Abgezockt: Ausländische Studierende auf dem Wohnungsmarkt

Die Wohnungsnot in der Hauptstadt treibt ausländische Studierende in die Fänge von Betrügern und Abzockern

Ein Studierendenwohnheim in Charlottenburg: Weil es an Wohnheimplätzen mangelt, müssen viele Studierende auf dem freien Markt Zimmer suchen und geraten dabei an Betrüger.
Ein Studierendenwohnheim in Charlottenburg: Weil es an Wohnheimplätzen mangelt, müssen viele Studierende auf dem freien Markt Zimmer suchen und geraten dabei an Betrüger.

Zahllose Angebote werden in Whatsapp-Gruppen angepriesen. »Bett in einem geteilten Zimmer verfügbar«, heißt es da etwa. Dafür werden 400 Euro verlangt, zusätzlich 800 Euro Kaution und eine einmalige »Gebühr« von 150 Euro. Eine andere Person bietet ein privates Zimmer an: Miete 450 Euro, Kaution 335 Euro, »Servicegebühr« 100 Euro. Es ist der florierende Berliner Schwarzmarkt für Wohnungen, der über solche Chatgruppen organisiert wird. Amal* ist in mehr als einem Dutzend von ihnen. Er ist zum Studieren aus Indien nach Deutschland gekommen, und seit er in Berlin ist, hat er Probleme, eine Wohnung zu finden.

Wobei »Wohnung« bei vielen der Angebote zu viel gesagt ist. »Dort werden keine Wohnungen vermietet, sondern Betten«, sagt Amal. Seine erste Bleibe, die er in der Stadt fand, war ein solches Bett. »Wir waren drei Leute in einem Zimmer«, berichtet er »nd«. Insgesamt waren in der Zwei-Zimmer-Wohnung sechs Menschen untergebracht. Amal ist nicht alleine in solch einer Situation. Für Verzweifelte ist der Hauptstadt-Wohnungsmarkt noch mal teurer und voller Fallstricke, insbesondere für diejenigen, die ohne Netzwerk sind. »Wir waren neu in der Stadt – und wir wussten nicht, wie das funktioniert«, sagt Amal im Rückblick.

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Auch Dinesh*, Student aus Indien, kann von dem Wohnungs-Schwarzmarkt berichten. »Die Vermittler wollen alles in bar«, sagt er zu »nd«. Sowohl die Miete als auch eine »Servicegebühr« für ihre Vermittlungsdienste. »Wobei ich nicht weiß, was das für ein Service sein soll«, sagt Dinesh. Ein Freund von ihm sei an einen besonders schlimmen Vermittler geraten, berichtet er. Neben der Servicegebühr verlangte er von allen vier Studenten, die er in einer Zwei-Zimmer-Wohnung unterbrachte, eine Kaution von 900 Euro, die er nie zurückzahlte. Eine Masche, die nach Angaben der zwei Studierenden fast schon normal ist.

Wie groß dieser Schwarzmarkt ist, lässt sich schwer beziffern. Weder die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen noch die für Universitäten zuständige Wissenschaftsverwaltung können auf nd-Anfrage Zahlen nennen. Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins sagt im Gespräch mit »nd«, es komme immer wieder vor, dass sich Betroffene solcher Wohnungsverhältnisse an die Beratungsstellen des Vereins wenden. Er schränkt aber auch ein: »Viele der Betroffenen sind neu in der Stadt und aus dem Ausland. Die kennen die Rechtslage nicht oder wissen nicht, dass es den Mieterverein gibt.« Der Markt für solche Wohnformen sei auf jeden Fall größer als das, was beim Mieterverein ankomme.

»Die Rechtslage ist allerdings ganz klar: Solche Angebote verstoßen gegen mehrere Gesetze«, so Bartels weiter. Angesichts der überzogenen Mieten sei das eindeutig ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse. Auch stelle sich die Frage, was man überhaupt miete. »Wenn man nur ein Bett mietet, dann ist das quasi eine illegale Jugendherberge«, so Bartels. Also ein illegales Gewerbe.

Über die Chatgruppen werden nicht nur illegale Wohnangebote vermittelt. Auch der Kontakt zu echten Vermietern wird von findigen Betrügern hergestellt. Amal, Dinesh und ein Freund der beiden, Avan*, hatten irgendwann genug von ihrer Wohnsituation. »Man kann so nicht leben und noch viel weniger studieren«, sagt Amal. Als dann in einer der Chatgruppen ein Angebot für eine Wohnung auftauchte, das zwar teuer war, aber zumindest eigene Zimmer bedeutete, kontaktierten sie Munyr L.

L. spielte dabei ein doppeltes Spiel: Gegenüber dem Vermieter präsentierte er sich als Mieter. Den Student*innen gegenüber trat er als Wohnungsvermittler auf und sagte ihnen, eine Monatsmiete müsse als Kaution bar an ihn gezahlt werden, zusätzlich zu einer Vermittlungsgebühr von 500 Euro. Am Ende zahlten sie 1000 Euro per Überweisung an den Vermieter und 1600 Euro direkt an L. »Die eigentliche Miete der Wohnung war 2450 Euro, aber er wollte uns 2600 berechnen. Er sagte uns, die 150 würde er in bar nehmen«, erzählt Amal. Im ersten Monat hätten sie das auch gemacht.

Vermittler L. beließ es nicht beim Abzocken. Als die Studenten nach Quittungen für die 150 Euro fragten, reagierte dieser immer ungehaltener. Als sie sich weigerten zu zahlen, bekam Avan einen Anruf: Wenn das Geld ausbleibe, würde er von fünf Leuten verprügelt werden. »Ich habe gesagt: Wenn sie kommen, rufe ich die Polizei«, berichtet Avan. Danach habe L. nicht mehr auf Anrufe oder Nachrichten reagiert.

Die Wohnung, in die die drei einzogen, ist eine möblierte Wohnung auf Zeit. Anders als bei normalen Mietwohnungen greifen hier zahlreiche Mietbegrenzungen nicht. Der »nd« vorliegende, auf ein Jahr befristete Mietvertrag enthält neben einer Grundmiete von 865 Euro und einem Möblierungszuschlag von 106 Euro noch eine Betriebskostenpauschale von 1479 Euro. Pro Quadratmeter sind das 23,21 Euro. Auch ohne Betrug sehr teuer.

Nach Einschätzung des Mietervereins ist der Vertrag aber in dieser Form zumindest teilweise nicht rechtens. »Die einjährige Befristung ist zweifelhaft«, so Geschäftsführer Sebastian Bartels. Eine gemäß Paragraf 549 BGB rechtlich unproblematische Kurzzeitvermietung zum vorübergehenden Gebrauch sei nach Rechtsprechung nur bis zu sechs Monaten zulässig. »Unzulässig ist eine Pauschalierung der Nebenkosten, wenn diese – wie hier – auch Heizkosten erfasst«, so Bartels weiter. Laut Heizkostenverordnung müsse diese zumindest anteilig verbrauchsabhängig erfolgen, so der Mietrechtsexperte. Der Mangel an Alternativen ließ den Studierenden keine andere Wahl, als sich auf das Angebot einzulassen – trotz hoher Miete. Nach einem Jahr war dann jedoch Schluss: Auch wenn sie weiter eine Wohnung brauchten, konnten und wollten sie die hohe Miete nicht länger zahlen.

Die Wissenschaftsverwaltung sagt auf nd-Anfrage, dass in Berlin grundsätzlich ein hoher Bedarf an studentischem Wohnraum bestehe. »Das Studierendenwerk ist der wichtigste Anbieter studentischen Wohnraums, insbesondere auch für internationale Studierende«, so der Senat. Dieses verfügt aktuell über 9119 Wohnheimplätze, weitere 600 sind in Planung. Und der Senat ist bestrebt, dieses Angebot auszuweiten. 5000 weitere Plätze sollen in den nächsten Jahren von den landeseigenen Wohnungsunternehmen und der landeseigenen Immobiliengesellschaft Berlinovo geschaffen werden.

Den Studierenden, die jetzt eine Unterkunft brauchen, hilft das wenig, das weiß auch die Verwaltung: »Trotz dieser Maßnahmen ist und bleibt die Wohnraumsituation für Berliner Studierende äußerst angespannt.« Internationale Student*innen seien dabei mit zusätzlichen Hürden wie Sprachbarrieren oder fehlenden Kenntnissen über den deutschen Wohnungsmarkt konfrontiert, so die Verwaltung. Aus Fachgesprächen sei bekannt, dass sich einige unseriöse Wohnraumangebote daher gezielt an diese Gruppe richteten.

»Man kann so nicht leben und noch viel weniger studieren.«

Amal Student

Opfern von Betrug raten sowohl die Wohnungs- als auch die Wissenschaftsverwaltung zur Anzeige bei der Polizei. Bloß: Eine neue Wohnung bekommt man auf Polizeiwachen bekanntermaßen nicht. Zur Vorbeugung empfiehlt die Senatsverwaltung die vielen Beratungsangebote der Bezirke, des Studierendenwerks, des Mietervereins sowie der Universitäten. Letztere würden darüber hinaus zum Teil in Infoveranstaltungen explizit auf unseriöse Wohnungsangebote hinweisen, so die Verwaltung.

Amal, Dinesh und Avan sind mittlerweile weitergezogen. Sie wohnen nach Maßstäben des Berliner Mietenwahnsinns normal: befristet, zur Untermiete, halbwegs bezahlbar. In ein paar Monaten werden sie sich wieder auf Wohnungssuche machen müssen. Der Frust der drei ist groß. Dinesh sagt, dass der Wohnungsmarkt das größte Problem sei, das ausländische Studierende hätten. »Wir wollen studieren, müssen uns aber ständig mit unserer Wohnsituation auseinandersetzen«, sagt Amal.

* Namen wurden von der Redaktion geändert.

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