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Bomben auf Wohnviertel in Beirut
Israels Krieg gegen die Hisbollah-Miliz eint die libanesische Bevölkerung
Der Krieg zwischen der Hisbollah mit ihren verbündeten Milizen und der israelischen Armee ist weitgehend von den Titelseiten der Medien verschwunden. Doch die Kämpfe an der israelisch-libanesischen Grenze werden immer intensiver und Israels Bombenangriffe immer zielloser. Bei einem Luftangriff auf ein Wohnhaus im Zentrum von Beirut kamen am Montag laut Gesundheitsministerium mindestens fünf Menschen ums Leben. Die von israelischen Drohnen abgefeuerten Raketen schlugen in dem Stadtteil Zuqaq Al-Blat ganz in der Nähe des Parlaments und mehrerer Botschaften ein. Rettungskräfte brachten 24 Verletzte in die mittlerweile völlig überlasteten Krankenhäuser, immer in Angst, in einer zweiten Angriffswelle selber zum Ziel zu werden. Vor allem im Süden des Landes zielt die israelische Armee immer wieder auf Mitarbeiter des Roten Halbmonds: 200 Ärzte und Sanitäter starben seit Beginn des israelischen Einmarsches am 14. Oktober.
Israelische Medien spekulieren, dass der Angriff im belebten Viertel Zuqaq Al-Blat einem Hisbollah-Funktionär galt, dessen Wohnung völlig zerstört wurde. Die meisten schiitischen Bewohner der südlichen Stadtteile von Beirut sind ins Umland oder ins Zentrum geflohen, mit ihnen verlagert sich der Krieg auf Gegenden, wo andere Konfessionen in der Mehrheit sind. Weil die Menschen in oft kleinen Wohnungen von Freunden oder Familienmitgliedern unterkommen, verbringen sie die meiste Zeit auf der Straße oder in Cafés. »Daher führen mittlerweile selbst Raketen mit kleinen Sprengladungen zu vielen Opfern«, sagt Mohammad Besbes, in dessen Café bis vor kurzem viele in der Gegend arbeitenden Diplomaten saßen. »Jetzt gleicht Zuqaq Al-Blat einem Flüchtlingslager, in dem ähnlich wie in Gaza wie aus dem Nichts immer wieder Bomben einschlagen.«
Tötung des Hisbollah-Sprechers
Wenig hundert Meter weiter, in Mar Elias, hatte eine Rakete am Sonntag drei Passanten getötet. Ebenfalls am Sonntag wurde Mohammad Afif getötet, der prominente Sprecher der Hisbollah. Zusammen mit Mitarbeiter seines Medienbüros starben sieben weitere Menschen. »Die Gefahr zu sterben ist nun auch unter Nicht-Schiiten allgegenwärtig«, sagt Cafébesitzer Mohammad Besbes, »aber ungerührt von Krisen und Kriegen den Alltag zu bestreiten, gehörte immer schon zu Beirut.«
»Auf beiden Seiten der Grenze sollte klar sein, dass ein Waffenstillstand nur mit Garantien der USA oder anderer Parteien möglich ist.«
Berater der libanesischen Regierung
Mit Wut und Verzweiflung reagieren derweil viele Menschen in Baalbek und anderen östlich gelegenen Städten auf die nicht nachlassenden Bombardements. Im Vorort Douris der für ihre römischen Ruinen weltweit bekannten Metropole bargen Mitarbeiter der Zivilverteidigung und Sanitäter letzte Woche die Leichen von 15 Kollegen aus den Trümmern der lokalen Rettungszentrale. »Warum bombardieren sie eine zivile Institution, die dem Innenministerium und keiner Miliz unterstellt ist«, klagt Atta Mansur, der Leiter der »Shiffa« genannten Rettungsstelle in Douris. In Israel werden Angriffe auf Krankenwagen und Bergungsteams mit Waffenschmuggel durch Hisbollah-Kämpfer gerechtfertigt. Die libanesische Regierung bestreitet dies und fordert die israelische Armee auf, dafür Beweise vorzulegen. »Israel versucht, Angst und Schrecken zu verbreiten«, sagt Mansur. »Damit sich die Leute von der Hisbollah distanzieren.«
Regelmäßig Luftalarm in Tel Aviv
Seit Beginn der Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der Hisbollah starben rund 3500 Menschen, 1,2 Millionen Libanesen sind auf der Flucht. Die meisten Opfer gab es, seit israelische Bodentruppen im Grenzgebiet im Einsatz sind. In Beirut glauben viele, dass die Angriffe auf Wohnviertel in Beirut mit dem energischen Widerstand der Hisbollah-Kämpfer im Grenzgebiet zusammenhängen. Ob die israelischen Spezialeinheiten tatsächlich nur, wie von Hisbollah-Kanälen behauptet, wenige Kilometer weit auf libanesisches Territorium vordringen konnten, ist unklar. Doch die steigende Zahl der im Libanon gefallenen israelischen Soldaten macht den Krieg im nördlichen Nachbarland unter der israelischen Bevölkerung immer unpopulärer. 47 Israelis starben bisher bei den schweren Kämpfen in dem hügeligen und stark bewaldeten Grenzgebiet, doch über den Ausgang der vielen geheimen israelischen Spezialoperationen ist nur wenig bekannt.
Im Norden Israels spüren die Bewohner nur wenig von dem Versprechen Benjamin Netanjahus, den rund 70 000 aus dem Grenzgebiet evakuierten Bewohnern die Rückkehr zu ermöglichen. Der Tod der Hisbollah-Führungsriege und das Ausschalten vieler Kommandeure durch die Explosion ihrer Pager hat auf die Intensivität des Raketenbeschusses wenig Einfluss. Am Montag starb die Bewohnerin eines Wohnhauses in Schefaram (arab: Schafa Amr). 100 Geschosse gingen in 24 Stunden auf nordisraelische Städte nieder. Auch in Tel Aviv gehört Luftalarm wieder zum Alltag. Im Vorort Ramat Gan gingen Trümmerteile eines Geschosses des Luftabwehrsystems Iron Dome nieder. Zwar hat der Krieg kaum Einfluss auf das Leben in der von Start Ups und Kreativen geprägten Metropole. Doch immer mehr Firmen entlassen wegen der Wirtschaftskrise Mitarbeiter, immer mehr junge Israelis mit doppelter Staatsbürgerschaft verlassen das Land.
Krieg schweißt Libanesen zusammen
»Wenn der Krieg noch länger andauert, wird das Gegenteil der Netanjahu-Strategie eintreten«, sagt ein Galerist auf der Amra-Straße in Beirut. Seinen Namen will er aus Angst vor dem israelischen Geheimdienst und den Häschern der Hisbollah nicht gedruckt sehen. »Vorher haben nur wenige Libanesen die Hisbollah unterstützt. Das wahllose Bomben eint die Libanesen. Und wie in Tel Aviv geraten die liberalen Kreise unter Druck oder wandern aus.«
Über die stockende israelische Offensive freuen sich nur wenige Libanesen. Der Cafébesitzer Mohammad Besbes schaut ängstlich in den Himmel, als Geräusche von Kampfjets zu hören sind. »Jeder zerstörte Panzer bedeutet mehr Bomben auf Beirut.«
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