Befragung zu Geflüchteten: Jede dritte Kommune »am Limit«

Wie geht es den Gemeinden mit der Aufnahme von Geflüchteten? Eine neue Umfrage bietet Einblicke

Syrische Geflüchtete vor einer Sammelunterkunft: Auch wenn es 2016 viel mehr Asylanträge als 2024 gab, stehen viele Kommunen heute nah an der Belastungsgrenze.
Syrische Geflüchtete vor einer Sammelunterkunft: Auch wenn es 2016 viel mehr Asylanträge als 2024 gab, stehen viele Kommunen heute nah an der Belastungsgrenze.

Trotz der sinkenden Zahl an Asylanträgen in diesem Jahr sind viele Kommunen in einem »Krisenmodus« was die Versorgung von Geflüchteten angeht. Zu diesem Ergebnis kommt eine nicht-repräsentative Umfrage des Instituts für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration (Desi) in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung. »Fast durch die Bank sagen alle Kommunen, wir nähern uns einer deutlichen Grenze«, sagt der Politologe und Ko-Autor der Studie, Frank Geseman.

Mehr Krisenmodus, weniger Notfallmodus

Von den knapp 600 Kommunen, die an der Befragung teilnahmen, sagte jede Dritte, sie sei »am Limit«, beziehungsweise »im Krisenmodus«; jede Zwanzigste gab an, überlastet zu sein und sich »im Notfallmodus« zu befinden; ungefähr jede zweite Kommune bezeichnete die Situation hingegen als »herausfordernd, aber machbar«.

»Fast alle Kommunen sagen, wir nähern uns einer deutlichen Grenze.«

Frank Geseman Politologe

Als drängendstes Problem gaben die Gemeinden und Landkreise den Wohnungsmangel an. Vier von zehn Kommunen greifen der Befragung zufolge auf eine Form der Notunterbringungen zurück; zumeist in Form von Wohncontainern. Sporthallen und Zelte kommen demnach nur noch sporadisch zum Einsatz.

Zermürbendes Ehrenamt

Doch es gehe nicht nur um Wohnraum, sagt Geseman. »Selbst wenn die Unterbringung noch bewältigbar ist, zeigen sich häufig in anderen Bereichen deutliche Grenzen«, so der Politikwissenschaftler. »Deshalb ist es wichtig, gelöst von der Frage der Unterbringung auch andere Faktoren in den Blick zu nehmen, wie etwa die Gesundheitsversorgung, oder das Angebot an Integrations- und Sprachkursen.« Eine kleine Mittelstadt in Baden-Württemberg antwortete: »Durch Kürzung der Mittel und vor allem durch die Aufsplittung der Beratungslandschaft (...) wird sich die Situation wahrscheinlich verschlechtern.« Möglicherweise könne die Stadt geschaffene Strukturen nicht erhalten.

Als wichtigste Ressource zur Bewältigung der Herausforderungen sehen die Kommunen laut Befragung das ehrenamtliche Engagement. »Die noch vorhandenen Ehrenamtsstrukturen (z. B. ehrenamtlicher Sprachkurs für Frauen mit Kindern) sind sehr förderlich für die Integration und für das Ankommen von Geflüchteten«, gab etwa eine Mittelstadt im Saarland an.

In der Antwort schwingt etwas mit, das die Desi-Forschenden häufiger beobachteten: Beim Ehrenamt sind »deutliche Ermüdungs- und Erschöpfungserscheinungen« zu erkennen, so Geseman.

Bund und Länder sollen mehr tun

Dennoch – und auch trotz der oftmals desolaten Lage – sehen sich die meisten Kommunen »mittel« oder »eher gut« aufgestellt. Soll heißen: Sie verfügen über gute Integrationskonzepte, eine engagierte Verwaltung und die Kooperation mit freien Trägern und zivilgesellschaftlichen Akteuren läuft gut. Das Problem liegt in den Augen der Städte, Gemeinden und Landkreise woanders: »Die Kommunen fühlen sich unzureichend von Bund und Ländern unterstützt und einbezogen in die Ausgestaltung der Aufnahme und Integration«, sagt Geseman. Für die Versorgung der Asylsuchenden gibt der Bund den Ländern seit Januar zwar unter anderem eine Pro-Kopf-Pauschale von jährlich 7500 Euro dazu. Doch gegen den mangelnden Wohnraum lässt sich damit reichlich wenig ausrichten. Wohl auch deshalb gehört die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu den wichtigsten Anliegen der Kommunen, wie es in der Studie heißt.

Bislang sieht es danach aus, als bliebe die Anzahl der Asylanträge dieses Jahr um etwa ein Viertel niedriger als im Vorjahr. Spiegelt sich diese Entwicklung in den Einschätzungen der Kommunen wider? Das kann die Umfrage nicht beantworten, denn sie deckt nur den Zeitraum August und September ab. Allerdings diagnostizierten ähnliche Studien der Universität Hildesheim eine Verbesserung der Lage in den Kommunen zwischen Oktober 2023 und Mai 2024.

Zwar sind die Umfragen aufgrund unterschiedlicher Herangehensweisen kaum vergleichbar, trotzdem vermutet Geseman: »Viele Kommunen sehen sich weniger im Notfallmodus, dafür mehr im Krisenmodus.« Die Lage verbessert sich zwar, bleibt aber deutlich angespannt, soll das wohl heißen. Da die Kommunen in den Bereichen Bildung, Arbeit und insbesondere dem Wohnungsmarkt weiterhin an ihre Grenzen stoßen, profitieren sie nur bedingt von gesammelten Erfahrungen aus den Jahren 2015 und 2022, resümiert Gesemann.

Von den 2961 Städten und Gemeindem ab 5000 Einwohner*innen, den 294 Landkreisen in Deutschland und den Bezirksverwaltungen in Berlin und Hamburg beteiligten sich 567 Kommunen an der Umfrage. Die Stichprobe spiegele die Verteilung der Kommunen bezogen auf Einwohnerzahl »recht gut wider«, schreiben die Autor*innen. Ostdeutsche Städte, Landkreise und Gemeinden seien aber unterrepräsentiert.

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