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Film »Witwe Clicquot«: Ein schwerer Tropfen
In »Die Witwe Clicquot« wird die weibliche Erfolgsgeschichte einer edlen Champagnermarke nacherzählt
Sie müssen kämpfen, um überleben zu können, dann verlassen sie sich mehr auf ihre eigene Kraft. Sie werden mehr von dem, was sie sein sollen.« So spricht Barbe-Nicole Clicquot, die die Champagnerproduktion revolutionierte, über ihre Rebstöcke. In dem von Tilar J. Mazzeos Biografie inspirierten Film wird aber rasch deutlich, dass sie damit auch sich selbst meint.
Die Hintergrundgeschichte des Biopics ist eigentlich aufregend wie ein komplexer Wein: 1805 übernimmt die 27-jährige Barbe-Nicole Ponsardin Clicquot (Haley Bennett) nach dem Tod ihres Mannes dessen Weingut in der Champagne. Trotz enormer Widerstände seitens des Patriarchats gelingt es ihr nach einigen Rückschlägen und trotz der anhaltenden Napoleonischen Kriege, ein angesehenes, internationales Champagnerimperium aufzubauen. Kein schlechtes Thema für einen Unternehmer-Biopic und um einiges spannender als ein Film über einen Turnschuh (»Air«) oder ein Smartphone, das man gar nicht mehr kaufen kann (»Blackberry«).
Schließlich erfand die pfiffige Witwe einige noch heute praktizierte Herstellungsmethoden, unter anderem die Remuage zum Klären des Champagners, sodass Freund*innen des flüssigen Golds ihr zu ewigem Dank verpflichtet sein sollten.
Leider ist jedoch die Umsetzung dieser frühen Girlboss-Story durch den Briten Thomas Napper, der 2019 mit dem Boxerfilm »Jawbone« debütierte, eher ein schwerer Tropfen.
Allein die Besetzung der Hauptrolle mit der US-Amerikanerin Haley Bennett ist verwunderlich, während der Rest der Crew fast ausschließlich aus Engländern besteht. Man stelle sich vor, die Franzosen würden einen Film über den englischen Teekönig Sir Thomas Lipton drehen. Französische Leichtigkeit darf man in diesem düsteren Biopic, den Bennett mit ihrem Ehemann Joe Wright produziert hat, nicht einmal von erotischen Szenen erwarten. Zwar wird das verführerische Dekolletee der attraktiven Hauptdarstellerin immer wieder wirkungsvoll in Szene gesetzt, aber auch da reibt man sich die Augen, schaut man sich alte Gemälde der Witwe an, die vermutlich eher durch ihr Durchsetzungsvermögen und Hartnäckigkeit zu überzeugen wusste. Warum um Dionysos’ Willen muss auch diese bewundernswerte Frau wieder von einer makellosen Schauspielerin verkörpert werden?
Man stelle sich vor, die Franzosen würden einen Film über den englischen Teekönig Sir Thomas Lipton drehen.
Das Biopic beginnt mit einer von vielen Rückblenden, die der Geschichte ihre Dramatik nehmen, nämlich mit der Beerdigung von Barbe-Nicoles Ehemann François (Tom Sturridge). In vielen weiteren Rückblenden, die mit der Erfolgsgeschichte der »Grande Dame de Champagne« verschnitten sind, erfährt man von ihrer Ehe. Anfangs noch heftig verliebt, streifen die beiden bildhübschen Turteltauben durch das Weingut. François singt für seine Reben. Die beiden versichern sich gegenseitig, dass der Wein Barbe-Nicoles Eleganz und Licht widerspiegeln soll, aber auch François’ Kühnheit. Romantik unter Weinanbauern! Abwechselnd zitieren die beiden Voltaire und zeugen auch noch eine Tochter.
Mehr und mehr verfällt der psychisch labile Kerl dem Laudanum, wird gegenüber seiner Frau und ihrer Tochter sogar gewalttätig und bringt sich schließlich im Rausch um. Die kammermusikartige Filmmusik von Bryce Dessner versucht dabei, mehr Dramatik zu erzeugen, als das Drehbuch hergibt. Obwohl der Film nur knackige 90 Minuten dauert, kommt er einem länger vor.
Nach François’ Beerdigung wird sofort über den Verkauf der Weinberge geredet – ein gewisser Claude Möet zeigt großes Interesse. Niemand glaubt daran, dass eine Frau in der Lage wäre, ein solches Unternehmen zu führen, schließlich befindet man sich in der Zeit des Code Napoleon, in der der Mann gesetzlicher Vormund einer Familie war und die Frau kaum Rechte genoss.
Dennoch gelingt es Barbe-Nicole, ihren Schwiegervater Philippe (Ben Miles) zu überreden, das Weingut im Sinne ihres Ehemannes weiterzuführen. Rasch scharrt sie feministisch denkendere Männer um sich, allen voran den Buchhalter Edouard (Anson Boon) und den beherzten Weinhändler Louis Bohne (Sam Riley), der der faszinierenden Witwe dabei hilft, ihren Champagner zu verkaufen, indem die beiden das Handelsembargo Napoleons umgehen. So gelingt es ihnen sogar, den äußerst trinkfreudigen russischen Markt zu erschließen.
Barbe-Nicole beginnt zudem eine Affäre mit Louis, der eigentlich homosexuell ist und offenbar auch eine Liaison mit ihrem Ehemann hatte, was aber nur zaghaft angedeutet wird. Darüber hätte man gern mehr erfahren.
Doch neben dem kleinen Liebesglück hat die Winzerin mit vielen Rückschlägen zu kämpfen: Die erste Lieferung verdirbt, Champagnerflaschen explodieren, zwischenzeitlich kann sie ihre Arbeiter*innen nicht mehr bezahlen, da ihr das Geld ausgegangen ist. Dennoch schafft sie es im Jahre 1811 einen Jahrhundertjahrgang zu erzeugen, der noch heute legendär ist und seinen Namen einem Kometen, der in dieser Zeit über die Champagne flog, zu verdanken hat. Doch auch diese beflügelnde Tatsache versickert in diesem zähflüssigen Film. Man wünscht sich, eine französische Regisseur*in würde sich dieser prickelnden Geschichte noch einmal annehmen.
»Die Witwe Clicquot«, USA 2023. Regie: Thomas Napper. Mit: Haley Bennett, Ben Miles, Leo Suter. 90 Min. Start: 7. November.
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