- Politik
- Verteilung
Wann kommt eine Klimaprämie?
Das Ampel-Aus sorgt für weitere Verzögerung. Experten fordern Härtefallregelungen
Wer Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Leute zurückgeben will, kann dies Klimageld, Klimaprämie oder Klimabonus nennen. Zu letzterem Begriff griffen jetzt die Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag. Sie fordern in einer vor wenigen Tagen vorgestellten »Neuen Energie-Agenda« einen Klimabonus zum Ausgleich steigender CO2-Preise. Mit den Einnahmen sollen die Netzentgelte und die Stromsteuer für Bürger und Unternehmen gesenkt werden.
Das ist etwas anderes als das einst von der Ampel-Koalition versprochene Klimageld. Der Staat würde dabei dem einzelnen Bürger oder der Bürgerin alles zurückzahlen, was der jeweilige CO2-Aufschlag auf Heizöl, Gas und Kraftstoffe kostet.
Das Konzept der Union dürfte indes dem noch amtierenden Wirtschaftsminister Robert Habeck gefallen. Über ein Klimageld hat der Grüne schon länger kein Wort mehr verloren. Weil die EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien jetzt vom Staat bezahlt wird, sagte er vor einigen Monaten dem »Handelsblatt«: »Das ist faktisch ein Klimageld über den Strompreis.«
Dass die Übernahme der EEG-Umlage durch den Staat den Bürgern zugutekommt, erkennt auch Stefan Bach an. Der Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hält eine Pro-Kopf-Rückzahlung über ein Klimageld oder eine gleichbedeutende Klimaprämie aber weiter für sinnvoll. Ein Grund dafür sind die unterschiedlichen Verteilungswirkungen: Ein sinkender Strompreis durch geringere Netzentgelte, weniger Stromsteuer oder Wegfall der EEG-Umlage entlaste vor allem ältere Leute sowie Eigenheimbesitzer, die elektrisch heizen oder E‑Mobile laden, erklärt der DIW-Experte auf Nachfrage. Eine Pro-Kopf-Klimaprämie komme dagegen eher Familien und Geringverdienenden zugute.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Im Auftrag des Umweltbundesamts hat Bach zusammen mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft untersucht, wie eine Klimaprämie auf die Verteilung wirkt. Demnach würde jeder Einwohner und jede Einwohnerin ab 2026 mit einer Klimaprämie von etwa 124 Euro jährlich rechnen können. Nach Verrechnung mit sozialen Leistungen wie Wohngeld oder Bürgergeld würden Haushalte im untersten Einkommensbereich im Schnitt um knapp 0,6 Prozent ihres Nettoeinkommens entlastet. Bei mittleren Einkommen glichen sich Be- und Entlastung aus. Die oberen 30 Prozent der Haushalte würden knapp 0,2 Prozent ihres Nettoeinkommens verlieren.
Bei genauerer Betrachtung finden sich in den beiden unteren Einkommensgruppen aber auch klare Verlierer: Trotz Klimaprämie würde dort jeder sechste Haushalt mehr als ein halbes Prozent seines Nettoeinkommens einbüßen, jeder zwölfte sogar mehr als ein Prozent. Dies deutet auf Härtefälle hin, die über die pauschale Klimaprämie hinaus nach Ansicht der Fachleute weitere Hilfen benötigen. Insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen und hohem Energiebedarf haben laut Studie weniger Möglichkeiten, die Energieeffizienz zu erhöhen, weil sie häufiger in Mietwohnungen leben oder klimafreundlichere Wohnungen und Fahrzeuge schlechter finanzieren können.
Das Problem mit den Härtefällen droht sich noch enorm zu verschärfen, wenn 2027 in der EU ein zweiter Emissionshandel für Gebäude, Verkehr und kleine Industrie startet. Um den absehbaren Preissprung abzufedern, reicht für Stefan Bach eine Klimaprämie nach dem »Gießkannenprinzip« nicht mehr aus. Nötig seien zusätzliche Förderprogramme gezielt für sogenannte vulnerable Haushalte.
Woher könnte das Geld dafür kommen? Die Studie plädiert für eine stärkere Umverteilung: Die 30 Prozent der Bevölkerung mit unteren Einkommen sollen ihre Klimaprämie unverändert erhalten. Bei den oberen 30 Prozent würde die Prämie dagegen vollständig »abgeschöpft«. Im mittleren Einkommensbereich würde die Klimaprämie linear abgeschmolzen: je mehr Einkommen, desto geringer die Rückzahlung. Für Bach könnte dies auch dazu beitragen, die Akzeptanz spürbarer CO2-Kosten zu stärken und den gesellschaftlichen Rückhalt für eine ehrgeizigere Klimaschutzpolitik zu sichern.
Gleiches Klimageld für alle – über dieses Konzept scheint die Zeit hinausgegangen zu sein. Auch Agora Energiewende und ihre Schwester-Thinktanks schlagen in einer neuen Studie vor, bei steigenden CO2-Kosten sozial benachteiligten Haushalten zusätzliche finanzielle Ausgleiche zu gewähren.
Das brisante Thema ist allerdings aufgrund der politischen Entwicklungen in Berlin ziemliche Zukunftsmusik. »Bisher sind im Klima- und Transformationsfonds keine Spielräume für eine Klimaprämie vorgesehen«, stellt Stefan Bach lakonisch fest. Wann es überhaupt einen Haushalt für 2025 geben wird, ist nach dem Auseinanderbrechen der Koalition ohnehin offen. Der DIW-Experte rechnet erst für 2027 mit der Einführung eines Klimageldes – in welcher Form auch immer.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.