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Berlin-Pankow: Facetten der Verdrängung
In Pankow kämpfen Mieter um ihren Kiez und gegen möblierte Wohnungen und Ferienwohnungen
»Wir sehen diese Verdrängung hier tagtäglich im Kiez«, sagt Martha Schön von Pankow gegen Verdrängung. Die Initiative hat sich im vergangenen Jahr gegründet, als klar wurde, dass 3000 Wohnungen in Pankow aus der Sozialbindung fallen werden. Im Helmholtzkiez rund um den namensgebenden Helmholtzplatz sind zahlreiche Häuser betroffen. Pankow gegen Verdrängung veranstaltete hier am vergangenen Donnerstag einen Kiezspaziergang, um die Folgen der auslaufenden Sozialbindungen sichtbar zu machen.
Eines der Probleme, mit denen die Mieter*innen zu kämpfen haben, sind Eigenbedarfskündigungen. Schön selbst wohnt in der Raumerstraße 23. Das Haus ist schon lange eine Eigentümergemeinschaft, es gehört also nicht einem einzelnen Vermieter, sondern vielen einzelnen Eigentümern. »Seit Anfang 2021 sind schon vier Mietparteien nach Eigenbedarfskündigungen ausgezogen«, berichtet Schön. Dass es Eigentümer*innen möglich ist, Mieter*innen aufgrund von Eigenbedarf zu kündigen, liegt daran, dass in dem Haus die Sozialbindungen ausgelaufen sind. »Das macht schon Angst. Jeder befürchtet, als Nächster die Kündigung im Briefkasten zu haben«, so Schön.
Ein paar Häuser weiter, in der Raumerstraße 29, gibt es schon seit 2014 keine Sozialwohnungen mehr. Kurz nach Auslaufen der Sozialbindung sei das Haus verkauft worden, berichtet Peter. Er wohnt in dem Haus, seinen vollen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Auf den Verkauf folgten jahrelange Modernisierungen, mit entsprechend erhöhten Mieten. 2021 erfolgte die Umwandlung der Wohnungen im Haus in Eigentumswohnungen. »Wir sind jetzt für sieben Jahre geschützt, weil das hier ein Milieuschutzgebiet ist«, sagt Peter. Ab 2028 aber droht auch hier der Rauswurf wegen Eigenbedarfs.
Das heißt aber nicht, dass die Mieter*innen bis 2028 Ruhe haben. Peter selbst musste schon drei Mal wegen seiner Wohnung vor Gericht. Wegen der Modernisierungen und den damit einhergehenden Baustellen seien vier Parteien aus dem Haus ausgezogen, sagt er. Die frei werdenden Wohnungen werden seither möbliert und befristet vermietet. Das ist legal, ermöglicht es Vermietern aber, über einen Möblierungszuschlag weit über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu vermieten. Und wenn die Wohnung dann verkauft werden soll, geht das auch einfacher und profitabler, schließlich sind die Wohnungen dann frei.
Ein paar Straßen weiter, an der Schönhauser Allee 69, fing der Prozess der Verdrängung 2016 an. Auch dort setzte schnell der klassische Mechanismus ein: Umwandlung in Eigentumswohnungen, Modernisierung, Verdrängung. Die Mieter*innen organisierten sich in der Initiative Katze zeigt Kante. Auch hier seien viele Wohnungen mittlerweile möbliert und auf Zeit vermietet, berichtet eine Mieterin. »Die Schönhauser Allee ist ein bildgewaltiges Beispiel dafür, dass Gesetze und Maßnahmen fehlen, um die Bewohner*innen der Stadt vor Spekulation zu schützen. Dieser Wohnraum ist nur noch Ware«, beklagt die Mieterin.
Um die Ecke, in der Buchholzer Straße 5, zeigt sich ein ähnliches Bild. Hier sind die Sozialbindungen 2018 ausgelaufen. Auch hier folgten Modernisierungen, Mieterhöhungen und Verdrängung. Eine Mieterin des Hauses, Jule, die nicht mit vollem Namen zitiert werden will, berichtet »nd«, dass mittlerweile 26 von 36 Wohnungen im Haus entweder möbliert vermietet oder als Ferienwohnungen angeboten werden. Letzteres hat mittlerweile den Bezirk auf den Plan gerufen. Es wird überprüft, ob hier gegen das Zweckentfremdungsverbot verstoßen wird. Ferienwohnungen müssen genehmigt werden. Sollten diese illegal angeboten werden, kann der Bezirk ein Bußgeld verhängen, und die Wohnung muss wieder dem normalen Mietmarkt zur Verfügung gestellt werden.
Cornelius Bechtler (Grüne), Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Pankow, sind die Probleme bekannt. »Das ist dramatisch. Der Protest ist nur die Spitze des Eisberges«, sagt er im Gespräch mit »nd«. Wegen des Wohnungsmangels in der Stadt führe die Entwicklung dazu, dass Menschen mit geringeren Einkommen verdrängt würden. Gegen Ferienwohnungen könne man als Bezirk etwas machen, aber um etwa gegen möbliertes Wohnen vorzugehen, brauche es in erster Linie ein anderes Mietrecht, so der Stadtrat. »Daher müsste der Bundestag endlich ein wirkungsvolles Mietrecht beschließen, das die Mieterinnen und Mieter auch wirklich schützt. Wir haben aktuell nur ungeeignete Werkzeuge in der Hand, die für diese Probleme nicht gedacht sind. Trotzdem versuchen wir, die Probleme damit so gut wie möglich anzugehen.« Und manche Dinge fehlen einfach: Um etwa besser gegen illegale Ferienwohnungen vorgehen zu können, wäre ein Wohnungsregister hilfreich, sagt Bechtler. Und es gibt eine äußere Grenze: das Personal im Bezirk. »Es bräuchte mehr personelle Ressourcen.« Der Bezirk ermittelt nicht selbst, sondern kann nur Hinweisen von Mieter*innen nachgehen. »Das wäre eigentlich notwendig«, so Bechtler.
»Wir brauchen die Unterstützung vom Bezirk«, sagt Martha Schön von Pankow gegen Verdrängung zu »nd«. Man müsse nur durch den Kiez laufen und die Schlüsselboxen anschauen, in denen die Wohnungsschlüssel für Ferienwohnungen aufbewahrt werden, um zu sehen, wie weit das verbreitet sei. »Es ist ja offensichtlich«, sagt Schön. Die Ferienwohnungen sind dabei aber nur der letzte Schritt der Verdrängung, nach Umwandlung und Kündigung. Profit auf der einen Seite, auf der anderen Seite verzweifelte Mieter*innen. »Wenn einem hier gekündigt ist, wo soll man denn hinziehen?« Allein auf den Bezirk verlassen will sich Pankow gegen Verdrängung nicht. »Wir werden weiter aktiv mit der Politik in Kontakt zu treten, protestieren und auch über Mieterrechte informieren«, so die Aktivistin.
»Jeder befürchtet, als Nächster die Kündigung im Briefkasten zu haben.«
Martha Schön Pankow gegen Verdrängung
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