- Kommentare
- Frankreichs Regierungskrise
Macrons Eigentor
Peter Steiniger über Frankreichs Krise nach dem Sturz von Barnier
Es ist mehr als ein feiner Unterschied: Der Sturz der französischen Regierung durch ein Misstrauensvotum der Nationalversammlung ist nicht das Werk eines Bündnisses der linken Volksfront-Parteien mit dem rechtsextremen Rassemblement National, sondern eine Folge des von Präsident Emmanuel Macron und seinem Lager betriebenen politischen Spiels. Nachdem die von Macron in Verkennung der Realität als Befreiungsschlag für Mitte-rechts gedachte Parlamentswahl im Juli die Linke vorn sah, hatte der Mann im Élysée dreist die demokratischen Spielregeln übergangen. Die von ihm geschmiedete Minderheitskoalition mit Michel Barnier von der kleinen Fraktion der konservativen Republikaner an der Spitze knüpfte an der deutlich abgewählten Agenda an. Mit einer weiteren Verschiebung des Kurses nach rechts und Zugeständnissen an RN erkaufte Barnier eine taktische Duldung seines Kabinetts. Das ist der Kuhhandel, der wirklich stattfand.
Die Nationalisten von Marine Le Pen stimmten nun nicht aufgrund inhaltlicher Übereinstimmungen oder eines Paktes für den Antrag ihrer schärfsten Opponenten, sondern weil sie es sich nicht leisten können, offen zur Stützpartei der Macronisten zu mutieren und damit die Glaubwürdigkeit bei ihren Wählern als »Alternative für Frankreich« zu verspielen. Macron, der die Linke mit aller Macht von der Regierung fernhielt und sie bislang erfolglos zu spalten versucht, bescherte dem Land einen weiteren politischen Scherbenhaufen. Die Volksfront hatte nicht nur wegen der schwachen Legitimität der Barnier-Regierung Grund, deren Sturz anzustreben. Wie schon bei Macrons Rentenreform sollte das Gesetz über Kürzungen bei der Sozialversicherung zur Reduzierung des Hauhaltsdefizits mit der Brechstange durchgesetzt werden. Ihr Hebel erwies sich als zu kurz.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.