»Nicht meckern, machen«

Olaf Scholz startet in den Wahlkampf

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der sogenannten »Wahlsiegkonferenz« der SPD im Berliner Willy-Brandt-Haus.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der sogenannten »Wahlsiegkonferenz« der SPD im Berliner Willy-Brandt-Haus.

Stabile Renten, sichere Industriearbeitsplätze und eine Doppelstrategie in der Ukraine-Politik: Das sind drei Hauptthemen, mit denen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz den großen Rückstand auf die Union im Wahlkampf noch aufholen will. Beim Wahlkampfauftakt seiner Partei in Berlin wertete er die Abstimmung am 23. Februar als Richtungsentscheidung zwischen einem »Von hier aus zurück«-Konservatismus der Union und der SPD als »Kraft der Mitte« in Deutschland, die für »gesunden Menschenverstand« stehe.

»Jetzt geht es um das Ganze«, sagte Scholz in seiner einstündigen kämpferischen Rede, für die er vor etwa 500 SPD-Wahlkämpfern lange anhaltenden Applaus erntete. »Besinnen wir uns auf unsere Kraft: Nicht meckern, machen. Gemeinsam kämpfen, Seite an Seite. Denn wenn wir kämpfen, werden wir siegen.«

Nach der Konferenz wurde Scholz in seinem Wahlkreis in Potsdam zum Direktkandidaten gewählt. 69 Delegierte stimmten für ihn, es gab aber auch vier Gegenstimmen und eine Enthaltung. Das entsprach 93,2 Prozent Zustimmung.
Deutlicher Rückstand in Umfragen

Scholz war am Montag vom Parteivorstand einstimmig als Kanzlerkandidat nominiert worden. Vorausgegangen war eine zweiwöchige Debatte darüber, ob der laut Umfragen deutlich beliebtere Verteidigungsminister Boris Pistorius als Ersatzkandidat für Scholz eingewechselt werden soll, der nach dem Scheitern seiner Ampel-Regierung politisch angeschlagen ist. Mit der sogenannten »Wahlsiegkonferenz« in Berlin wollte die Partei den Streit nun hinter sich lassen und nach vorne schauen.

Scholz hat sich zum Ziel gesetzt, die SPD – wie schon vor drei Jahren – wieder zur stärksten Kraft im Bundestag zu machen. Derzeit liegt sie in Umfragen aber 16 bis 22 Prozentpunkte hinter der Union. Für die Aufholjagd bleiben bis zur Wahl nur noch 85 Tage.

Scholz begann seine Rede mit Angriffen auf FDP-Chef Christian Lindner, den er Anfang November als Finanzminister gefeuert und damit das Ende der Ampel-Koalition besiegelt hatte. In ernsten Zeiten brauche Deutschland ernsthafte Politik und »keine Spieler und keine Zocker«, sagte er. Lindner und seine FDP hätten die Arbeit der Ampel-Regierung über Monate hinweg »systematisch sabotiert«. »Sie wollten aktiv verhindern, dass diese Bundesregierung erfolgreich ist«, sagte Scholz. »So etwas darf in Deutschland nie wieder passieren.«

Scholz nannte vier Punkte, für die er ihm im Wahlkampf werben will, um aus der Wirtschaftskrise zu kommen: Sicherung von Industriearbeitsplätzen, vor allem in der schwer angeschlagenen Autoindustrie, günstige Energie für die Wirtschaft, verstärkte Investitionen in Infrastruktur, Kampf gegen den Fachkräftemangel. Um Investitionen zu ermöglichen, will der Kanzler die Schuldenbremse reformieren. Stabile Renten und bezahlbares Wohnen werde es nur mit der SPD geben.

Kein Russisch-Roulette

Scholz will im Wahlkampf aber auch mit seiner Doppelstrategie im Ukraine-Krieg punkten. Er sichert der Ukraine einerseits anhaltende Waffenlieferungen zu, will aber gleichzeitig eine Verwicklung der Nato in den Krieg mit Russland verhindern. Deswegen lehnt er die Bereitstellung der von Kiew seit langer Zeit geforderten Marschflugkörper des Typs Taurus ab.

Seinem Herausforderer Friedrich Merz warf er vor, mit seinem Ukraine-Kurs die Sicherheit Deutschlands zu gefährden. Der Unions-Kanzlerkandidat wolle der Nuklearmacht Russland mit Blick auf eine mögliche Taurus-Lieferung ein Ultimatum stellen, sagte Scholz. »Ich kann da nur sagen Vorsicht: Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch-Roulette.«

»Ich werde mich nicht treiben lassen von den Heißspornen, die jeden Tag rufen, was man noch zusätzlich machen soll. Ich werde einen besonnenen Kurs fortführen.«

Olaf Scholz

Die Grünen, mit denen Scholz weiterhin eine Minderheitsregierung bildet, distanzierten sich vom Kurs des Kanzlers. Die neue Parteichefin Franziska Brantner sagte der »Bild am Sonntag«, dass sie mit den Positionen von CDU-Chef Merz in der Ukraine-Politik besser zurechtkomme als mit denen von Scholz. Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt griff Scholz auf der Plattform X frontal an. Mit Besonnenheit habe dessen Kurs nichts zu tun: »Es wäre wirklich besser, sich zu besinnen, die Ukraine ausreichend zu unterstützen und damit auch unsere Sicherheit zu schützen und einen nachhaltigen Frieden auf den Weg bringen zu können«. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann warf Scholz vor, im Wahlkampf Angst zu schüren.

Auch in der SPD ist der Kurs des Kanzlers nicht ganz unumstritten. Auf der Wahlkreiskonferenz in Potsdam warf ein Delegierter Scholz in der Aussprache vor, den Abwehrkampf gegen Russland zu wenig und zu zögerlich unterstützt zu haben. »Warum solltest Du trotzdem Bundeskanzler bleiben?«, fragte er.
Scholz verteidigte auch dort seinen Kurs. »Ich werde mich nicht treiben lassen von den Heißspornen, die jeden Tag rufen, was man noch zusätzlich machen soll«, sagte er. »Ich werde mich nicht zurückhalten lassen von denjenigen, die nur Lautsprecher sind für Putin. Sondern ich werde einen besonnenen Kurs fortführen, der exakt verhindert, dass dieser Krieg weiter eskaliert.«

Scholz’ Kanzlerkandidatur muss noch auf dem Parteitag am 11. Januar bestätigt werden, was als Formsache gilt. Scholz muss sich aber an seinem Ergebnis vom Mai 2021 – gut vier Monate vor der Bundestagswahl – messen lassen. Damals wurde er mit 96,2 Prozent der Stimmen bestätigt.

Die SPD lag zu diesem Zeitpunkt wie heute in den Umfragen zwischen 14 und 16 Prozent. Erst ein als unangemessen empfundener Lacher des Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet in einem Flutgebiet brachte die Wende: Die SPD wurde schließlich mit 25,7 Prozent noch stärkste Kraft. Auf der Wahlkreiskonferenz in Potsdam erinnerte Scholz an die damalige Aufholjagd und zeigte sich auch für die bevorstehende Wahl siegessicher. Parteichef Lars Klingbeil rief die SPD bei der Konferenz in Berlin auf, sich nicht von den Umfragen beeinflussen zu lassen. dpa/nd

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