G20: Investitionen brechen ein

Geldanlagen beeinflussen die Entwicklung des Wohlstands. Im zweiten Quartal dieses Jahres nahmen sie weltweit stark ab

Auf einer Fußgängerbrücke, die zur Favela Rocinha führt, steht auf Portugiesisch: »Rio, Hauptstadt der G20«. Hinter den dortigen Verhandlungen zu globalem Wohlstand steht die Entwicklung der Investitionen. Sie ist rückläufig.
Auf einer Fußgängerbrücke, die zur Favela Rocinha führt, steht auf Portugiesisch: »Rio, Hauptstadt der G20«. Hinter den dortigen Verhandlungen zu globalem Wohlstand steht die Entwicklung der Investitionen. Sie ist rückläufig.

Wachstum schütze vor den Folgen des Klimawandels – davon zeigt sich zumindest die Weltbank in ihrem neuen Bericht »Menschen in einem sich wandelnden Klima« überzeugt. Den Bericht veröffentlichte die Organisation pünktlich zum am Montag beginnenden G20-Gipfel in Rio de Janeiro. Dort werden sich führende Wirtschaftsmächte zu Strategien gegen Hunger und Armut, aber auch die Energiewende beraten.

Vor allem die Länder Asiens, die aufgrund ihrer geografischen Lage besonders anfällig für Fluten und Dürren sind, haben in den vergangenen Jahrzehnten eine rasante wirtschaftliche Entwicklung hingelegt und seien daher heute krisenfester. Dies demonstriere den globalen Fortschritt und zeige den Nutzen des Wachstums für die Menschen. Soweit die Weltbank.

Zukünftiges wirtschaftliches Wachstum hängt jedoch maßgeblich von heutigen Investitionen ab. Und um diese ist es nicht zum Besten bestellt. Zwar stiegen die weltweiten Investitionsströme in der ersten Hälfte des Jahres 2024 wieder auf 802 Milliarden US-Dollar an, umgerechnet rund 760 Milliarden Euro. Historisch ein mittlerer Wert.

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Die Industriestaatenorganisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ermittelte das über die sogenannten Direktinvestitionen. Gemeint sind grenzüberschreitende, gewissermaßen realwirtschaftliche Vermögensanlagen in Unternehmen mit dem Ziel, die Geschäftstätigkeit langfristig und maßgeblich zu beeinflussen. Dies unterscheidet Direktinvestitionen von »Portfolioinvestitionen«, die eine reine Geldanlage sind.

Doch ein Großteil des Anstiegs erfolgte im ersten Quartal dieses Jahres, ist also schon jüngere Vergangenheit, während die weltweiten Investitionen im zweiten Quartal um 36 Prozent zurückgingen. Aus Sicht von Ökonomen ebenso ein Alarmzeichen wie die weltweit ansteigenden Unternehmensinsolvenzen. Details der OECD-Studie bestätigen dieses düstere Bild. So gingen die Investitionen in den OECD-Raum um 14 Prozent zurück.

Die 38 Mitgliedstaaten der OECD stehen für rund die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung. Laut Satzung fühlen sie sich Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet. Neben den USA und Deutschland sind die meisten westeuropäischen Staaten Mitglieder der OECD.

Das aktuelle Jahrzehnt könne einen Wendepunkt in der internationalen Arbeitsteilung darstellen.

Monatsbericht der Deutschen Bundesbank

Zugleich gingen die Investitionen in jene G20-Länder, die nicht der OECD angehören, in der ersten Hälfte des Jahres sogar um 19 Prozent zurück. Dazu zählen Länder wie Indien, Saudi-Arabien, Südafrika und Russland. Vor dem Hintergrund geopolitischer Risiken und wirtschaftspolitischer Unsicherheiten, die sich auf das Vertrauen potenzieller Investoren negativ auswirken, waren die Investitionsströme nach China ebenfalls rückläufig. Und auch das Kapital für Neuinvestitionen in den Schwellen- und Entwicklungsländern nahm deutlich ab. Im zweiten Quartal fielen es auf den niedrigsten Stand der vergangenen beiden Jahre.

Es gibt auch Sieger der Krise wie den G20-Gastgeber Brasilien. Zum weltweit führenden Empfänger von Direktinvestitionen wurden in der ersten Jahreshälfte die Vereinigten Staaten, gefolgt von Brasilien und Mexiko. Die US-Wirtschaft profitiert von üppigen staatlichen Subventionen wie dem »Inflation Reduction Act« und den Sanktionen der Biden-Regierung. Viele Konzerne in Europa und Asien investieren in Fabriken in den USA, um für eine weitere Abschottung des amerikanischen Marktes gewappnet zu sein. Davon profitiert zugleich Mexiko, welches mit den USA in einer Freihandelszone verbunden ist.

Bundesdeutsches Kapital liegt weltweit an der Spitze, wenn es um Investitionen in anderen Ländern geht. Wie schon im vergangenen Jahrzehnt investierten deutsche Unternehmen seit Beginn der 2020er Jahre kräftig im Ausland. So sind die Direktinvestitionen im Ausland zwischen 2010 und Juni 2024 kumuliert um knapp 1700 Milliarden Euro gewachsen. Als Empfänger liegt die Bundesrepublik aber unter ferner liefen: Die Direktinvestitionen sind gerade einmal halb so hoch wie diejenigen in Mexiko.

Die Zuflüsse nach Deutschland haben bereits seit 2022 deutlich nachgelassen. »Zusätzliches Beteiligungskapital aus anderen Ländern des Euroraums wurde seit Ende 2021 per saldo kaum noch bereitgestellt«, heißt es in einem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Auch die Zuflüsse aus Drittländern haben sich merklich abgeschwächt. Dass diese Entwicklung Indiz für eine nachlassende internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts sei, schließt die Bundesbank nicht aus. Das aktuelle Jahrzehnt könne deswegen einen Wendepunkt in der internationalen Arbeitsteilung darstellen.

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