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Klassenfahrten-Aus: Geht da noch was?
SPD will auf Kritik von Schulleitern am Haushalt eingehen, Bildungssenatorin verweist auf fernere Zukunft
Berlins Schüler*innen, Familien und Lehrkräfte dürften darauf hoffen, dass das Parlament die bisherige Haushaltsaufstellung noch mal in ihrem Sinne anfasst. Wie in so vielen anderen Bereichen auch, war erst mit etwas Verzögerung bekannt geworden, welche Auswirkungen die haushälterischen Pläne des Senats auf die Klassenfahrten von Berlins Schulen möglicherweise haben würden. »Etwa die Hälfte aller Klassenfahrten fallen in Berlin aus«, warnten mehrere Schulleiter*innenverbände in einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung.
Hintergrund ist, dass der Haushaltsposten »Dienstreise-Kosten für Lehrer« 2025 zwar leicht wächst, von 1,42 auf 1,5 Millionen Euro. Allerdings darf ab nächstem Jahr dieser Topf nicht mehr überzogen werden. In den vergangenen Jahren hat das Landes-Budget nur etwa die Hälfte der entstandenen Kosten bei Klassenfahrten abgedeckt.
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Auf einer Pressekonferenz des Senats nahm Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Dienstag Stellung zur Causa Klassenfahrten: »Was nicht mehr möglich sein wird, ist, dass egal wie viel gebucht wird, wir diesen Deckel nach oben anpassen.« Durch die nun klare Limitierung sei eine Situation entstanden, in der manche Schulen, die mit der Buchung früh dran waren, alle ihre Fahrten buchen konnten, aber ihr Budget deutlich überzogen haben, schreiben die Schulleiter*innenverbände. Andere Schulen hätten wenig gebucht, »dort fallen fast alle Fahrten aus«. Die Budgets, die jeweils an die Bezirke vergeben werden, seien bereits in zwei Bezirken ausgebucht. »In diesen Bezirken können keine Fahrten mehr genehmigt werden.« Die Bildungssenatorin sprach vom Bezirk Steglitz-Zehlendorf, der sein Budget bereits ausgereizt hätte. Allerdings sei das Buchen von Fahrten prinzipiell weiter möglich, nur eben nicht die Abrechnung von Dienstreisekosten.
Alternativ könnten die Eltern über die Schulfördervereine und dann direkt an den Anbieter die Reisekosten für das pädagogische Personal erstatten, ohne dass dies als unerlaubte Geschenkannahme im Dienst gelte, sagte Günther-Wünsch. Um die Ungleichheiten in den Bezirken zu korrigieren, hatte sie zuvor bereits Schulen mit einem hohen Buchungsumfang gebeten, Reisen freiwillig zu stornieren.
Die Schulleiter*innenverbände fordern, die Dienstreisekosten über andere ihnen vom Land zur Verfügung gestellte Mittel ausgleichen zu können. Bisher sind die einzelnen Haushaltstitel weitestgehend an ihren Zweck gebunden und nicht »deckungsfähig«.
»Wir sind sehr offen dafür, politische Änderungen bezogen auf die Kürzungen im Bildungsbereich vorzunehmen.«
Marcel Hopp SPD Berlin
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Marcel Hopp zeigte sich »nd« gegenüber offen für diesen Vorschlag: »Die Warnung der Schulleiter*innen ist nachvollziehbar und würde dadurch gelöst werden, wenn die Deckungsfähigkeit zu anderen Haushaltstiteln, zum Beispiel mit dem Verfügungsfonds von Schulen, im Bildungsetat ermöglicht würde«, erklärte Hopp. Die jetzt entstandene Problematik der unflexiblen Klassenfahrtmittel hätte bereits im nun beschlossenen Senatsentwurf von der Bildungssenatorin gelöst werden können. »Wir sind in der jetzigen kurzen Phase der Fachverhandlungen SPD-seitig sehr offen dafür, diese und weitere politische Änderungen bezogen auf die Kürzungen im Bildungsbereich vorzunehmen«, teilte Hopp mit. Dazu bräuchte es allerdings einen Konsens zwischen beiden Koalitionspartnern.
Bildungssenatorin Günther-Wünsch erklärte, der Stadtstaat Hamburg habe eine ganz große Lösung mit der Deckungsfähigkeit von Personal- und Sachmitteln gefunden. Dieses Mehr an Handlungsspielraum könne sie sich auch für Berlin gut vorstellen, es sei aber momentan nicht möglich. Schließlich hingen daran rechtliche und haushälterische Fragen und es bräuchte gut qualifiziertes Leitungspersonal in den Schulen. »Das macht man nicht einfach so. Auch Hamburg hat sich dafür lange Zeit genommen«, sei aber nun ein Erfolgsmodell im Sinne der eigenverantwortlichen Schule, sagte Günther-Wünsch.
Für den Landesschülerausschuss (LSA) fügen sich die Einschnitte bei den Klassenfahrten in das Gesamtbild vom Haushalt. Dem LSA zufolge sei Bildung, anders als vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) behauptet, nicht priorisiert worden, sagte Orcun Ilter, der Vorsitzende des LSA »nd«. »Klassenfahrten fördern die Klassengemeinschaft und Bildungsfahrten, die ebenfalls durch die Einsparmaßnahmen betroffen sind, gewinnen gerade in politischen Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben, an Bedeutung«, sagte Ilter. Die Auswirkungen werden in den Klassen zu spüren sein, sagte Ilter. Schüler*innen würden für brisante und politisch bedeutende Themen weniger sensibilisiert, insbesondere, da auch bei der Demokratie- und der politischen Bildung Einschnitte bevorstünden. Ilter sagt: »Es wäre schön, wenn die Politik den jetzt stehenden Entwurf noch mal korrigieren würde, doch meine Erwartungen sind dahingehend nicht sehr groß.«
Der Senat will noch vor Jahresfrist seinen Nachtragshaushalt durch das Parlament bringen. Insgesamt sollen drei Milliarden Euro eingespart werden. Im Nachgang zur Verabschiedung des Entwurfs durch den Senat Ende November hatte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) eingeräumt, dass es noch Anpassungsbedarf geben werde. Nachdem die Abgeordneten die avisierten Kürzungen bereits in den Fachausschüssen diskutieren konnten, wird am kommenden Donnerstag das erste Mal das ganze Plenum den schwarz-roten Haushaltsentwurf beraten.
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