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Ukraine: Lauter Ruf nach der Nato
Nur im Kriegsbündnis sei die Sicherheit des Landes garantiert, sagt Kiew
Der Zeitpunkt ist strategisch gewählt. Kurz vor dem 30. Jahrestag des Memorandums von Budapest und gleichzeitig mit dem Beginn des Nato-Außenministertreffens in Brüssel stellt die Ukraine klar: Die einzige akzeptable Sicherheitsgarantie ist eine ukrainische Nato-Mitgliedschaft. In seiner Erklärung betont das Außenministerium, dass die Ukraine alle Sicherheitsgarantien ablehnt, die eine Alternative zur Nato-Mitgliedschaft darstellen könnten. Zuvor hatte bereits Präsident Wolodymyr Selenskyj die Nato-Mitgliedschaft als alternativlos bezeichnet. Das Memorandum von Budapest und die Vereinbarungen von Minsk seien leider keine Sicherheitsgarantien gewesen.
Nach dem Ende der Sowjetunion gab es die ersten Streitigkeiten zwischen Moskau und Kiew um die Krim. Während Belarus und Kasachstan ihre Atomsprengköpfe an Russland abgaben, verlangte die Ukraine für den Verzicht auf ihren geerbten Status als Atommacht Sicherheitsgarantien. Die bekam sie 1994 von Großbritannien, den USA und Russland. Mit seinem Angriff auf die Ukraine hat Russland dieses Memorandum verletzt. Als Folge der Minsk-Verhandlungen sank zwar die Zahl der zivilen Todesopfer in der Ostukraine, Frieden brachten sie dem Land jedoch nicht.
Militärische Rückeroberung erscheint unrealistisch
Die aktuellen Aussagen aus Kiew zeigen, dass die Ukraine von einer ihrer Kernforderungen, der Wiederherstellung der Grenzen von 1991 auf militärischem Weg, abgerückt ist. Kürzlich räumte Selenskyj gegenüber der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo News ein, dass es schwierig sei, einige von Russland besetzte Teile des Landes, einschließlich der Krim, mit militärischer Gewalt zurückzuerobern, und dass der einzige Weg dafür der diplomatische sei.
Gegenüber Sky News deutete der ukrainische Präsident an, dass ein Waffenstillstandsabkommen möglich sei, wenn die von der Ukraine kontrollierten Gebiete unter den Schutz der Nato gestellt würden und über die Rückgabe der übrigen Gebiete später »auf diplomatischem Wege« verhandelt werden könnte. Am Montag hieß es dann, dass Menschenleben wichtiger als ein Territorium seien.
Nato wird Ukraine nicht zeitnah einladen
Für den ukrainischen Publizisten Witalij Portnikow hat die jüngste Erklärung des ukrainischen Außenministeriums deklarativen Charakter. Es sei illusorisch, so Portnikow auf Youtube, auf eine zeitnahe Einladung der Nato zu setzen. Mehrere Länder, wie beispielsweise Ungarn, seien gegen die Aufnahme der Ukraine in die Nato. Gleichzeitig wollen die meisten Nato-Staaten keine fundamentalen Entscheidungen vor der Amtseinführung von Donald Trump am 20. Januar. Und deswegen mache es eben schon Sinn, über alternative Sicherheitsgarantien nachzudenken.
Erst am Wochenende hatte der ehemalige Nato-Generalsekretär und künftige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Jens Stoltenberg, gegenüber dem Portal »Table.Briefings« eine vorübergehende Überlassung der besetzten Gebiete an Russland zur Erreichung eines Waffenstillstands nicht mehr ausgeschlossen.
Selenskyj lädt Russland zum Friedensgipfel ein
Und auch der Sonderbeauftragte für Russland und die Ukraine des zukünftigen Präsidenten Donald Trump, Keith Kellog, spricht sich in seinem Friedensplan für eine diplomatische Rückführung der derzeit besetzten Gebiete aus, womit er einer militärischen Rückeroberung der Krim eine Absage erteilt. Sowohl Stoltenberg wie Kellog wollen die Frage einer ukrainischen Nato-Mitgliedschaft aktuell nicht auf der Tagesordnung sehen.
Vieles deutet auf einen Waffenstillstand nach der Amtseinführung von Donald Trump hin. So berichtet der ukrainische Dienst von BBC am 3. Dezember von einem Befehl an die im russischen Kursk dislozierten ukrainischen Truppen, bis Ende Januar zur Übernahme der Amtsgeschäfte des neuen US-Präsidenten in diesem russischen Gebiet zu verharren.
Es hat sich einiges im Diskus verändert. Was gestern noch tabu war, direkte Verhandlungen mit Russland zu fordern, geht nun auf einmal. Am Montagabend lud Selenskyj in seiner Videoansprache Russland ein, zum zweiten Friedensgipfel zu kommen. Und inzwischen hat sich auch Jurij Luzenko, ehemals Innenminister und Generalstaatsanwalt, für einen Waffenstillstand ausgesprochen.
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