Heftiger Streit um Altersbegrenzung

Australiens Parlament stimmt für weltweit erstes Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit dem Smartphone in gefährliche Welten? Australien will Heranwachsende schützen.
Mit dem Smartphone in gefährliche Welten? Australien will Heranwachsende schützen.

Das australische Repräsentantenhaus hat den Gesetzentwurf am letzten Mittwoch mit 102 zu 13 Stimmen verabschiedet – eine überwältigende Mehrheit an Stimmen, nachdem auch die konservative Opposition sich auf die Seite der sozialdemokratischen Regierung geschlagen hat. Am Donnerstag stimmte die anderer Kammer, der Senat, ebenfalls zu.

Künftig soll in Australien für die Nutzung sozialer Medien ein Mindestalter von 16 Jahren gelten. Betroffen sind Plattformen wie Facebook, Instagram, Tiktok, Snapchat oder X, aber nicht Messaging-Dienste wie Facebook Messenger oder Whatsapp. Außerdem gibt es Ausnahmen für Produkte, die für Bildungszwecke verwendet werden, wie Youtube oder Google Classroom.

Premierminister Albanese gesteht ein, dass es eine »schwierige Aufgabe« sein werde, das Social-Media-Verbot umzusetzen. »Das ist etwas, was noch keine Regierung weltweit erreichen konnte«, sagte er bereits im Vorfeld. Dies sei jedoch ein globales Problem und seine Partei wolle, dass junge Australier eine Kindheit hätten, Eltern beruhigt seien und die jungen Menschen miteinander kommunizierten – »zwischenmenschlich und nicht nur über ihre Geräte«. Schon bisher erlauben viele Schulen in Australien nicht, dass Handys während der Schulzeit genutzt werden. Sie müssen entweder am Eingang abgegeben oder in den Schultaschen oder Schließfächern bleiben.

Das geplante Gesetz soll erst in zwölf Monaten in Kraft treten. Da die einzelnen Technologieunternehmen für die Durchsetzung des Verbots in die Verantwortung genommen werden und erst noch Prozesse für die Alterserkennung implementieren müssen, gibt man ihnen ein Jahr Vorlauf. Zudem sollen die Konzerne auch ein besonderes Augenmerk auf personenbezogene Daten und ihren Schutz halten. Australien ist nach mehreren hochkarätigen Cyberattacken in den letzten Jahren ein gebranntes Kind. So wurde ein Großteil persönlicher Daten von australischen Bürgerinnen und Bürgern durch Hacks auf einen Telekommunikationsanbieter und eine Krankenkasse gestohlen und teilweise im Darknet veröffentlicht.

Nach der Karenzzeit von einem Jahr kann es bei Verstößen dann aber zu erheblichen Strafen kommen. Den sozialen Medien könnten bei systematischem Fehlverhalten bis zu 50 Millionen australische Dollar Strafe drohen. Umgerechnet sind dies knapp 31 Millionen Euro. »Für zu viele junge Australier können soziale Medien schädlich sein«, hatte Kommunikationsministerin Michelle Rowland erklärt. Fast zwei Drittel der 14- bis 17-Jährigen hätten sich extrem schädliche Inhalte online angesehen, darunter Drogenmissbrauch, Selbstmord oder Selbstverletzung sowie gewalttätiges Material. Ein Viertel sei Inhalten ausgesetzt, die unsichere Essgewohnheiten fördern.

Das Gesetz nimmt Kinder, die bereits soziale Medien nutzen, nicht aus. Auch Kinder, deren Eltern vielleicht die Erlaubnis geben würden, dürfen nicht zugelassen werden. Für Jugendliche, die es schaffen, das Verbot zu umgehen, soll es aber keine Strafen geben – auch nicht für ihre Eltern. Für die Durchsetzung der Regelungen wird die eSafety-Beauftragte Julie Inman Grant und ihr Team verantwortlich sein – quasi die Internetregulierungsbehörde des Landes.

Unklar sind allerdings nach wie vor die technischen Möglichkeiten, wie sich das Alter von Jugendlichen eigentlich effektiv kontrollieren lässt. Dafür hat die Regierung bereits das in Großbritannien ansässige Age Check Certification Scheme ausgewählt. Damit sollen im kommenden halben Jahr Technologien getestet werden, mit deren Hilfe das Alter bestimmt werden kann. Das Thema ist auch für den sogenannten »Porno-Pass« relevant, an dem die Regierung ebenfalls arbeitet. Dieser soll verhindern, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren auf pornografische Websites zugreifen können.

Ganz glatt laufen die Prozesse bisher nicht: Nachdem die Regierung den Gesetzentwurf vergangene Woche ins Parlament eingebracht hatte, wurde der Senat mit etwa 15 000 Einsendungen überschwemmt. Die große Resonanz war Techmilliardär und X-Inhaber Elon Musk zu verdanken, der sich aus den USA in die Debatte einmischte und einen Social-Media-Beitrag von Premierminister Albanese, in dem er den Gesetzentwurf ankündigte, in die Zeitleisten von Millionen von X-Nutzern schickte. Musk ist nicht der einzige Plattformbesitzer, der seine Kritik an dem Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige zum Ausdruck brachte. Auch Tiktok warnte davor, dass dies bedeute, dass jeder Australier eine »Lizenz zum Online-Sein« haben müsse. Jeder Nutzer müsse den Altersüberprüfungsprozess durchlaufen. Auch Google und Meta wollten die Verabschiedung des Gesetzes hinauszögern, bis der Test zu dem Thema abgeschlossen ist.

Bedenken sind in den vergangenen Tagen auch von Rechtsexperten geäußert worden. So schrieb Sarah Joseph, eine Menschenrechts-Expertin der australischen Griffith University, dass das Gesetz »die implizite Freiheit der politischen Kommunikation«, die in der Verfassung verankert sei, verletzen könnte. »Wenn ja, ist es ungültig«, schrieb Joseph. Und weiter: »Kinder sind nicht unpolitisch.« Die Rechtsprofessorin wies auf bekannte »minderjährige« politische Aktivistinnen und Aktivisten hin wie Greta Thunberg, die »Schools Strike 4 Climate«-Bewegung und den lokalen australischen Nachrichtensender Channel 6, der von dem heute 17-jährigen Leo Puglisi im Alter von zwölf Jahren gegründet wurde. Kinder müssten aber keine Aktivisten sein, um sich politisch zu engagieren, erklärte die Rechtsexpertin: »Das politische Bewusstsein und die Identität eines Menschen entwickeln sich oft bereits in der Kindheit.«

Soziale Medien seien für Kinder dabei eine wichtige Quelle politischer Informationen und Kommunikation. »Sie widmen traditionellen Medienquellen wie Zeitungen oder Fernsehnachrichten vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit.« Zwar solle das Verbot Kinder und Jugendliche vor schlechten Inhalten und Mobbing schützen, doch gleichzeitig könnte es den Kindern auch schaden. Beispielsweise könnten soziale Medien einigen Kindern Zugang zu Online-Communities verschaffen, die das Gefühl der Isolation und Entfremdung lindern.

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