einer szenischen Lesung Revue passieren. Demnach war der Streit um den Namen im Jahr 2007 eskaliert und das mit der Begründung, Kunsthochschulen in Deutschland würden solche Namen nicht tragen – was bezogen auf Ostdeutschland eindeutig falsch ist. Armer Konrad. Dann aber die Entscheidung: »Der Name bleibt.« Zu dieser Zeit ruhte Konrad Wolf schon lange auf dem Friedhof der Sozialisten im Berliner Ortsteil Friedrichsfelde – neben dem Grab seines Bruders Markus, der Chef der Auslandsspionage gewesen war.

Sicher – heutige Studentengenerationen müssen wohl erst einmal nachschlagen, um zu erfahren, um wen es sich bei Konrad Wolf eigentlich gehandelt hat. Seine Filme (unter anderen »Ich war 19«, »Der kleine Prinz«, »Solo Sunny«) werden inzwischen der älteren Filmgeschichte zugeordnet.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Präsidentin Susanne Stürmer machte darauf aufmerksam, dass man derzeit gewissermaßen »an der Hälfte steht«. Die 35 DDR-Jahre der Filmhochschule HFF stünden den 35 Jahren gegenüber, die seither vergangen sind. Geblieben sei die Tradition des genauen Hinschauens. Auch wenn es manchem so erscheinen mag, aber: »Die alten Zeiten waren nicht immer besser«. Die heutige Freiheit des Erzählens habe es vor 1990 nicht gegeben.

In den letzten DDR-Jahren wurde die Hochschule von Professor Lothar Bisky geleitet, der nach Kräften mit Restriktionen und Bevormundungen der Studenten Schluss machte. Das wurde deutlich in einem Kurzfilm, der anlässlich des Jubiläums bei der Feier gezeigt wurde. In seinem Grußwort schrieb der Regisseur Andreas Dresen vom »großartigen und tapferen Lothar Bisky«, der sein Studium an dieser Schule zu einer »wunderbaren Zeit« gemacht habe. In der Wendezeit wurde Bisky basisdemokratisch als Rektor bestätigt, er ging dann aber in die PDS-Politik. Bisky wurde 1990 Fraktionschef dieser Partei im Landtag Brandenburg, dann auch Parteichef und zuletzt Chef der Linke-Fraktion im Europaparlament.

Die Film-Uni ist die älteste und auch größte deutsche Einrichtung ihrer Art, und beinahe genauso alt ist die 1961 begonnene Langzeit-Filmdokumentation »Die Kinder von Golzow«. Zur Feier geladen war auch der Regisseur, der die Idee dazu hatte und sie bis 1995 umsetzte. Winfried Junge war selbst Absolvent der Filmhochschule. Diese längste Film-Dokumentation der Filmgeschichte gestattet einen einmaligen, berührenden Einblick in den Alltag der DDR. Seine Protagonisten waren Kinder einer Dorfschule im Oderbruch, deren Lebenswege mehrere Jahrzehnte lang filmisch nachgezeichnet wurden.

Die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf
  • 1954 unterzeichneten der damalige DDR-Ministerpräsident Otto Grotewohl und Kulturminister Johannes R. Becher das Gründungspapier der Filmhochschule im Schloss Babelsberg.
  • Bis 1966 war sie die einzige Hochschule für Filmberufe auf deutschem Boden.
  • 1967 wurde ihre Bestimmung auf die Ausbildung des Fernseh-Nachwuchses erweitert.
  • Den Universitätsstatus erhielt die Einrichtung 2014.
  • Gleichzeitig wurde das Potsdamer Filmmuseum der Universität zugeordnet.
  • Die Uni öffnet sich auch für Nicht-Studierende, etwa bei der »Summer School« und bei einer »Kinderfilm-Uni«.

    Zu DDR-Zeiten war die HFF auf 17 Villen im Stadtgebiet von Potsdam Babelsberg verteilt. Einige dieser Häuser hatten vor dem Krieg UFA-Stars gehört. Das Haupthaus der HFF, der Sitz des Rektors, diente während der Potsdamer Konferenz der Siegermächte 1945 als Unterkunft des sowjetischen Verhandlungsführers Josef Stalin. In der szenischen Lesung wurde die Schauspielerin Angelica Domröse zitiert, die sich in dem später zum Wohnheim umfunktionierten Haus offenbar sehr wohlgefühlt hatte. Mit ihrem Gebäudebestand geriet die Hochschule auch sonst in eine weltpolitische Ausnahmesituation. Einige ihrer Häuser lagen im Grenzgebiet zu Westberlin, das heißt, sie konnten bis 1990 nur mit dem Sonderausweis der Berechtigten betreten werden.

    Die Filmhochschule war die einzige höhere Lehreinrichtung, die im Land Brandenburg die politische Wende überstand, die einzige DDR-Hochschule, die in diesem Bundesland als solche auch übernommen worden war. Und sie war lange Zeit auch die Einzige und ist es bis heute, die keinerlei Nachwuchs- und Bewerberprobleme hatte. Sie war die Erste, in der Studenten mit Westherkunft die Mehrheit bildeten. Ausdruck dafür war das Schicksal der legendären »Bratpfanne«, des hochschuleigenen Studentenklubs in der Babelsberger Bier-Straße. Während vor 1990 ein restriktives Management verhindern musste, dass die Einrichtung regelmäßig überfüllt war, starb der Klub mangels Beteiligung in den frühen 90ern. Die neuen Studenten gehörten einer anderen Generation an, sie sahen keinen Sinn darin, in einem dunklen Klub unter sich zu bleiben, sie wollten in Berliner Szenekneipen gesehen werden. Ausdruck eines kulturellen und mentalen Umbruchs.

    Zu den Traditionen, die aus den DDR-Jahren übernommen worden waren, gehört das alljährlich von der Uni ausgerichtete internationale Filmfestival »SehSüchte«. Seinerzeit waren das die »Studententage«. Heute studieren in Babelsberg im deutschen Vergleich die meisten Regisseure, Kameraleute und Tonmeister – sie werden ausgebildet fürs Kino, Fernsehen und für Streamingplattformen. An der Uni gibt es 22 künstlerische und wissenschaftliche Studiengänge wie Drehbuch, Schauspiel, Regie und Sound bis hin zu Animation. 945 Studierende zählt die Uni aktuell, jeder Fünfte davon stammt aus dem Ausland.

    Das »nd« bleibt gefährdet

    Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

    Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


    → Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
    → Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
    → Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
    → Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
    → Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

    Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.