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Zahl der Abschiebung von NRW-Flughäfen steigt um 45 Prozent
Abschiebebeobachter*innen befürchten mehr Abschiebungen von besonders vulnerablen Personengruppen
Die Abschiebebeobachtung am Flughafen Düsseldorf überwacht unabhängig Abschiebungen. Beobachter*innen sind frühmorgens vor Ort, dokumentieren den gesamten Prozess und interagieren mit allen Beteiligten. Sie achten auf Details wie Fesselungen, Durchsuchungen und den Umgang mit Abzuschiebenden. Ihre Aufgaben umfassen die Beobachtung von Einzel- und Sammelabschiebungen, Dokumentation des Vorgangs und Vermittlung zwischen Akteuren. Ziel ist die Sicherstellung humanitärer Standards und Verhältnismäßigkeit. Die Beobachtung ist auf den Flughafen beschränkt, ohne Akteneinsicht. Über strittige und kritikwürdige Fälle tauscht sich die Abschiebebeobachtung sowohl mit der Bundespolizei und dem zuständigen Ministerium als auch mit Geflüchteten- und Menschenrechtsorganisationen aus. Im Jahr 2023 sprach man stichprobenartig über 74 Einzel- und Familienfälle. Jetzt haben die Beobachter*innen ihren Jahresbericht veröffentlicht.
Die Abschiebezahlen sind gestiegen. Wurden von nordrhein-westfälischen Flughäfen 2022 noch 1700 Personen abgeschoben, waren es im vergangenen Jahr 2470. Rund 60 Prozent von ihnen wurden mit Sammelabschiebungen aus dem Land gebracht, der Rest mit Linienflügen. Die fünf häufigsten Zielländer waren: Georgien, Nordmazedonien, Albanien und Moldau sowie Österreich, wohin Personen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung häufig überstellt werden. »Der Anstieg kann damit erklärt werden, dass die Bundesregierung im Berichtsjahr verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, um die Ausreisepflicht konsequenter durchzusetzen«, sagt Judith Fisch, Abschiebebeobachterin bei der Diakonie.
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»Wir haben die Sorge, dass die geplanten und teilweise schon umgesetzten Verschärfungen bei Abschiebungen besonders vulnerable Personengruppen treffen«, erklärt der Abschiebebeobachter Mert Sayim. So befürchten die Beobachter*innen, dass das Kindeswohl bei Abschiebungen aus dem Blick gerate. Ausländerbehörden können in NRW entscheiden, Familienmitglieder getrennt voneinander abzuschieben. Ob und wann sich getrennte Familienmitglieder dann wiedersehen, sei völlig unklar. »Leider gibt es in NRW bisher keine grundsätzlichen Regelungen dazu, ob und wenn ja in welchen Sonderfällen Familien überhaupt getrennt werden dürfen«, sagt Judith Fisch. Niedersachsen etwa habe seit 2021 solche Regelungen und diese seien sehr sinnvoll. »Wird eine Familie getrennt, ist das für die Kinder immer eine große Belastung«, so die Psychologin Fisch.
Ein anderer Mangel, den die Beobachter*innen kritisieren: Es fehlt an Standards für die medizinische Begleitung. Insbesondere von Schwangeren. Abzuschiebende müssen reisefähig sein. Für die Ausstellung von »Fit-to-Fly«-Dokumenten müssen die Abzuschiebenden ärztlich untersucht werden. »Wir können oft nicht erkennen, wie die Ausstellung des Fit-to-Fly am Flughafen zustande kommt«, kritisiert Abschiebebeobachterin Judith Fisch. Im Jahr 2023 sei es vorgekommen, dass Ärzt*innen Symptome wie Ohnmacht, Schwächeanfälle oder Ähnliches als passiven Widerstand werteten, ohne dass die Person zuvor untersucht wurde.
Besondere Vorsicht sei bei Schwangeren geboten. Die Abschiebebeobachterin Judith Fisch sagt: »Eine Abschiebung ist ein Faktor, der die Mutter unter erheblichen Stress setzt.« Schwangerschaft sollte viel stärker als bisher einbezogen werden, wenn Ärzt*innen bewerten, ob jemand fliegen kann oder nicht. »Italien schiebt deshalb Schwangere grundsätzlich nicht ab«, so Fisch. Eine Forderung der Abschiebebeobachter*innen ist die bessere Schulung der Mitarbeiter*innen von Ausländerbehörden zu den Risiken von Schwangerschaften. Bis dahin raten sie, damit »keine fahrlässigen Entscheidungen« getroffen werden, die Abschiebung von Schwangeren auszusetzen.
Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RWL (Rheinland, Westfalen, Lippe), findet die Abschiebebeobachtung wichtig. Abschiebungen seien derzeit im politischen und medialen Fokus. Deswegen sei es wichtig, den Grundsatz »Keine Abschiebung um jeden Preis« zu betonen. »Dieser Grundsatz bildet die Grundlage für alle Entscheidungen und Maßnahmen während einer Abschiebung in NRW. Davon sollten wir als Gesellschaft nicht abrücken«, so Heine-Göttelmann. CDU und Grüne hätten 2022 in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, die Abschiebebeobachtung zu stärken, das sei »gerade vor dem Hintergrund der aktuell oft überzogenen und teils fernab der rechtlichen Grundsätze geführten Debatten, mehr als geboten«, so der Diakonie-Vorstand. Heine-Göttelmann verweist außerdem darauf, dass es in Deutschland ein flächendeckendes Monitoring im Abschiebungsvollzug fehle. Damit verstoße die Bundesrepublik gegen die Rückführungsrichtlinie der EU. Es brauche eine gesetzliche Grundlage für das Monitoring und eine Ausweitung des Beobachtungsortes über die Flughäfen hinaus.
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