Thüringer Brombeerkoalition: Kompromiss in Raketenfrage

Spitzen von CDU, BSW und SPD legen Entwurf eines Koalitionsvertrages vor

Demonstrierten am Freitag Einigkeit: Steffen Schütz (BSW), Mario Voigt (CDU), Katja Wolf (BSW) und Georg Maier (SPD, v.l.n.r.)
Demonstrierten am Freitag Einigkeit: Steffen Schütz (BSW), Mario Voigt (CDU), Katja Wolf (BSW) und Georg Maier (SPD, v.l.n.r.)

Er hat bereits gesprochen, die BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf auch und nun soll Georg Maier das Wort ergreifen. Mario Voigt dreht Maier deshalb den Kopf zu, lächelt und nickt dem SPD-Mann zu. Maier spricht ausführlich, wie zuvor Wolf. Sie und der Thüringer BSW-Kovorsitzende Steffen Schütz schauen in dieser Zeit meist in Richtung der vielen Kameras, die an diesem Freitagnachmittag im Thüringer Landtag auf sie gerichtet sind.

CDU-Landeschef Voigt gibt sich staatsmännisch, ganz im Bewusstsein seines künftigen Amtes als Ministerpräsident, als er gemeinsam mit den Verhandlungsführern seines künftigen Regierungsbündnisses dessen Koalitionsvertrag vorstellt. »Dieser Vertrag ist unser Versprechen für eine starke Zukunft unserer Heimat«, sagt er. Oder: »Mit Vertrauen wollen wir unser Land wieder nach vorne bringen.« Gerade im Landtag hat man Voigt, den langjährigen Oppositionsführer, auch schon anders erlebt, bisweilen fahrig und laut. »Thüringen ist kein lautes Land«, betont er nun. Sondern eines, in dem Probleme gelöst würden.

Zweifellos ist Voigt jetzt nur noch einen Steinwurf von seinem Ziel entfernt, Regierungschef des Freistaats zu werden. Denn mit Maier, Wolf und Schütz eint ihn der Wille, gemeinsam zu regieren. Und nun liegt mit dem Entwurf für einen Koalitionsvertrag von CDU, BSW und SPD sogar ein Papier vor, das gute Chancen hat, von allen drei Parteien angenommen zu werden. Dabei sah es in den vergangenen Wochen immer wieder so aus, als könnten die Gespräche für eine Brombeer-Regierungsbildung scheitern. Maier erinnert nochmal daran: »Es waren herausfordernde Zeiten und mehr als einmal dachte ich, es ist vorbei.«

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Dass inzwischen sogar die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht deutlich ihre Zustimmung zu dem Vertragsentwurf signalisiert hat, liegt auch an zwei Sätzen in dem Papier, die sich auf Seite 107 finden. Dort heißt es: »Wir erkennen an, dass viele Menschen in Sorge um die aktuelle geopolitische Lage und den Krieg in Europa sind und die Stationierung von Mittelstreckenraketen als eine fundamentale Veränderung der strategischen und militärischen Lage in Europa und auch in Deutschland begreifen. Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche Mitsprache sehen wir kritisch.«

In der zuvor verhandelten Präambel, die sich um das Thema Krieg und Frieden dreht, war eine solche Kritik nicht enthalten gewesen, sehr zum Missfallen Wagenknechts. Sie hatte Wolf und Schütz deshalb ultimativ gedrängt, den Punkt zu der geplanten Stationierung von US-Raketen in Deutschland nachzuverhandeln. Vor allem Maier hatte dieses Ansinnen entrüstet abgelehnt. Dennoch gibt es nun diesen Passus in dem Papier, das CDU, BSW und SPD den Entwurf eines »Regierungsvertrags« nennen. Wolf und Schütz sind damit zufrieden, Wolf nennt ihn sogar einen »großen Wurf«.

Voigt und Maier sehen das anders. Dieser Satz sei eigentlich nichts Besonders, fast schon ein Allgemeinplatz, betonen sie. Dass die Stationierung und Verwendung von Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden ohne deutsche Mitbestimmung kritisch sei, solle »für uns als Deutsche« doch unabhängig von der Farbe der Parteibücher »selbstverständlich sein«, sagt Voigt. Maier geht noch weiter: Der Passus beschreibe »nur die allgemeine Rechtslage«, sagt er. »Das ist ein deskriptiver Satz.« Keinesfalls werde durch diese Formulierung die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in irgendeiner Art und Weise determiniert. Es ist der einzige Moment während der Pressekonferenz, in dem Wolf und Schütz nicht sonderlich glücklich schauen.

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