Sächsische Grüne: Von der Regierungsbank in die Krise

Landeschefin wirft nach Vorstandswahl hin. Kurs im Landtag noch offen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Marie Müser (l.) und Christin Furtenbacher wurden zwar als Landeschefinnen der sächsischen Grünen bestätigt, aber Letztere warf aus Enttäuschung über das magere Ergebnis hin.
Marie Müser (l.) und Christin Furtenbacher wurden zwar als Landeschefinnen der sächsischen Grünen bestätigt, aber Letztere warf aus Enttäuschung über das magere Ergebnis hin.

Am Tag nach dem Debakel gab sich Marie Müser zuversichtlich. Die Grünen in Sachsen hatten bei der Landtagswahl vom 1. September eine herbe Enttäuschung erlebt. Die Partei, die seit 2019 erstmals im Freistaat mitregiert hatte, war mit 5,1 Prozent nur mit Ach und Krach in den Landtag eingezogen. Müser gab sich indes entschlossen: Man bleibe »weiterhin eine Kraft, die sächsische Landespolitik gestalten wird«.

Gut drei Monate später sieht es danach vorerst nicht aus. Vielmehr scheint die Partei stark mit sich selbst und der Aufarbeitung der Wahlniederlage beschäftigt. Am Wochenende endete ein Routineparteitag, bei dem zum Auftakt des Bundestagswahlkampfes eigentlich nur der Vorstand bestätigt werden sollte, im Eklat. Müser, die noch vor Kurzem im Gefolge der Bundesvorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour ihren Rückzug angekündigt hatte, wurde zwar mit 63 Prozent im Amt bestätigt. Ihre Amtskollegin Christin Furtenbacher indes fiel im ersten Anlauf durch, bevor sie mit 57 Prozent dann doch gewählt wurde. Tags darauf warf sie aus Enttäuschung über das mehr als mäßige Ergebnis hin. Dieses habe sie »schwer getroffen« und ihr gezeigt, dass sie »keinen ausreichenden Rückhalt« mehr habe, sagte sie.

Die internen Zerwürfnisse sind Ausdruck einer Krise, in die der Landesverband gerutscht ist, nachdem er die Rolle als Regierungspartei eingebüßt hat. Zwar nehmen die beiden Minister Wolfram Günther (Landwirtschaft und Umwelt) sowie Katja Meier (Justiz und Gleichstellung) weiter an Sitzungen des Kabinetts teil, das die Geschäfte führt, bis eine neue Regierung gebildet ist. An diesem Dienstag etwa widersprachen sie dort einer Vorlage zur vorläufigen Haushaltsführung, mit der die Zeit bis zum Beschluss eines regulären Etats überbrückt werden soll. Doch ihre Ressorts haben ihre bisherigen Koalitionspartner CDU und SPD, die sich vergangene Woche auf den Vertrag für eine Minderheitsregierung geeinigt haben, bereits unter sich aufgeteilt. Sobald der Landtag einen Ministerpräsidenten gewählt und dieser ein neues Kabinett erkannt hat, sind Günther und Meier raus.

»Ich musste für mich die Schlussfolgerung ziehen, dass ich keinen ausreichenden Rückhalt als Landesvorsitzende mehr habe.«

Christin Furtenbacher Ex-Landeschefin Grüne Sachsen

Als Termin für die Wahl ist der 18. Dezember angesetzt, und den Grünen könnte durchaus eine entscheidende Rolle zukommen. Weil CDU und SPD im Landtag zehn Sitze zur Mehrheit fehlen, müssen sie bei der Opposition um Stimmen werben. Das gilt auch für den Landeshaushalt und alle weiteren Gesetzesvorhaben. Im Gegenzug bieten sie BSW, Grünen und Linken eine engere Zusammenarbeit im Rahmen eines »Konsultationsmechanismus« an. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der gern im Amt bleiben möchte, schlug ungewohnt konziliante Töne an und sprach von einer »ausgestreckten Hand«.

Die Grünen mit ihren sieben Abgeordneten aber schlagen diese bisher aus und scheinen unter den neuen, unübersichtlichen Verhältnissen in der sächsischen Landespolitik bisher für sich die Rolle als Fundamentalopposition zu wählen. Zur Begründung verweisen sie auf eine aggressive CDU-Wahlkampagne zu ihren Lasten. Kretschmer hatte bei jeder Gelegenheit betont, mit der Ökopartei nicht weiter regieren zu wollen, und gleichzeitig nicht ohne Erfolg um Leihstimmen von deren Wählern geworben, um einen Wahlsieg der AfD zu verhindern. Das trug zum mageren Wahlergebnis der Grünen bei, das 3,5 Prozentpunkte unter dem von 2019 lag.

Der CDU-Mann habe damit »aus Verbohrtheit« eine stabile Landesregierung preisgegeben und für ein »Chaos mit unklaren Mehrheiten« gesorgt, sagte Furtenbacher kürzlich. Kretschmer gab sich zwar zuletzt versöhnlich und räumte ein, man müsse über Verletzungen reden. Doch bisher rücken die Grünen nicht von ihrer Position ab. Noch-Ministerin Meier sagte kürzlich, es könne bei seiner Wahl »aus heutiger Sicht nur ein Nein geben«.

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