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Die AfD ist in Nordrhein-Westfalen eine Skandaltruppe
Interner Streit beherrscht die Partei – Konsequenzen für Bundestagswahl?
Es sagt viel über den Zustand der AfD in Nordrhein-Westfalen aus, wie die Dortmunder Direktkandidatur von Matthias Helferich kommuniziert wird. Als Erstes meldet sie ein Telegram-Kanal, den es nur wegen des parteiinternen Streits gibt. »Parteibasis zeigt Vincentz die rote Karte« heißt es in der Überschrift. Martin Vincentz, das ist der Landesvorsitzende der AfD NRW und ein Kontrahent von Matthias Helferich, der nicht nur Wahlkreiskandidat in Dortmund wird, sondern, geht es nach seinem Kreisverband, auch als Delegierter zur Wahlversammlung für die Bundestagskandidaten der AfD fahren soll.
Matthias Helferich sitzt zwar für die AfD im Bundestag, wurde aber nie in deren Bundestagsfraktion aufgenommen. Der Grund dafür: Helferichs Eigenbeschreibung als »freundliches Gesicht des NS« und »demokratischer Freisler«. In Nordrhein-Westfalen läuft sogar ein Ausschlussverfahren gegen ihn. Unbeliebt in der Partei ist Helferich aber nicht. Bundesweit besucht er Kreisverbände, die »Junge Alternative« unterstützt ihn und er sie. Außerdem ist er gut in der Neuen Rechten vernetzt. Kürzlich durfte er in einem Podcast von Götz Kubitschek und Ellen Kositza seinen Unmut über den Landesvorstand kundtun.
Vorgeblich hat dieser inhaltliche Probleme mit Helferich: Die NS-Anspielungen, ein Video, in dem Helferich Migrant*innen als »Viecher« bezeichnet hat – das passt dem Landesvorsitzenden nicht. Vincentz ist Ende 30, Mediziner und smart in seinem Auftreten. Er wirkt eher wie ein Nachwuchstalent von CDU oder FDP. Die NRW-AfD versucht er auf einem »gemäßigten« Kurs zu halten. Gegen manche parteiinterne Gegner hält er diesen Kurs auch durch. Gegen andere nicht. Im Landesvorstand sitzt mit Uwe Dettert ein Politiker, der nach Recherchen der »Welt« Reichsbürgerthesen und antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet. Ihren Neujahrsempfang mit Alice Weidel in Duisburg ließ sich die AfD NRW von einem Oberhausener Arzt mit Rechtsrock-Vergangenheit sponsern, der als Unterstützer von Vincentz gilt.
Die größte Gefahr für den Landesvorsitzenden und den ganzen Landesverband dürfte aber von einem anderen ausgehen: Klaus Esser, Landtagsabgeordneter aus Düren, ist schon länger in den Schlagzeilen. Ein Lebenslauf mit gefälschten Angaben zu einem Hochschul-Abschluss sorgte im August für Schlagzeilen. Nun veröffentlichte die »Zeit« am Samstag mehr Details zum »System Esser«.
Die größte Gefahr für die AfD NRW geht derzeit von ihren eigenen Abgeordneten aus.
Esser, einem der Vertrauten von Martin Vincentz, unterstellt die Zeitung ein Gebaren, das eher an die Organisierte Kriminalität als an Politik erinnere. Wie die »Zeit« berichtet, hätten parteiinterne Kritiker Essers bedrohliche Besuche von Rockern bekommen hätten. Auch von dubiosen Geldgeschäfte ist die Rede. Tricksereien bei Neuaufnahmen in Essers Kreisverband Düren wirken dabei nur wie das sprichwörtliche i-Tüpfelchen. Der Landtagsabgeordnete soll Mitglieder aus dem Umland in seinem Kreisverband aufgenommen haben, um dessen Einfluss zu vergrößern und seine eigene Machtbasis auszubauen. Für dieses Manöver wurden sogar extra falsche Adressen besorgt.
Bei der Staatsanwaltschaft Aachen liegen derzeit wegen unterschiedlicher Vorwürfe Anzeigen gegen Esser vor. Die Behörde will sich dazu nicht weiter äußern. Die AfD hat ein Ausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet. Dass es zum Ausschluss kommt, gilt als unwahrscheinlich. In einer Sitzung der Landtagsfraktion hat Esser laut »Zeit« mit seinem »gut gefüllten Giftschrank« gedroht. Damit könne er »die Hälfte der Anwesenden mit in den Abgrund« reißen.
Gut gefüllte »Giftschränke« haben die verschiedenen Kontrahenten im internen Machtkampf der nordrhein-westfälischen AfD. Inhalte dürften dabei weniger eine Rolle spielen als Einfluss, Jobs und Posten, die mit jedem Wahlerfolg zusammenhängen. Mit Wahlerfolgen könnte es in Nordrhein-Westfalen schwierig werden. Die Tricksereien in Düren haben Einfluss auf die Delegiertenverteilung, unter anderem für die Wahlversammlung der Bundestagsliste. Die Landeswahlleitung in NRW hat von der AfD eine Stellungnahme bis zum kommenden Freitag verlangt.
Die AfD selbst erklärte, die Probleme aus der Welt geschafft zu haben. Die falsch aufgenommenen Mitglieder habe man gekündigt. Wenn das der Wahlleitung reicht, ist für die AfD alles in Ordnung. Im für sie ungünstigsten, aber nicht gerade wahrscheinlichen Fall könnte die AfD in NRW nicht zur Bundestagswahl zugelassen werden. Das würde sie mehrere Prozentpunkte kosten. Der Bundesvorstand der AfD schaut seit Längerem mit besorgtem Blick in den Westen.
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