- Politik
- AfD-Verbot
»Nicht warten, bis es zu spät ist«
50 Organisationen fordern Einleitung von AfD-Verbotsverfahren. Vor allem die CDU sträubt sich
Die Aktivist*innen der Kampagne »Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot jetzt!« sind entschlossen: Sie kämpfen dafür, dass noch vor den Neuwahlen im Februar ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei eingeleitet wird. Der allererste Schritt in diese Richtung wurde inzwischen getan: 113 Abgeordnete von SPD, Grünen, Die Linke und CDU haben im November einen Beschluss zur Einleitung eines Prüfungsverfahrens ins Parlament eingebracht. Eine Mehrheit für den Antrag gilt bislang aber als eher unwahrscheinlich.
Um weiter Druck auf die Bundestagsabgeordneten auszuüben, schlossen sich am Montag 50 zivilgesellschaftliche Organisationen der Verbotskampagne an. Dazu zählen unter anderem Akteure wie Sea-Watch, der Chaos Computer Club, Omas gegen rechts, der Deutsche Bundesjugendring und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV).
»Als breites zivilgesellschaftliches Bündnis fordern wir die Bundestagsabgeordneten auf, jetzt für die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens zu stimmen,« erklärt Julia Dück, Sprecherin der Kampagne. »Wir dürfen nicht zuschauen und warten, bis die AfD einmal an die Macht gekommen und es zu spät ist. Der Antrag liegt auf dem Tisch. Der Bundestag muss jetzt den Weg freimachen, damit das Bundesverfassungsgericht endlich mit der Arbeit beginnen kann«, ergänzte Malte Engeler, Sprecher der Kampagne.
Das größte Hindernis für die Einleitung des Prüfungsverfahrens stelle derzeit die CDU-Fraktion dar, sagte Engler zu »nd«. Zwar war der CDU-Abgeordnete und Ost-Beauftragte der Unionsfraktion Marco Wanderwitz einer der Initiatoren des überparteilichen Beschlusses der 113 Abgeordneten. Aus der Unionsfraktion unterstützen bisher jedoch nur sieben der 196 Abgeordneten den Antrag.
Sowohl CDU-Fraktionschef Friedrich Merz als auch Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, lehnen ein AfD-Verbotsverfahren ab. Dobrindt habe zwar keine Zweifel, dass es in der AfD radikale und extremistische Kräfte gebe, sagte er im November. Man könne die AfD aber »nicht wegverbieten«, man könne sie »nur wegregieren«. Der geplante Verbotsantrag sei »vollkommen falsch und kontraproduktiv«. Auch die SPD-Fraktionsspitze um Rolf Mützenich ist reserviert und hält den Antrag für verfrüht.
Neben politischen Bedenken werden immer wieder auch rechtliche Bedenken aus den Reihen von CDU und SPD angeführt. Ein Gutachten, das 17 Verfassungsrechtler*innen vergangene Woche dem Rechtsausschuss des Bundestags vorlegten, widerspricht diesen Bedenken. Darin attestieren die Jurist*innen, ein Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht habe »durchaus Aussichten auf Erfolg«. Für die Verfassungsrechtler*innen ist erwiesen, dass die AfD verfassungswidrig ist.
Die Partei habe sich fortlaufend radikalisiert und offenbare in den Äußerungen ihrer Funktionäre immer deutlicher »ihre wahren verfassungsfeindlichen Absichten«, heißt es in der Stellungnahme der Jurist*innen weiter. Auch vertrete die AfD ein »völkisch-nationalistisches Programm« und einen kulturell homogenen Volksbegriff. Das Urteil des Gutachtens: »Die AfD agiert im Widerspruch zu den Maximen der Verfassung und delegitimiert die Demokratie.«
»Dieses Gutachten zeigt, dass man einen solchen Verbotsantrag begründen kann, wenn man das denn will«, erklärt Lukas Theune, Geschäftsführer des RAV und Unterstützer der Verbotskampagne, »nd«. Das bedeute aber nicht zwingend, dass die drei Organe, die zu einem Prüfantrag berechtigt sind, Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, nun dazu verpflichtet seien, das Verfahren einzuleiten, so der Jurist. Diese Frage sei unter Verfassungsrechtler*innen umstritten.
Doch auch unabhängig von den juristischen Fragen sehen Kritiker des Parteiverbots eine Gefahr in dem Verfahren. Denn es könnte viele Jahre dauern, bis das BVerG tatsächlich ein Verbotsurteil fällt. Bis dahin könnte die rechtsextreme Partei davon profitieren und sich weiter in der Opferrolle inszenieren.
»Ich glaube auch, dass das Verfahren Risiken birgt«, sagte Theune. Er gehe wie viele andere davon aus, dass die Menschen, die jetzt schon vorhätten, AfD zu wählen, mit einem solchen Antrag nicht davon abgehalten würden. »Das ist aber nicht die Mehrheit der Gesellschaft«, betont der Jurist. Die Mehrheit stehe für ein demokratisches und offenes Deutschland und dafür, die Rechte von migrantischen Personen, queeren Menschen und Frauen zu achten. »Im Interesse dieser Menschen überwiegen die Chancen eines AfD-Verbotsverfahrens deutlich die Risiken.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.