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Grünen-Parteitag: Heile Welt in Bielefeld
Nordrhein-Westfalen: Delegierte stellen Landesliste zur Bundestagswahl auf
Vor der Landesdelegiertenkonferenz in Bielefeld gab es bereits eine freudige Nachricht für den größten Landesverband der Grünen: Ein neues Mitgliederhoch ist erreicht. Mehr als 30 000 Menschen gehören in Nordrhein-Westfalen zur einstigen Ökopartei. Allein seit dem »Ampel-Aus« Anfang November sind nach Parteiangaben mehr als 4000 Menschen in den NRW-Landesverband eingetreten.
Raoul Roßbach, Politischer Geschäftsführer der Grünen in NRW, versprach denn auch am Samstag auf dem Landesparteitag vollmundig, man werde den stärksten Bundestagswahlkampf in »unserer Geschichte« führen. Klimaschutz, Zusammenhalt, »nachhaltiger Wohlstand« und ein starkes und sicheres Europa sollen Leitlinien im nun startenden Wahlkampf sein.
Mit großer Einmütigkeit wählten die rund 280 Delegierten anschließend Britta Haßelmann und Katharina Dröge, beide Vorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, zu ihren Spitzenkandidatinnen für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar. Die Bielefelderin Britta Haßelmann erhielt sagenhafte 99,3 Prozent, die Kölnerin Katharina Dröge für Listenplatz zwei immerhin noch 97,1 Prozent der Stimmen.
»Wir wollen Verantwortung für unser Land, für unsere Sicherheit und unsere Demokratie übernehmen. Wollen einstehen für Zusammenhalt, Solidarität und ein starkes, gemeinsames Europa. Einfach am Gestern festhalten wird für die Zukunft nicht reichen«, erklärte Haßelmann. So ging es weiter mit den Wahlkampfslogans. Katharina Dröge: »Wir wollen eine Wirtschaftspolitik, die Klimaschutz als Jobgarant begreift und ein Land, das einfach funktioniert.«
Das bezweifeln aber einige. Besonders vor Ort, in NRW, wo die Grünen seit zweieinhalb Jahren mit der CDU die Geschicke des Landes bestimmen. So versammelten sich am Samstagmorgen um die 50 Erzieherinnen und Erzieher sowie Aktive der Gewerkschaft Verdi vor der Bielefelder Stadthalle, in der die Grünen tagten. Sie wollten NRW-Familienministerin Josefine Paul die Leviten lesen. Die kam auch raus, um sich der Kritik zu stellen.
Nicht nur ein neuer Betreuungsschlüssel infolge einer geplanten neuen Personalverordnung, sondern auch die sinkende Qualifikation der Beschäftigten in Kitas waren Themen, die Gewerkschaftssekretär Ismail Cebe gegenüber Paul ansprach. Mit einer Personalverordnung werde weiter an geltenden Standards gesägt. Für eine Zeit von sechs Wochen soll im Notfall, ergänzt durch den vermehrten Einsatz von Ergänzungskräften, nur noch eine Erzieherin für bis zu 60 Kinder verantwortlich sein. Das sei »grenzüberschreitend«, schimpfte Cebe.
Die »dramatische« Abwärtsbewegung bei der Qualifikation des Personals müsse gestoppt werden, mahnte auch Verdi-Landesgruppenleiterin Gabriele Schmidt. Sonst würden die Kitas zu »Verwahranstalten«, die »ihrem Bildungsauftrag nicht mehr gerecht werden«. Paul zeigte Verständnis, aber kaum Einsicht. Eine Fortsetzung des Dialogs soll folgen.
Währenddessen wählten die Delegierten auf Landeslistenplatz drei und vier die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin im Bundestag, Irene Mihalic aus Gelsenkirchen, und den früheren NRW-Landesvorsitzenden Sven Lehmann aus Köln. Der neue Ko-Vorsitzende der Partei, Felix Banaszak aus Duisburg, soll über Platz sechs der Landesliste in den Bundestag einziehen. Er erhielt gut 94 Prozent der Stimmen.
Bei der Bundestagswahl 2021 stimmten 16,1 Prozent der Wahlberechtigten in NRW für die Grünen, damals zogen 24 Abgeordnete über die Landesliste in den Bundestag ein. Im neuesten NRW-Trend des WDR von Mitte Oktober erreichten die Grünen 14 Prozent. Durch Nachrücker und eine Wiederholung der Wahl in Berlin hat die NRW-Landesgruppe der Grünen im Bundestag derzeit 28 Mitglieder.
Die Delegierten beschworen in Bielefeld den innerparteilichen Zusammenhalt und das »Wir-Gefühl«. Man sprach einander Mut zu und attackierte zugleich die politische Konkurrenz. Der Coolste und Fähigste sei ohnehin Robert Habeck; er würde sich mit seiner nahbaren Art deutlich abheben von allen anderen. Bezahlbares Wohnen scheint ein wichtiges Wahlkampfthena für die Grünen zu werden. Nahezu alle Redner forderten, dass es mehr Wohnraum für Geringverdiener und Personen mit mittleren Einkommen geben müsse. In drei Jahren des Mitregierens im Bund hat man hier allerdings nichts erreicht. Im Gegenteil.
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