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»Den Gaskonzernen ihren Kongress vermiesen«
Diese Woche findet in Berlin der »World-LNG-Summit« statt. Die Klimabewegung bringt sich dagegen in Stellung
Mit »90% C-level attendance« wirbt ein Event, das diese Woche in Berlin stattfinden soll. Stirnrunzeln? Damit sind Sie nicht alleine. Eine kurze Erklärung: Mit C-Ebene sind all jene Berufe gemeint, die das englische Wort für Chef (also chief) im Namen haben. Man hätte also auch schreiben können »90 Prozent der Gäste in Führungsposition« – aber das würden ja nicht nur Insider verstehen. Jedenfalls beschreibt die Angabe wohl genauer als beabsichtigt den Charakter der Veranstaltung. Nächster Hinweis, der Veranstaltungsort: das Hotel Adlon Kempinksi, absolute Oberklasse. Die Ticketpreise gehen los bei 4200 Euro – ohne Mehrwertsteuer versteht sich. Man kann es sich schon denken: Es handelt sich um ein Lobbytreffen der Superlative.
Und es ist nicht irgendein Interessenverband, der sich in der Hauptstadt trifft. Die 750 Teilnehmenden (Ich habe nachgerechnet: 675 Menschen mit dem Wort »Chef« in der Berufsbezeichnung) und 500 Unternehmen gehören dem Marktsegment an, das seit dem russischen Angriff auf die Ukraine in Deutschland eine immer größere Rolle spielt. Es geht um Flüssigerdgas, kurz LNG. Als »der Treffpunkt der globalen LNG-Industrie« bezeichnet sich der Gipfel. Wenn man der Selbstbeschreibung Glauben schenken möchte, geht es um Energiesicherheit, Stabilität und die Einsparung von CO2.
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Wie allerdings ausgerechnet Flüssigerdgas, bei dessen Verarbeitung nicht nur CO2, sondern auch das deutlich klimawirksamere Methan anfällt, zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen soll, ist vielen schleierhaft. Deshalb formt sich Widerstand gegen den Gipfel. »Gemeinsam wollen wir den Gaskonzernen ihren Kongress vermiesen und für eine erneuerbare, gerechte Zukunft für alle einstehen«, schreibt das dahinter stehende Bündnis.
Das Programm startete am Sonntag mit einem »Gegen-Gas-Gipfel«, der ebenfalls in Berlin stattfand. Dort geht es unter anderem um die Frage, warum Flüssigerdgas eben keine »saubere« Zukunftstechnologie ist – zum Teil ist dessen Treibhausgas-Fußabdruck sogar schlechter als der von Kohle. »Das Ende der Nutzung von LNG sollte eine globale Priorität sein«, so das Fazit einer aktuellen Studie, die die Klimaschädlichkeit von Flüssigerdgas aus den USA untersuchte. Hinzu kommt: Die Gewinnung von Flüssigerdgas geht mit enormen gesundheitlichen Risiken für diejenigen einher, die in der Nähe etwa von Fracking-Gebieten leben. Und das sind mehrheitlich People of Color und Menschen aus dem globalen Süden. LNG sei also auch Teil eines »Energie-Kolonialismus«, wie es im Programm des Gegengipfels heißt. Enden soll dieser mit einem Panel, an dem unter anderem Stefan Wenzel, Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, teilnimmt. Er hält dann übrigens am Folgetag die Eröffnungsrede des Lobbytreffens. Worüber, ist noch nicht bekannt.
Parallel zu der Gegenveranstaltung im Stil einer Konferenz haben Ende Gelände, Extinction Rebellion, Letzte Generation und Scientist Rebellion Aktionen des zivilen Ungehorsams angekündigt. »Aus ihrer Champagner-Party machen wir ein öffentlichkeitswirksames Debakel! Statt der fossilen Hinterzimmerparty tragen wir bunten Protest und entschlossenen Widerstand in das Herz Berlins!«, heißt es im Aufruf. Über die Tage verteilt soll es sowohl größere als auch kleinere Aktionen geben, an denen sich noch weitere Umweltgruppen wie Robin Wood beteiligen wollen. Bereits im November haben Ende Gelände und die Letzte Generation sich im Hotel Adlon eingemietet, dort mehrere Banner ausgerollt und das Wasser des hoteleigenen Brunnens eingefärbt.
Vor dem Hotel soll am Dienstagnachmittag außerdem eine Demonstration stattfinden. Dazu ruft Fridays for Future (FFF) auf. Unter anderem »Menschen aus geopolitisch besonders betroffenen Gebieten« sollen dort Reden halten. Vorab kritisierte FFF die Politik der Bundesregierung, die seit dem Krieg in der Ukraine den Ausbau von LNG-Terminals massiv vorangetrieben hat. »Aktuell wird nur in drei der vier deutschen LNG-Terminals überhaupt Flüssigerdgas angelandet, und keines erreicht eine volle Auslastung«, so die Klimagruppe. »Trotz einer offiziellen Erklärung des Bundeswirtschaftsministers im September 2024, dass keine Gasmangellage besteht, werden weiterhin Überkapazitäten geschaffen, die weder notwendig noch wirtschaftlich sinnvoll sind.« Frieda Egeling von FFF meint: »Eine gute Zukunft gibt es nur ohne neue Gasprojekte, in Deutschland und weltweit.« Ungewiss ist, ob die Menschen auf C-Ebene im Hotel Adlon die Parolen der Demonstration hören werden. Fest steht nur: Sie werden anderer Meinung sein.
Der Satz zur klimaschädlichkeit von LNG wurde überarbeitet.
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