Brandbrief an Berliner Schule: Von Rütli nach Bergius

Bildungssenatorin verspricht nach Brandbrief an der Bergius-Schule Unterstützung

Gewalt und massives Schwänzen: Lehrkräfte der Bergius-Schule in Friedenau haben einen Brandbrief verfasst.
Gewalt und massives Schwänzen: Lehrkräfte der Bergius-Schule in Friedenau haben einen Brandbrief verfasst.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) besuchte am Montag die zuletzt in die Schlagzeilen geratene Bergius-Schule in Friedenau. In einem knappen Pressestatement sagte sie, dass es ein »konstruktives Gespräch« mit den Lehrkräften, der Schulaufsicht und Eltern- und Schülervertretern gegeben habe. Sie wolle nun prüfen, ob die Schule von bereits bestehenden Förderprogrammen profitieren könne. Zudem stellte sie in Aussicht, dass künftig ein Pförtner am Schuleingang eingesetzt werden soll. So soll verhindert werden, dass Schüler unerlaubt das Schulgelände verlassen. »Ich bin nicht das letzte Mal hiergewesen«, kündigte Günther-Wünsch an. Erste Maßnahmen sollen demnach noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

Das Kollegium der unweit vom Bundesplatz gelegenen Sekundarschule ohne gymnasiale Oberstufe hatte sich in der vergangenen Woche mit einem Brandbrief an die Schulaufsicht gewandt. Dort warnen die Lehrkräfte, dass die Schule »immer mehr an ihre Grenze kommt«. »Es vergeht kein Tag ohne verbale Beleidigungen und Bedrohungen von Lehrkräften durch SchülerInnen«, schreiben die Lehrer. Das Lehrpersonal, die Schulsekretärin und der Hausmeister erlebten eine »zunehmend bedrohliche Gewaltbereitschaft«. In den Hofpausen komme es immer wieder zu aggressiven »Zusammenrottungen«, aus deren Mitte gefüllte Plastikflaschen und teilweise auch Böller auf Schüler und Lehrkräfte geworfen würden.

Besonders besorgniserregend sei, dass Schüler immer wieder versuchten, Fotos und Videos von anderen Schülern beim Toilettengang zu machen, indem das Handy überraschend unter oder über die Toilettentrennwände gehalten wird. »Viele SchülerInnen scheuen sich, die Toiletten während der Pausen zu nutzen«, heißt es in dem Brandbrief. Weil es in den Toilettenräumen keine Lehreraufsicht gebe, könne dieses Verhalten kaum unterbunden werden. Eine interne Umfrage habe ergeben, dass die Lehrkräfte im Schnitt knapp zwei Drittel ihrer Zeit für pädagogische Maßnahmen aufbrächten und nur ein Drittel für den eigentlichen Fachunterricht.

Dazu komme eine ausgeprägte Schuldistanz bei einigen Schülern. In den 38 Schultagen seit Beginn des Schuljahres hätten sich in den Klassenbüchern bereits 489 unentschuldigte Fehltage und 1311 unentschuldigt verpasste Schulstunden angesammelt, 563 Mal seien Schüler zu spät zum Unterricht erschienen. Ihre Aufsichtspflicht könnte die Schule so häufig nicht erfüllen.

An der Bergius-Schule müssen Schüler, die häufiger im Unterricht fehlen, Strafarbeiten vor Unterrichtsbeginn ableisten. Weil so viele Schüler betroffen seien, entwickle sich die Maßnahme zunehmend auch zur Belastung für die Lehrkräfte. »Das ist ein beispielloser Zusatzaufwand an Zeit und Personal«, heißt es in dem Brandbrief.

Gegenüber der »Berliner Zeitung« relativierten Schüler der Bergius-Schule die Darstellung allerdings. »Die haben total übertrieben«, wird eine Schülerin zitiert. »Dieser Brief lässt alle Schüler dieser Schule wie Monster dastehen.« Es komme zwar durchaus zu Auseinandersetzungen, doch die Lage sei nicht so dramatisch wie dargestellt.

Marianne Burkert-Eulitz, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, warnt davor, auf die Situation nur mit repressiven Mitteln zu reagieren. »Regelverstöße müssen schnell und eindeutig sanktioniert werden, aber man muss auch ins Gespräch kommen«, sagt sie gegenüber »nd«. Einen Wachschutz einzusetzen sei kostspielig und könne häufig auch nicht verhindern, dass die Schüler das Schulgelände verlassen. »Aufzurüsten ist ein Stück weit auch immer aufgeben«, sagt Burkert-Eulitz. Wichtig sei, dass es einen Austausch zwischen Lehrkräften, Schülern und Eltern über die weitere Entwicklung der Schule gebe.

Die im Rahmen der Haushaltsrevision vorgesehenen Kürzungen im Bildungsbereich könnten auch die im Brief angesprochenen Probleme verschärfen, mahnt die Grünen-Abgeordnete. »Mit weniger Geld wird es auch weniger Schulsozialarbeit geben«, sagt Burkert-Eulitz. Die Kürzungen könnten »infrastrukturelle Folgen« im Bildungsbereich haben. Dazu komme, dass wegen der anstehenden Neuwahlen im Bund unklar sei, wann das Geld aus dem Startchancenprogramm der Bundesregierung fließen könne.

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