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»Crowdfunding« für deutsche Kriegsroboter
Immer mehr Firmen wollen Kamikazedrohnen in die Ukraine exportieren
Ende Oktober wurde der Fliegerhorst Manching zum Schauplatz des »Drone Demonstration Day«, organisiert im Rahmen der deutsch-lettischen Drohnen-Initiative. Ziel ist es, die Produktion unbemannter Luftfahrzeuge beider Länder zur Unterstützung der Ukraine zu stärken. Auf dem Industrietag präsentierten sich 20 deutsche und sieben lettische Unternehmen, darunter Hersteller wie Quantum Systems, German Drones und Opto Precision, das einen sogenannten Nurflügler mit Propellerantrieb herstellt. Die Firma Avilus stellte in Manching ihr Lufttaxi »Grille« vor, das zur Bergung verwundeter Soldat*innen eingesetzt werden soll. Arx aus München war mit einem Landroboter vertreten, von dem Drohnen gestartet werden können.
Während die meisten Systeme der Aufklärung dienen, zeigten Rheinmetall, Helsing oder der Newcomer Stark Defense auch bewaffnete Drohnenmodelle, sogenannte herumlungernde Munition. Die Firmen montieren dazu Sprengladungen an Quadrokopter oder Lenkflugkörper. Weil sie ein Ziel selbstständig verfolgen oder auf einen günstigen Zeitpunkt für den Angriff warten, gelten sie als »herumlungernde Munition«. Beide Typen können von Soldat*innen mithilfe von Pilotenbrillen für einen First-Person-View (FPV) gesteuert werden.
Verteidigungsministerium gegen neue »Drohnendebatte«
Beim Auftreffen der Fluggeräte werden diese komplett zerstört, deshalb werden sie auch als Kamikazedrohnen bezeichnet. Die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium vermeiden den Begriff allerdings, unter anderem weil die unbemannten Systeme neuerdings vom Parlament als ferngesteuerte Munition und nicht als Drohnen eingestuft werden. Damit will sich die Bundesregierung offenbar eine neue »Drohnen-Debatte« zur Einführung dieser neuen Waffen ersparen.
Die Finanzierung der Drohnen-Initiative basiert auf einem Fonds mit 58 Millionen Euro, darunter 10 Millionen aus Deutschland, berichtet das Reservistenmagazin »Loyal«. General Christian Freuding, Leiter des Sonderstabs Ukraine, warb in Manching mit dem Begriff »Crowdfunding« darum, außerdem nicht ausgegebene Reste aus dem Haushalt zum Kauf von Drohnen für die Ukraine freizumachen. Diese sollten für die Beschaffung schnell lieferbarer Systeme wie der Vector-Drohne von Quantum Systems genutzt werden.
Quantum Systems hatte sich einst auf zivile Anwendungen wie die Landwirtschaft konzentriert, doch Russlands Krieg gegen die Ukraine führte zu einem Strategiewechsel. Mindestens 400 Vector-Drohnen mit einem Stückpreis von rund 200 000 Euro hat die Firma laut Firmengründer Florian Seibel in die Ukraine exportiert; für über 800 weitere Exemplare – bislang in etwa eine gesamte Jahresproduktion – soll nun auch in der Ukraine produziert werden.
Konkurrenz um Großaufträge
Seibel argumentiert, dass eine moderne Kriegsführung auch bewaffnete Systeme erfordere. Anders als die Quantum-Belegschaft will Seibel deshalb im Geschäft mit kleinen Kampfdrohnen mitmischen und gründete dazu dieses Jahr die Firma Stark Defense. Auch der deutsch-amerikanische Investor Peter Thiel soll dafür Kapital gegeben haben.
Die Drohnen von Quantum Systems nutzen Künstliche Intelligenz, um Störungen durch elektronische Kriegsführung russischer Einheiten zu überwinden, und navigieren ohne GPS mittels vorinstallierter Karten. Ob diese Technik auch bei Stark-Drohnen integriert wird, bleibt offen: Seibel reagierte auf nd-Anfragen nicht.
Die Neugründung von Stark sorgt für Spannungen in der Branche. Auf LinkedIn kritisierte Seibel offen Konkurrenten wie Helsing, deren Leistungsangaben er als übertrieben darstellte. Beide Firmen konkurrieren um Großaufträge der Bundeswehr, darunter die Nachfolge der kleinen Aufklärungsdrohne Aladin, mit einer Ausschreibung von über 700 Einheiten – ungewöhnlich viele für die Bundeswehr, die derzeit über einen Gesamtbestand von rund 600 Drohnen verfügt. Der Aladin-Nachfolger könnte sogar eine Standard-Drohne der Nato werden, erklärte Seibel jüngst in einem Fachmagazin zur Größenordnung des Auftrags.
Kampf der »Kriegsroboter«
Die von Stark entwickelte Kamikazedrohne nennt sich Skyfall, erklärte das Verteidigungsministerium anlässlich des Industrietages in Manching. Laut ukrainischen Webseiten beträgt ihre Reichweite bis zu 60 Kilometer. Nach Abbruch einer Mission kann das Gerät zur Basis zurückkehren und vertikal landen.
Angeblich soll es bei den Drohnen von Stark gemäß dem Konzept »Human in the Loop« immer einen Menschen geben, der über einen Angriff entscheidet. »Man kann die Bediener komplett aus dem Spiel nehmen«, erklärte Seibel aber gegenüber dem Nachrichtenportal »Politico«. Die tödlichen Waffen würden demnach »ohne einen Human in the Loop« operieren. Mit diesen vollautonomen Systemen würde Neuland betreten. »Wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder in Zukunft gegen chinesische Kriegsroboter kämpfen, müssen wir selbst mit der Entwicklung von Robotern beginnen«, begründet Seibel diesen Schritt.
In Niedersachsen beginnen Flugtests
Zur Entwicklung neuer Systeme profitiere seine Firma »von jeder Flugstunde unserer Vector-Flotte in der Ukraine«, sagt der Quantum- und Stark-Gründer Seibel. Auch die Bundeswehr nutzt den Ukraine-Krieg als Testlabor. Aus deutscher Sicht erscheint dies sinnvoll, da größere Beschaffungsvorgänge beim Militär hierzulande oft Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Mit der Einrichtung eines »Drone Innovation Hub« soll dies künftig beschleunigt werden. Dazu werden Vorschläge der kürzlich abgeschlossenen »Task Force Drohne«, die sich auf Klein- und Kleinstsysteme konzentrierte, umgesetzt.
Währenddessen bereitet sich die Bundeswehr auf erste Tests bewaffneter Drohnen auf dem Schießplatz in Meppen vor; diese sollen ab Anfang 2025 beginnen, sagte ein Sprecher zu »nd«. Geflogen werden Systeme wie die Libelle von Diehl, die von Rheinmetall vermarktete Hero-120 aus Israel und die Hawk von Highcat, einem bislang in der Kampfdrohnen-Branche unbekannten Unternehmen aus Konstanz.
Parallel dazu äußerte der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew in Manching klaren Bedarf an »weitreichenden Drohnensystemen«, um Angriffe tief im russischen Hinterland durchzuführen. Ob die Bemühungen der Bundeswehr und der deutschen Drohnenindustrie diesen Anforderungen gerecht werden, bleibt abzuwarten.
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