»Mission Silberlocke«: Per Seniorenexpress in den Bundestag

Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch wollen noch mal zu Wahlerfolg der Linken beitragen

Mission Silberlocke: Bartsch, Ramelow und Gysi wollen Direktmandate für Die Linke erringen.
Mission Silberlocke: Bartsch, Ramelow und Gysi wollen Direktmandate für Die Linke erringen.

Es ist ja nicht so, dass es in der Linkspartei keine jungen Leute gäbe. Zum einen drängt eine jüngere Generation in Leitungsfunktionen, zum anderen sind viele der neuen Mitglieder – mehr als 11 000 seit der Wagenknecht-Abspaltung vor gut einem Jahr bei 6700 Austritten; 3800 Neu-Genossen allein seit dem Bruch der Ampel-Koalition – ziemlich junge Menschen.

Dennoch lasten erhebliche Hoffnungen im anstehenden Wahlkampf auf drei älteren Herren. Gregor Gysi (76), Bodo Ramelow (68) und Dietmar Bartsch (66) wollen für den Bundestag kandidieren. Noch einmal, muss man sagen, denn alle drei haben eine lange politische Karriere hinter sich. Aber die Krise der Partei, verschärft durch die Wagenknecht-Abspaltung vor einem Jahr, hat sie auf den Plan gerufen, obwohl sie sich zumindest gedanklich schon mit der Gestaltung eines etwas ruhigeren Lebensabends beschäftigt hatten. Auf dem Parteitag im Oktober in Halle hatte Gysi, der gute Aussichten hätte, als Alterspräsident den nächsten Bundestag zu eröffnen, ihre Aktion »Silberlocke« in Aussicht gestellt, vorbehaltlich einer Prüfung der Lage und Stimmung in der Partei.

Schon nach dieser Ankündigung gab es eigentlich kein Zurück mehr, wenngleich dem Vernehmen nach nicht jeder in der Linken glücklich war über die Art und Weise, wie die Aktion der Partei vorgesetzt wurde. Die Allermeisten in der Linken aber nehmen die Wahlkampfhilfe dankbar zur Kenntnis; die Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken bezeichnen sie sogar als Garantie für den Wiedereinzug in den Bundestag. Garantiert ist natürlich nichts, aber Gysi, Ramelow und Bartsch sollen und wollen Direktmandate in Berlin, Erfurt und Rostock erobern und ihren Teil dazu beitragen, dass Die Linke bei der Wahl im Februar auch die Fünf-Prozent-Hürde überspringt.

Das Trio glaubt, dass der Oktober-Parteitag einen Stimmungswechsel gebracht habe, die Krise der Partei »einigermaßen überwunden« sei und die Mitglieder bereit seien zu kämpfen, erklärte Gysi auf einer Pressekonferenz am Mittwoch, mit der das in »Mission Silberlocke« umbenannte Projekt offiziell gestartet wurde. Die drei wollen nicht nur in ihren Wahlkreisen und auf den entsprechenden Landeslisten kandidieren, sondern auch den Wahlkampf insgesamt sowie in ausgewählten Wahlkreisen unterstützen, wo die Partei sich Hoffnungen auf Direktmandate macht – neben Berlin etwa auch in Leipzig.

Auf sechs Themen sollte sich der Wahlkampf der Linken nach Gysis Ansicht konzentrieren, der damit dem Eindruck von der Linken als Laden für 1000 kleine Dinge entgegenwirken will: soziale und Steuergerechtigkeit, Frieden, Migration, ökologische Verantwortung, Gleichstellung der Geschlechter sowie von Ost und West. Wobei er zum Stichwort Migration erklärend hinzufügte, es sei klar, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge der Welt aufnehmen könne, aber Die Linke strebe »den humansten Weg der Einschränkung der Migration« an: die Bekämpfung der Fluchtursachen. Wenn es beispielsweise zum Frieden in der Ukraine käme, wenn die Türkei den Nordirak nicht mehr bombardieren würde, müssten die Menschen dort nicht mehr ihre Heimat verlassen oder könnten zurückkehren.

Bodo Ramelow will im Bundestag das fortsetzen, wofür er sich viele Jahre in Thüringen eingesetzt hat: den sozialen Ausgleich. Ihm falle beim Stichwort innere Sicherheit nicht wie vielen anderen zuerst die Polizei ein, sondern die soziale Sicherheit. »Ich verstehe unter Sicherheit die Frage von Armut und Reichtum, von guten Kindergärten sowie Bildung und Betreuung beitragsfrei«, sagte er. Eine moderne solidarische Bürgerversicherung wäre Teil eines Schutzschirms für die Gesellschaft. »Die innere Sicherheit ist gestört, wenn Menschen Angst haben vor Altersarmut«, so Ramelow, der die von der Ampel geplante Aktienrente als verheerend bezeichnete. »Solche Ängste füttern den Populismus«, das habe er im Thüringer Landtagswahlkampf erst erlebt.

Auch Dietmar Bartsch verwies auf soziale Fragen. Der Koalitionsvertrag der Ampel sei nur in einem Punkt gut gewesen – beim Ziel, eine Kindergrundsicherung einzuführen, doch die gebe es bis heute nicht. Die Linke selbst habe in den letzten Jahren das Thema Ostdeutschland »etwas vernachlässigt«, aber es bleibe für die Partei wichtig.

»Die linke Stimme darf auch heute nicht verstummen«

Bodo Ramelow,
Ministerpräsident in Thüringen

Trotz aller Wahlkampferfahrung betreten die Altvorderen mit ihrem Projekt auch Neuland. Am Mittwoch startete eine gemeinsame Website (mission-silberlocke.de) inklusive Accounts auf den Plattformen Instagram, Facebook, Tiktok und X. Dafür haben sie zahlreiche junge Helfer. »Der digitale Teil der Gesellschaft, die sozialen Medien sind so wirkmächtig, da muss ich noch viel lernen«, bekannte Ramelow.

Der Thüringer, der zunächst rechtlich geklärt hatte, dass er auch dann kandidieren und in den Bundestag einziehen darf, wenn er wegen der anhaltenden Regierungsbildung in seinem Bundesland noch eine Weile weiter als Ministerpräsident amtieren müsste, fühlt sich an 2005 erinnert. Vor fast 20 Jahren hatte ihn der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky gebeten, den Wahlkampf für die auch damals vorgezogene Bundestagswahl zu leiten. »Die linke Stimme darf auch heute nicht verstummen«, sagte Ramelow, der sich und seine beiden Mitstreiter »im Seniorenexpress« Die Linke retten sieht.

Dietmar Bartsch, der angesichts der SPD-Debatte über den geeigneten Kanzlerkandidaten froh darüber ist, »dass die Streitlaterne vom Karl-Liebknecht-Haus ins Willy-Brandt-Haus gewandert ist«, räumt ein, dass Die Linke »von sehr weit unten« kommt. Die »Mission Silberlocke«, verspricht er, werde »ein seriöses, kämpferisches Projekt«.

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